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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Ich weckte ihn auf und zwang ihn zu rascherem Gange, und jetzt kam
die Niederträchtigkeit seiner Natur wieder zum Vorschein. Er versuchte über
eine fünf oder sechs Fuß hohe Steinmauer zu klettern. Ich sah. daß ich bei
diesem Pferde Gewalt anwenden mußte, und daß ich damit je eher je lieber
anfinge. Ich riß mir eine tüchtige Gerte von einem Tamarindenbaum, und
in dem Augenblicke, wo er das sah, ergab er sich. Er ging in einen krampf¬
haften Bummeltrab über, der drei kurze Schritte und einen langen hatte und
mich abwechselnd an das Wackeln und Schütteln unseres großen Erdbebens
und an das Fegen und Stampfen des "Ajax" bei Sturm erinnerte.

Und jetzt kann es keine passendere Gelegenheit geben, dem Manne, der
den amerikanischen Sattel erfand, einen Segen mit der linken Hand zu er¬
theilen. Er hat keinen Sitz, der der Rede werth wäre. Man könnte ebenso
gut auf einer Schaufel sitzen, und die Steigbügel sind nichts als ein orna¬
mentaler Unfug. Wollte Ich hier alle die Schimpfreden niederschreiben, die
ich auf diese Steigbügel häufte, es würde ein dickes Buch geben, auch wenn
ich keine Bilder hinzufügte. Bisweilen kriegte ich einen Fuß soweit durch,
daß der Steigbügel etwas von der Natur einer Knöchelspange annahm, bis¬
weilen fuhren beide Füße durch und ich hatte Handschellen an den Beinen,
und bisweilen rutschten meine Füße ganz heraus, und die Bügel baumelten
wie toll gegen meine Schienbeine. Selbst wenn ich in gehöriger Haltung saß
und sorgfältig auf den Ballen meiner Fußsohlen balancirte, war es nicht
behaglich; denn eine nervöse Angst peinigte mich, daß sie im nächsten Augen¬
blicke abglitschen könnten. Aber die Sache ist zu verdrießlich, als daß ich
von ihr weiter schreiben möchte.

Anderthalb Meilen von der Stadt kam ich an einen Hain von hohen
Kokosnußbäumen mit leeren, astlosen Stämmen, die sechzig oder siebzig Fuß
gerade in die Höhe schössen und oben ein wenig grünes Laub hatten, in wel¬
chem sich Büschel von Kokosnüssen verbargen. Es war nicht malerischer als
ein Wald von kolossalen Sonnenschirmen, unter denen vergrößerte Trauben
hängen, sein würde. Ich hörte einmal einen empfindsamen Invaliden aus
dem Norden sagen, ein Kokosnußbaum könnte poetisch sein, und möglicher¬
weise war es so; aber es sah wie ein Staubwedel von Federn, der vom Blitz
getroffen ist, aus. Ich denke, das schildert es besser als ein Bild -- und
doch hat der Kokosnußbaum ohne Zweifel etwas Bezauberndes und auch
seine Anmuth.

Etwa ein Dutzend Hütten, einige von Brettern, andere aus dem Grase
des Landes errichtet, duckten sich schläfrig hier und da im Schatten. Die
Grashütten haben eine graue Farbe, sind wie unsre Hütten gestaltet, nur
gewöhnlich mit höheren und steileren Dächern, und bestehen aus einer Art
Unkraut, welches fest in Faschinen zusammengebunden ist. Die Dächer sind


Ich weckte ihn auf und zwang ihn zu rascherem Gange, und jetzt kam
die Niederträchtigkeit seiner Natur wieder zum Vorschein. Er versuchte über
eine fünf oder sechs Fuß hohe Steinmauer zu klettern. Ich sah. daß ich bei
diesem Pferde Gewalt anwenden mußte, und daß ich damit je eher je lieber
anfinge. Ich riß mir eine tüchtige Gerte von einem Tamarindenbaum, und
in dem Augenblicke, wo er das sah, ergab er sich. Er ging in einen krampf¬
haften Bummeltrab über, der drei kurze Schritte und einen langen hatte und
mich abwechselnd an das Wackeln und Schütteln unseres großen Erdbebens
und an das Fegen und Stampfen des „Ajax" bei Sturm erinnerte.

Und jetzt kann es keine passendere Gelegenheit geben, dem Manne, der
den amerikanischen Sattel erfand, einen Segen mit der linken Hand zu er¬
theilen. Er hat keinen Sitz, der der Rede werth wäre. Man könnte ebenso
gut auf einer Schaufel sitzen, und die Steigbügel sind nichts als ein orna¬
mentaler Unfug. Wollte Ich hier alle die Schimpfreden niederschreiben, die
ich auf diese Steigbügel häufte, es würde ein dickes Buch geben, auch wenn
ich keine Bilder hinzufügte. Bisweilen kriegte ich einen Fuß soweit durch,
daß der Steigbügel etwas von der Natur einer Knöchelspange annahm, bis¬
weilen fuhren beide Füße durch und ich hatte Handschellen an den Beinen,
und bisweilen rutschten meine Füße ganz heraus, und die Bügel baumelten
wie toll gegen meine Schienbeine. Selbst wenn ich in gehöriger Haltung saß
und sorgfältig auf den Ballen meiner Fußsohlen balancirte, war es nicht
behaglich; denn eine nervöse Angst peinigte mich, daß sie im nächsten Augen¬
blicke abglitschen könnten. Aber die Sache ist zu verdrießlich, als daß ich
von ihr weiter schreiben möchte.

Anderthalb Meilen von der Stadt kam ich an einen Hain von hohen
Kokosnußbäumen mit leeren, astlosen Stämmen, die sechzig oder siebzig Fuß
gerade in die Höhe schössen und oben ein wenig grünes Laub hatten, in wel¬
chem sich Büschel von Kokosnüssen verbargen. Es war nicht malerischer als
ein Wald von kolossalen Sonnenschirmen, unter denen vergrößerte Trauben
hängen, sein würde. Ich hörte einmal einen empfindsamen Invaliden aus
dem Norden sagen, ein Kokosnußbaum könnte poetisch sein, und möglicher¬
weise war es so; aber es sah wie ein Staubwedel von Federn, der vom Blitz
getroffen ist, aus. Ich denke, das schildert es besser als ein Bild — und
doch hat der Kokosnußbaum ohne Zweifel etwas Bezauberndes und auch
seine Anmuth.

Etwa ein Dutzend Hütten, einige von Brettern, andere aus dem Grase
des Landes errichtet, duckten sich schläfrig hier und da im Schatten. Die
Grashütten haben eine graue Farbe, sind wie unsre Hütten gestaltet, nur
gewöhnlich mit höheren und steileren Dächern, und bestehen aus einer Art
Unkraut, welches fest in Faschinen zusammengebunden ist. Die Dächer sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/69>, abgerufen am 06.02.2025.