Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bestände des Hausschatzes zu verlangen" und in der Verordnung vom 28.
September 1867 ist von dem nach dem Ableben des Kurfürsten "zur Suc¬
cession in das kurhessische Familiensideicommiß berufenen Familien -
gleebe" die Rede.

Mit dieser Auffassung steht nun aber jene Erklärung der preußischen
Regierung vom 12. Februar 1868 im Widerspruch, so daß man also anneh¬
men könnte, letztere habe die Ansicht geändert. Ferner ist mit jener Auffassung
unvereinbar die Stelle in der königl. Verordnung vom 25. September 1867,
wonach der König "über den Bezug der Einkünfte dieses Fideicommisses
nach dem Ableben Sr. Kön. Hoheit die Beschlußnahme" sich "bis auf Wei¬
teres vorbehalten" will. Wie kann aber, wenn das Fideicommiß fortbe¬
steht, ein Dritter über den Bezug von dessen Einkünften etwas bestimmen
wollen? Begründete doch dieser Dritte (im Vertrage von 1866) sein Recht der
Aufsicht über die Vermögensverwaltung lediglich damit, daß das Vermögen
sich in seinem Lande befinde. Und wie kann der König in derselben Ver¬
ordnung sagen, daß die Revenuen des als successor in das Fideicommiß be¬
rufenen Familiengliedes bis auf die Höhe von 250,000 Thaler "aus dem
Hausschatze", der doch selbst nach §. 2 des Stettiner Vertrages einen Theil
des Vermögens bildet, "soweit die Erträge dazu anreichen, ergänzt" werden
sollen? Wie verhalten sich alle diese königlichen Aussprüche zu der späteren
amtlichen Erklärung der königlichen Staatsregierung gegenüber der Landes¬
vertretung?

Unter diesen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, daß Manchem
wenigstens Das ausgemacht zu sein schien, daß die preußische Regierung noch
immer nicht einen angemessenen Weg, wie dem Fideicommiß beizukommen sei,
gefunden habe, und daß in Folge dessen, wie wenigstens in einem hessischen
Blatte einst behauptet ist, von sehr dienstfertiger Seite "Rechtsgutachten",
die aber nicht in die Öffentlichkeit gedrungen sind, aufgestellt wurden. Es
hat sich nämlich 1) die Ansicht vernehmen lassen, das Fideicommiß sei 1866
durch Eroberung Kurhesseus Eigenthum des preußischen Staates ge¬
worden; 2) die Ansicht, es sei, weil nur der "jedesmalige" Landesherr zur
Nutznießung berufen ist, als Krongut der Krone Preußen zugefallen. Auf
die Bekämpfung dieser Ansichten beschränkt sich im Wesentlichen das, was in
der Presse Hessens über diese ganze Sache bisher mit vieler Sachkenntniß er¬
örtert worden ist. Es ist allerdings Grundsatz des neueren Völkerrechtes, daß
durch Eroberung niemals das Privatvermögen, sondern nur die Staaten und
ihr Vermögen erworben werden können. Ob aber jenes Fideicommiß wirklich
Privat- oder unbeschränktes Staatsvermvgen sei, oder ob nicht besondere An¬
sprüche auf dasselbe bestehen, das ist gerade die Frage. Die Entscheidung
darüber, ob dem Vermögen ein gewisses öffentliches Moment anklebt und


Bestände des Hausschatzes zu verlangen" und in der Verordnung vom 28.
September 1867 ist von dem nach dem Ableben des Kurfürsten „zur Suc¬
cession in das kurhessische Familiensideicommiß berufenen Familien -
gleebe" die Rede.

Mit dieser Auffassung steht nun aber jene Erklärung der preußischen
Regierung vom 12. Februar 1868 im Widerspruch, so daß man also anneh¬
men könnte, letztere habe die Ansicht geändert. Ferner ist mit jener Auffassung
unvereinbar die Stelle in der königl. Verordnung vom 25. September 1867,
wonach der König „über den Bezug der Einkünfte dieses Fideicommisses
nach dem Ableben Sr. Kön. Hoheit die Beschlußnahme" sich „bis auf Wei¬
teres vorbehalten" will. Wie kann aber, wenn das Fideicommiß fortbe¬
steht, ein Dritter über den Bezug von dessen Einkünften etwas bestimmen
wollen? Begründete doch dieser Dritte (im Vertrage von 1866) sein Recht der
Aufsicht über die Vermögensverwaltung lediglich damit, daß das Vermögen
sich in seinem Lande befinde. Und wie kann der König in derselben Ver¬
ordnung sagen, daß die Revenuen des als successor in das Fideicommiß be¬
rufenen Familiengliedes bis auf die Höhe von 250,000 Thaler „aus dem
Hausschatze", der doch selbst nach §. 2 des Stettiner Vertrages einen Theil
des Vermögens bildet, „soweit die Erträge dazu anreichen, ergänzt" werden
sollen? Wie verhalten sich alle diese königlichen Aussprüche zu der späteren
amtlichen Erklärung der königlichen Staatsregierung gegenüber der Landes¬
vertretung?

