Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.Fractionen (z. B. beim Abrüstungsantrag) in bedauerlichster Weise kundgab -- Das waren freilich nur Anfänge, Anläufe, Aussichten, aber es war im¬ Man hatte seinerzeit den Landtag von 1849/60, den letzten freisinnigen Sie blieben denn auch nicht fruchtlos. Auf den "Antrags"-Landtag von Es ist neuerdings von officiösen Federn versucht worden, das Verdienst Fractionen (z. B. beim Abrüstungsantrag) in bedauerlichster Weise kundgab — Das waren freilich nur Anfänge, Anläufe, Aussichten, aber es war im¬ Man hatte seinerzeit den Landtag von 1849/60, den letzten freisinnigen Sie blieben denn auch nicht fruchtlos. Auf den „Antrags"-Landtag von Es ist neuerdings von officiösen Federn versucht worden, das Verdienst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193240"/> <p xml:id="ID_1470" prev="#ID_1469"> Fractionen (z. B. beim Abrüstungsantrag) in bedauerlichster Weise kundgab —<lb/> trotzdem gelang es der liberalen Partei auf jenem Landtage, für die meisten<lb/> Punkte ihres Programmes, die sie in Form von Anträgen einbrachte, in der<lb/> Zweiten Kammer eine Mehrheit, theilweise eine überwiegende Mehrheit, für viele<lb/> derselben auch Zusagen praktischer Verwirklichung von Seiten der Negierung<lb/> zu erlangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1471"> Das waren freilich nur Anfänge, Anläufe, Aussichten, aber es war im¬<lb/> merhin etwas, was man im parlamentarischen Leben Sachsens seit nahezu<lb/> 20 Jahren nicht mehr gekannt^ hatte. Denn im Schooße der wiederhergestell¬<lb/> ten alten Stände (seit 18S0) gab es kaum die Spur einer fortschrittlichen<lb/> Partei; die große Mehrheit bestand aus solchen, die andächtig warteten, was<lb/> die Negierung Neues darzubieten geruhen werde, denen dies vollauf genug, ja<lb/> bisweilen schon zu viel war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1472"> Man hatte seinerzeit den Landtag von 1849/60, den letzten freisinnigen<lb/> bis zu dem von 1869/70 den „Widerstandslandtag" genannt, weil er Alles<lb/> aufbot, wenn schon vergeblich, um der hereinbrechenden brutalen Reaction Wi¬<lb/> derstand zu leisten. Den von 1869/70 nannte man den „Antragslandtag"<lb/> und in der That war er fruchtbar an Anträgen, aber es waren keine Anträge<lb/> ins Blaue hinein, Ausflüsse einer abstrakten, ideologischen Principienreiterei,<lb/> sondern sehr praktische, auf ganz concrete Verhältnisse und ganz bestimmte<lb/> Bedürfnisse berechnete Anträge.</p><lb/> <p xml:id="ID_1473"> Sie blieben denn auch nicht fruchtlos. Auf den „Antrags"-Landtag von<lb/> 1869/70 folgte der „Reform"-Landtag von 1871/72, denn so kann man ihn<lb/> billig nennen, da er eine ganze Reihe großer tieseingreifendcr, wichtiger Re¬<lb/> formgesetzentwürfe brachte, die von der Negierung den Kammern unterbreitet<lb/> wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1474" next="#ID_1475"> Es ist neuerdings von officiösen Federn versucht worden, das Verdienst<lb/> dieser Reformgesetzgebung einseitig der Regierung, dem Ministerium zuzu¬<lb/> wenden, ja aus jenen Entwürfen zu deduciren, wie durchaus freisinnig und<lb/> auf der Höhe der Zeit stehend das Ministerium verfahren, und wie unrecht es<lb/> daher sei, dasselbe einer illiberalen oder schwankenden Politik zu beschuldigen.<lb/> Die Wahrheit ist, daß aus der freien Initiative des Minister! ums<lb/> keine einzige der Reformen hervorgegangen ist, diebeim vori¬<lb/> gen Landtage zu Stande kamen. Im Gegentheil kostete es der liberalen<lb/> Partei und ihren Wortführern im Landtag von 1869/70 zum Theil nicht geringe<lb/> Anstrengung, die Abneigung des Ministeriums gegen ein Borgehen mit Refor¬<lb/> men im größeren Stil zu überwinden. Der damalige Kultusminister, Herr v.<lb/> Falkenstein, wollte die Blößen des Volksschulwesens, die laut nach einer Abhülfe<lb/> schrieen, mit dem Feigenblatt einer „Novelle" zudecken, die auch das Allernoth,<lb/> dürftigste nicht enthielt. Selbst Herr v. Nostiz-Wallwitz, der neue Minister</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0437]
Fractionen (z. B. beim Abrüstungsantrag) in bedauerlichster Weise kundgab —
trotzdem gelang es der liberalen Partei auf jenem Landtage, für die meisten
Punkte ihres Programmes, die sie in Form von Anträgen einbrachte, in der
Zweiten Kammer eine Mehrheit, theilweise eine überwiegende Mehrheit, für viele
derselben auch Zusagen praktischer Verwirklichung von Seiten der Negierung
zu erlangen.
