Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

werden konnte. Der Volksunterricht, der unter der strammen Regierung Wil¬
helm I. sich bei uns zu heben begonnen, ward während der "belgischen Zeit"
wieder gänzlich, ja absichtlich vernachlässigt. Der erste beste Quidam, der
nichts anderes thun wollte, oder konnte, setzte sich zum Schulmeister auf. Die
bedenklichsten Persönlichkeiten, männliche und weibliche, erhoben sich durch ei¬
gene Machtvollkommenheit zu Lehrern und Bildnern unserer Kinder.

Erst als unser Land wieder unter die Botmäßigkeit Hollands zurückkam,
brach wieder eine bessere Zeit für dasselbe an. In der Hauptstadt, die wie
gesagt, den Herrn während der Revolution nicht gewechselt hatte, war der
Schaden, wie ihn die belgische Jesuitenwirthschaft auf dem flachen Lande über¬
all bei uns verursacht hatte, lange nicht so groß gewesen. Vor Allem wurde
während der unheilvollen Zeit hier der Volksunterricht besser gehegt und ge¬
pflegt. Auch war der Klerus hier ein bei Weitem vernünftigerer und frei¬
sinnigerer als der des flachen Landes. Der Klerus der Stadt zählte die besten
Köpfe, die gelehrtesten Männer des Großherzogthums in seinen Reihen. Wir
brauchen nur Hrn. Mayesz, Hrn. Manternach, Hrn. de Neunhäuser ze. zu
erwähnen. Auch zählte damals unser Athenäum, die oberste Lehranstalt des
Landes, fast ausschließlich liberale und vernünftig denkende Professoren.
Wir nennen unter andern Herrn Stammer, der bei uns so viel und so
unermüdlich für deutsches Wesen, deutschen Geist, vorzüglich für ein bes¬
seres Volkschulwesen, gearbeitet und gewirkt hat. Herr Stammer und
Herr Mayesz sind die Hauptgründer unseres heutigen Schulgesetzes und
Primärschulwesens. Dank den Anstrengungen, dem unermüdlichen Wirken
und Streben und der männlichen Ausdauer dieser wirklich hervorragenden
Männer und Menschenfreunde, fing das Land an, sich von den bösen Folgen
der belgischen Revolution wieder zu erholen, und sich herauszuarbeiten aus
der geistigen Versumpfung und Verdumpfung, worein es die Dunkelmänner
gedrängt hatten. Ueberall erhoben sich bessere Volksschulen, indem ein
Schullehrerseminar, oder die Normalschule, wie sie hier genannt wurde, welche
seit Kurzem in der Hauptstadt ins Leben gerufen worden war, für bessere
Lehrer, und bessere Lehrmethoden Sorge trug. Herr Stammer gab seine
Wandtafeln und seine Lesesibeln heraus. Die langweilige und langwierige
Buchstabiermethode mußte der Cantirmethode Platz machen. Bessere und
zweckmäßigere Lesebücher wurden überall eingeführt, kurz, ein ganz anderer
besserer, lichtvollerer Geist schien überall im Lande die Oberhand gewinnen,
und den Geist der Finsterniß rings verscheuchen zu wollen. Doch das war
gar nicht das, was die Jesuiten und ihre Helfershelfer bei uns wollten. Was
sie wollten war nicht die Herrschaft der Wahrheit und des Lichtes, nicht die
geistige Auferweckung und Freiheit des Volkes, sondern ihre Alleinherrschaf
über die Geister. Deshalb mußte um jeden Preis das Licht, welches licht-


werden konnte. Der Volksunterricht, der unter der strammen Regierung Wil¬
helm I. sich bei uns zu heben begonnen, ward während der „belgischen Zeit"
wieder gänzlich, ja absichtlich vernachlässigt. Der erste beste Quidam, der
nichts anderes thun wollte, oder konnte, setzte sich zum Schulmeister auf. Die
bedenklichsten Persönlichkeiten, männliche und weibliche, erhoben sich durch ei¬
gene Machtvollkommenheit zu Lehrern und Bildnern unserer Kinder.