Unter diesen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, daß Manchem
wenigstens Das ausgemacht zu sein schien, daß die preußische Regierung noch
immer nicht einen angemessenen Weg, wie dem Fideicommiß beizukommen sei,
gefunden habe, und daß in Folge dessen, wie wenigstens in einem hessischen
Blatte einst behauptet ist, von sehr dienstfertiger Seite „Rechtsgutachten",
die aber nicht in die Öffentlichkeit gedrungen sind, aufgestellt wurden. Es
hat sich nämlich 1) die Ansicht vernehmen lassen, das Fideicommiß sei 1866
durch Eroberung Kurhesseus Eigenthum des preußischen Staates ge¬
worden; 2) die Ansicht, es sei, weil nur der „jedesmalige" Landesherr zur
Nutznießung berufen ist, als Krongut der Krone Preußen zugefallen. Auf
die Bekämpfung dieser Ansichten beschränkt sich im Wesentlichen das, was in
der Presse Hessens über diese ganze Sache bisher mit vieler Sachkenntniß er¬
örtert worden ist. Es ist allerdings Grundsatz des neueren Völkerrechtes, daß
durch Eroberung niemals das Privatvermögen, sondern nur die Staaten und
ihr Vermögen erworben werden können. Ob aber jenes Fideicommiß wirklich
Privat- oder unbeschränktes Staatsvermvgen sei, oder ob nicht besondere An¬
sprüche auf dasselbe bestehen, das ist gerade die Frage. Die Entscheidung
darüber, ob dem Vermögen ein gewisses öffentliches Moment anklebt und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193298"/>
          <p xml:id="ID_1637" prev="#ID_1636"> Bestände des Hausschatzes zu verlangen" und in der Verordnung vom 28.<lb/>
September 1867 ist von dem nach dem Ableben des Kurfürsten &#x201E;zur Suc¬<lb/>
cession in das kurhessische Familiensideicommiß berufenen Familien -<lb/>
gleebe" die Rede.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1638"> Mit dieser Auffassung steht nun aber jene Erklärung der preußischen<lb/>
Regierung vom 12. Februar 1868 im Widerspruch, so daß man also anneh¬<lb/>
men könnte, letztere habe die Ansicht geändert. Ferner ist mit jener Auffassung<lb/>
unvereinbar die Stelle in der königl. Verordnung vom 25. September 1867,<lb/>
wonach der König &#x201E;über den Bezug der Einkünfte dieses Fideicommisses<lb/>
nach dem Ableben Sr. Kön. Hoheit die Beschlußnahme" sich &#x201E;bis auf Wei¬<lb/>
teres vorbehalten" will. Wie kann aber, wenn das Fideicommiß fortbe¬<lb/>
steht, ein Dritter über den Bezug von dessen Einkünften etwas bestimmen<lb/>
wollen? Begründete doch dieser Dritte (im Vertrage von 1866) sein Recht der<lb/>
Aufsicht über die Vermögensverwaltung lediglich damit, daß das Vermögen<lb/>
sich in seinem Lande befinde. Und wie kann der König in derselben Ver¬<lb/>
ordnung sagen, daß die Revenuen des als successor in das Fideicommiß be¬<lb/>
rufenen Familiengliedes bis auf die Höhe von 250,000 Thaler &#x201E;aus dem<lb/>
Hausschatze", der doch selbst nach §. 2 des Stettiner Vertrages einen Theil<lb/>
des Vermögens bildet, &#x201E;soweit die Erträge dazu anreichen, ergänzt" werden<lb/>
sollen? Wie verhalten sich alle diese königlichen Aussprüche zu der späteren<lb/>
amtlichen Erklärung der königlichen Staatsregierung gegenüber der Landes¬<lb/>
vertretung?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1639" next="#ID_1640"> Unter diesen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, daß Manchem<lb/>
wenigstens Das ausgemacht zu sein schien, daß die preußische Regierung noch<lb/>
immer nicht einen angemessenen Weg, wie dem Fideicommiß beizukommen sei,<lb/>
gefunden habe, und daß in Folge dessen, wie wenigstens in einem hessischen<lb/>
Blatte einst behauptet ist, von sehr dienstfertiger Seite &#x201E;Rechtsgutachten",<lb/>
die aber nicht in die Öffentlichkeit gedrungen sind, aufgestellt wurden. Es<lb/>
hat sich nämlich 1) die Ansicht vernehmen lassen, das Fideicommiß sei 1866<lb/>
durch Eroberung Kurhesseus Eigenthum des preußischen Staates ge¬<lb/>