Das waren freilich nur Anfänge, Anläufe, Aussichten, aber es war im¬
merhin etwas, was man im parlamentarischen Leben Sachsens seit nahezu
20 Jahren nicht mehr gekannt^ hatte. Denn im Schooße der wiederhergestell¬
ten alten Stände (seit 18S0) gab es kaum die Spur einer fortschrittlichen
Partei; die große Mehrheit bestand aus solchen, die andächtig warteten, was
die Negierung Neues darzubieten geruhen werde, denen dies vollauf genug, ja
bisweilen schon zu viel war.
Man hatte seinerzeit den Landtag von 1849/60, den letzten freisinnigen
bis zu dem von 1869/70 den „Widerstandslandtag" genannt, weil er Alles
aufbot, wenn schon vergeblich, um der hereinbrechenden brutalen Reaction Wi¬
derstand zu leisten. Den von 1869/70 nannte man den „Antragslandtag"
und in der That war er fruchtbar an Anträgen, aber es waren keine Anträge
ins Blaue hinein, Ausflüsse einer abstrakten, ideologischen Principienreiterei,
sondern sehr praktische, auf ganz concrete Verhältnisse und ganz bestimmte
Bedürfnisse berechnete Anträge.
Sie blieben denn auch nicht fruchtlos. Auf den „Antrags"-Landtag von
1869/70 folgte der „Reform"-Landtag von 1871/72, denn so kann man ihn
billig nennen, da er eine ganze Reihe großer tieseingreifendcr, wichtiger Re¬
formgesetzentwürfe brachte, die von der Negierung den Kammern unterbreitet
wurden.
Es ist neuerdings von officiösen Federn versucht worden, das Verdienst
dieser Reformgesetzgebung einseitig der Regierung, dem Ministerium zuzu¬
wenden, ja aus jenen Entwürfen zu deduciren, wie durchaus freisinnig und
auf der Höhe der Zeit stehend das Ministerium verfahren, und wie unrecht es
daher sei, dasselbe einer illiberalen oder schwankenden Politik zu beschuldigen.
Die Wahrheit ist, daß aus der freien Initiative des Minister! ums
keine einzige der Reformen hervorgegangen ist, diebeim vori¬
gen Landtage zu Stande kamen. Im Gegentheil kostete es der liberalen
Partei und ihren Wortführern im Landtag von 1869/70 zum Theil nicht geringe
Anstrengung, die Abneigung des Ministeriums gegen ein Borgehen mit Refor¬
men im größeren Stil zu überwinden. Der damalige Kultusminister, Herr v.
Falkenstein, wollte die Blößen des Volksschulwesens, die laut nach einer Abhülfe
schrieen, mit dem Feigenblatt einer „Novelle" zudecken, die auch das Allernoth,
dürftigste nicht enthielt. Selbst Herr v. Nostiz-Wallwitz, der neue Minister
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