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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Reiches zu bethätigen und vor der Welt den Beweis zu führen, daß er alle Schä¬
digung fremder Interessen durch deutsche Eigenmächtigkeit und alle Provocation zu
neuen Zwistigkeiten sorgfältig vermeiden will. Damit wird jeder verständige Deut¬
sche völlig einverstanden sein und der Fürst kann dabei auf die wärmste Unter¬
stützung durch fast alle Factoren rechnen, welche die öffentliche Meinung darstellen.
Wenn er aber diese, an sich recht ungünstige Gelegenheit so schnell benutzte,
um einem militärischen Befehlshaber die gepanzerte Hand und ein quos eZo
entgegen zu halten, so vermögen wir dies wieder nur aus dem Umstand
zu erklären, daß er schon lange die politischenLebensäußerungen nn-
sererhöheren Offiziere mit be so n d e r er G er e izth e i t betrachtet hat."

Man traut seinen Augen kaum, wenn man liest, daß dem Kanzler, dem
alleinigen verfassungsmäßigen und berufsmäßigen Leiter der deutschen Politik
ein Vorwurf daraus gemacht wird, daß er die "politischen Lebensäußerungen
unserer höheren Offiziere mit besonderer Gereiztheit betrachte". Wenn das Factum
der besonderen Gereiztheit selbst mehr als Insinuation wäre- seit wann haben die
höheren Offiziere im Dienst das Recht zu politischen Lebensäußerungen auf
eigene Hand? Wie thöricht ist es, daß ein liberaler Mann diesen militärisch-
willkührlichen politischen Dilettantismus, der sich schlechthin außerhalb der
Verfassun g bewegen würde, in Schutz nimmt! Und vorher schon nennt der
Verfasserin recht unglücklicher Uebertreibung die Wegnahme des Mgilante "die
erste größere europäische Leistung unsrer Flotte in Friedenszeiten" und verlangt
Indemnität für sie, "wo es sich um spanische Schlösser handelt". Das ist
der sog. große oder politische Standpunkt, auf dem sich die Gegner des Reichs¬
kanzlers (und der Admiralität) in dieser Frage für unangreifbar hielten.
Und gerade diese Position, auch diese, ist völlig unhaltbar. Wenn der poli¬
tische Standpunkt maßgebend wäre, so hätte der Kanzler, schon lediglich als
Hüter der Reichsverfassung, die unabwendbare Pflicht gehabt, jede Freibeuterei
in den Schranken seines Amtes unmöglich zu machen und zwar gleich das
erste Mal, wo sie sich zeigte, auch wenn es sich um spanische Schlösser han¬
delte. Aber es handelte sich hier nicht um spanische Schlösser -- wenn der
politische Standpunkt einmal als der durchschlagende betrachtet wird -- son¬
dern um die sehr reale Frage, ob die deutsche Staatsmacht, eventuell deut¬
sches Gut und Blut zu Gunsten des einen spanischen Abenteurers vergeudet
werden solle gegen den andern. Es würde dem Verfasser des betr. Artikels
sehr sauer werden uns zu sagen, welcher von den beiden damaligen spanischen
Gegenregenten, ob -- wie hießen doch diese Eintagsherrscher? -- Herr Sal-
meron oder Herr Contreras der anständigere Europäer sei, derjenige, welcher
legitimere Ansprüche darauf hatte, das Blut seiner Landsleute zu vergießen,
um seiner Theilherrschaft Anerkennung zu verschaffen. Es handelte sich zwei¬
tens um die sofortige Klarstellung der Frage, ob das "fröhliche Selbstgefühl"
jedes deutschen Flottenkapitäns zur See an fremden Küsten Reichskanzlers


Reiches zu bethätigen und vor der Welt den Beweis zu führen, daß er alle Schä¬
digung fremder Interessen durch deutsche Eigenmächtigkeit und alle Provocation zu
neuen Zwistigkeiten sorgfältig vermeiden will. Damit wird jeder verständige Deut¬
sche völlig einverstanden sein und der Fürst kann dabei auf die wärmste Unter¬
stützung durch fast alle Factoren rechnen, welche die öffentliche Meinung darstellen.
Wenn er aber diese, an sich recht ungünstige Gelegenheit so schnell benutzte,
um einem militärischen Befehlshaber die gepanzerte Hand und ein quos eZo
entgegen zu halten, so vermögen wir dies wieder nur aus dem Umstand
zu erklären, daß er schon lange die politischenLebensäußerungen nn-
sererhöheren Offiziere mit be so n d e r er G er e izth e i t betrachtet hat."

Man traut seinen Augen kaum, wenn man liest, daß dem Kanzler, dem
alleinigen verfassungsmäßigen und berufsmäßigen Leiter der deutschen Politik
ein Vorwurf daraus gemacht wird, daß er die „politischen Lebensäußerungen
unserer höheren Offiziere mit besonderer Gereiztheit betrachte". Wenn das Factum
der besonderen Gereiztheit selbst mehr als Insinuation wäre- seit wann haben die
höheren Offiziere im Dienst das Recht zu politischen Lebensäußerungen auf
eigene Hand? Wie thöricht ist es, daß ein liberaler Mann diesen militärisch-
willkührlichen politischen Dilettantismus, der sich schlechthin außerhalb der
Verfassun g bewegen würde, in Schutz nimmt! Und vorher schon nennt der
Verfasserin recht unglücklicher Uebertreibung die Wegnahme des Mgilante „die
erste größere europäische Leistung unsrer Flotte in Friedenszeiten" und verlangt
Indemnität für sie, „wo es sich um spanische Schlösser handelt". Das ist
der sog. große oder politische Standpunkt, auf dem sich die Gegner des Reichs¬
kanzlers (und der Admiralität) in dieser Frage für unangreifbar hielten.
Und gerade diese Position, auch diese, ist völlig unhaltbar. Wenn der poli¬
tische Standpunkt maßgebend wäre, so hätte der Kanzler, schon lediglich als
Hüter der Reichsverfassung, die unabwendbare Pflicht gehabt, jede Freibeuterei
in den Schranken seines Amtes unmöglich zu machen und zwar gleich das
erste Mal, wo sie sich zeigte, auch wenn es sich um spanische Schlösser han¬
delte. Aber es handelte sich hier nicht um spanische Schlösser — wenn der
politische Standpunkt einmal als der durchschlagende betrachtet wird — son¬
dern um die sehr reale Frage, ob die deutsche Staatsmacht, eventuell deut¬
sches Gut und Blut zu Gunsten des einen spanischen Abenteurers vergeudet
werden solle gegen den andern. Es würde dem Verfasser des betr. Artikels
sehr sauer werden uns zu sagen, welcher von den beiden damaligen spanischen
Gegenregenten, ob — wie hießen doch diese Eintagsherrscher? — Herr Sal-
meron oder Herr Contreras der anständigere Europäer sei, derjenige, welcher
legitimere Ansprüche darauf hatte, das Blut seiner Landsleute zu vergießen,
um seiner Theilherrschaft Anerkennung zu verschaffen. Es handelte sich zwei¬
tens um die sofortige Klarstellung der Frage, ob das „fröhliche Selbstgefühl"
jedes deutschen Flottenkapitäns zur See an fremden Küsten Reichskanzlers


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/522>, abgerufen am 06.02.2025.