worden; 2) die Ansicht, es sei, weil nur der &#x201E;jedesmalige" Landesherr zur<lb/>
Nutznießung berufen ist, als Krongut der Krone Preußen zugefallen. Auf<lb/>
die Bekämpfung dieser Ansichten beschränkt sich im Wesentlichen das, was in<lb/>
der Presse Hessens über diese ganze Sache bisher mit vieler Sachkenntniß er¬<lb/>
örtert worden ist. Es ist allerdings Grundsatz des neueren Völkerrechtes, daß<lb/>
durch Eroberung niemals das Privatvermögen, sondern nur die Staaten und<lb/>
ihr Vermögen erworben werden können. Ob aber jenes Fideicommiß wirklich<lb/>
Privat- oder unbeschränktes Staatsvermvgen sei, oder ob nicht besondere An¬<lb/>
sprüche auf dasselbe bestehen, das ist gerade die Frage. Die Entscheidung<lb/>
darüber, ob dem Vermögen ein gewisses öffentliches Moment anklebt und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0495] Bestände des Hausschatzes zu verlangen" und in der Verordnung vom 28. September 1867 ist von dem nach dem Ableben des Kurfürsten „zur Suc¬ cession in das kurhessische Familiensideicommiß berufenen Familien - gleebe" die Rede. Mit dieser Auffassung steht nun aber jene Erklärung der preußischen Regierung vom 12. Februar 1868 im Widerspruch, so daß man also anneh¬ men könnte, letztere habe die Ansicht geändert. Ferner ist mit jener Auffassung unvereinbar die Stelle in der königl. Verordnung vom 25. September 1867, wonach der König „über den Bezug der Einkünfte dieses Fideicommisses nach dem Ableben Sr. Kön. Hoheit die Beschlußnahme" sich „bis auf Wei¬ teres vorbehalten" will. Wie kann aber, wenn das Fideicommiß fortbe¬ steht, ein Dritter über den Bezug von dessen Einkünften etwas bestimmen wollen? Begründete doch dieser Dritte (im Vertrage von 1866) sein Recht der Aufsicht über die Vermögensverwaltung lediglich damit, daß das Vermögen sich in seinem Lande befinde. Und wie kann der König in derselben Ver¬ ordnung sagen, daß die Revenuen des als successor in das Fideicommiß be¬ rufenen Familiengliedes bis auf die Höhe von 250,000 Thaler „aus dem Hausschatze", der doch selbst nach §. 2 des Stettiner Vertrages einen Theil des Vermögens bildet, „soweit die Erträge dazu anreichen, ergänzt" werden sollen? Wie verhalten sich alle diese königlichen Aussprüche zu der späteren amtlichen Erklärung der königlichen Staatsregierung gegenüber der Landes¬ vertretung? Unter diesen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, daß Manchem wenigstens Das ausgemacht zu sein schien, daß die preußische Regierung noch immer nicht einen angemessenen Weg, wie dem Fideicommiß beizukommen sei, gefunden habe, und daß in Folge dessen, wie wenigstens in einem hessischen Blatte einst behauptet ist, von sehr dienstfertiger Seite „Rechtsgutachten", die aber nicht in die Öffentlichkeit gedrungen sind, aufgestellt wurden. Es hat sich nämlich 1) die Ansicht vernehmen lassen, das Fideicommiß sei 1866 durch Eroberung Kurhesseus Eigenthum des preußischen Staates ge¬ worden; 2) die Ansicht, es sei, weil nur der „jedesmalige" Landesherr zur Nutznießung berufen ist, als Krongut der Krone Preußen zugefallen. Auf die Bekämpfung dieser Ansichten beschränkt sich im Wesentlichen das, was in der Presse Hessens über diese ganze Sache bisher mit vieler Sachkenntniß er¬ örtert worden ist. Es ist allerdings Grundsatz des neueren Völkerrechtes, daß durch Eroberung niemals das Privatvermögen, sondern nur die Staaten und ihr Vermögen erworben werden können. Ob aber jenes Fideicommiß wirklich Privat- oder unbeschränktes Staatsvermvgen sei, oder ob nicht besondere An¬ sprüche auf dasselbe bestehen, das ist gerade die Frage. Die Entscheidung darüber, ob dem Vermögen ein gewisses öffentliches Moment anklebt und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/495
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/495>, abgerufen am 06.02.2025.