Erst als unser Land wieder unter die Botmäßigkeit Hollands zurückkam,
brach wieder eine bessere Zeit für dasselbe an. In der Hauptstadt, die wie
gesagt, den Herrn während der Revolution nicht gewechselt hatte, war der
Schaden, wie ihn die belgische Jesuitenwirthschaft auf dem flachen Lande über¬
all bei uns verursacht hatte, lange nicht so groß gewesen. Vor Allem wurde
während der unheilvollen Zeit hier der Volksunterricht besser gehegt und ge¬
pflegt. Auch war der Klerus hier ein bei Weitem vernünftigerer und frei¬
sinnigerer als der des flachen Landes. Der Klerus der Stadt zählte die besten
Köpfe, die gelehrtesten Männer des Großherzogthums in seinen Reihen. Wir
brauchen nur Hrn. Mayesz, Hrn. Manternach, Hrn. de Neunhäuser ze. zu
erwähnen. Auch zählte damals unser Athenäum, die oberste Lehranstalt des
Landes, fast ausschließlich liberale und vernünftig denkende Professoren.
Wir nennen unter andern Herrn Stammer, der bei uns so viel und so
unermüdlich für deutsches Wesen, deutschen Geist, vorzüglich für ein bes¬
seres Volkschulwesen, gearbeitet und gewirkt hat. Herr Stammer und
Herr Mayesz sind die Hauptgründer unseres heutigen Schulgesetzes und
Primärschulwesens. Dank den Anstrengungen, dem unermüdlichen Wirken
und Streben und der männlichen Ausdauer dieser wirklich hervorragenden
Männer und Menschenfreunde, fing das Land an, sich von den bösen Folgen
der belgischen Revolution wieder zu erholen, und sich herauszuarbeiten aus
der geistigen Versumpfung und Verdumpfung, worein es die Dunkelmänner
gedrängt hatten. Ueberall erhoben sich bessere Volksschulen, indem ein
Schullehrerseminar, oder die Normalschule, wie sie hier genannt wurde, welche
seit Kurzem in der Hauptstadt ins Leben gerufen worden war, für bessere
Lehrer, und bessere Lehrmethoden Sorge trug. Herr Stammer gab seine
Wandtafeln und seine Lesesibeln heraus. Die langweilige und langwierige
Buchstabiermethode mußte der Cantirmethode Platz machen. Bessere und
zweckmäßigere Lesebücher wurden überall eingeführt, kurz, ein ganz anderer
besserer, lichtvollerer Geist schien überall im Lande die Oberhand gewinnen,
und den Geist der Finsterniß rings verscheuchen zu wollen. Doch das war
gar nicht das, was die Jesuiten und ihre Helfershelfer bei uns wollten. Was
sie wollten war nicht die Herrschaft der Wahrheit und des Lichtes, nicht die
geistige Auferweckung und Freiheit des Volkes, sondern ihre Alleinherrschaf
über die Geister. Deshalb mußte um jeden Preis das Licht, welches licht-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193227"/>
          <p xml:id="ID_1435" prev="#ID_1434"> werden konnte. Der Volksunterricht, der unter der strammen Regierung Wil¬<lb/>
helm I. sich bei uns zu heben begonnen, ward während der &#x201E;belgischen Zeit"<lb/>
wieder gänzlich, ja absichtlich vernachlässigt. Der erste beste Quidam, der<lb/>
nichts anderes thun wollte, oder konnte, setzte sich zum Schulmeister auf. Die<lb/>
bedenklichsten Persönlichkeiten, männliche und weibliche, erhoben sich durch ei¬<lb/>
gene Machtvollkommenheit zu Lehrern und Bildnern unserer Kinder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1436" next="#ID_1437"> Erst als unser Land wieder unter die Botmäßigkeit Hollands zurückkam,<lb/>
brach wieder eine bessere Zeit für dasselbe an. In der Hauptstadt, die wie<lb/>
gesagt, den Herrn während der Revolution nicht gewechselt hatte, war der<lb/>
Schaden, wie ihn die belgische Jesuitenwirthschaft auf dem flachen Lande über¬<lb/>
all bei uns verursacht hatte, lange nicht so groß gewesen. Vor Allem wurde<lb/>
während der unheilvollen Zeit hier der Volksunterricht besser gehegt und ge¬<lb/>
pflegt. Auch war der Klerus hier ein bei Weitem vernünftigerer und frei¬<lb/>
sinnigerer als der des flachen Landes. Der Klerus der Stadt zählte die besten<lb/>
Köpfe, die gelehrtesten Männer des Großherzogthums in seinen Reihen. Wir<lb/>
brauchen nur Hrn. Mayesz, Hrn. Manternach, Hrn. de Neunhäuser ze. zu<lb/>
erwähnen. Auch zählte damals unser Athenäum, die oberste Lehranstalt des<lb/>
Landes, fast ausschließlich liberale und vernünftig denkende Professoren.<lb/>
Wir nennen unter andern Herrn Stammer, der bei uns so viel und so<lb/>
unermüdlich für deutsches Wesen, deutschen Geist, vorzüglich für ein bes¬<lb/>
seres Volkschulwesen, gearbeitet und gewirkt hat. Herr Stammer und<lb/>
Herr Mayesz sind die Hauptgründer unseres heutigen Schulgesetzes und<lb/>
Primärschulwesens. Dank den Anstrengungen, dem unermüdlichen Wirken<lb/>
und Streben und der männlichen Ausdauer dieser wirklich hervorragenden<lb/>
Männer und Menschenfreunde, fing das Land an, sich von den bösen Folgen<lb/>
der belgischen Revolution wieder zu erholen, und sich herauszuarbeiten aus<lb/>
der geistigen Versumpfung und Verdumpfung, worein es die Dunkelmänner<lb/>
gedrängt hatten. Ueberall erhoben sich bessere Volksschulen, indem ein<lb/>
Schullehrerseminar, oder die Normalschule, wie sie hier genannt wurde, welche<lb/>
seit Kurzem in der Hauptstadt ins Leben gerufen worden war, für bessere<lb/>
Lehrer, und bessere Lehrmethoden Sorge trug. Herr Stammer gab seine<lb/>
Wandtafeln und seine Lesesibeln heraus. Die langweilige und langwierige<lb/>
Buchstabiermethode mußte der Cantirmethode Platz machen. Bessere und<lb/>
zweckmäßigere Lesebücher wurden überall eingeführt, kurz, ein ganz anderer<lb/>
besserer, lichtvollerer Geist schien überall im Lande die Oberhand gewinnen,<lb/>
und den Geist der Finsterniß rings verscheuchen zu wollen. Doch das war<lb/>
gar nicht das, was die Jesuiten und ihre Helfershelfer bei uns wollten. Was<lb/>
sie wollten war nicht die Herrschaft der Wahrheit und des Lichtes, nicht die<lb/>
geistige Auferweckung und Freiheit des Volkes, sondern ihre Alleinherrschaf<lb/>
über die Geister. Deshalb mußte um jeden Preis das Licht, welches licht-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0424] werden konnte. Der Volksunterricht, der unter der strammen Regierung Wil¬ helm I. sich bei uns zu heben begonnen, ward während der „belgischen Zeit" wieder gänzlich, ja absichtlich vernachlässigt. Der erste beste Quidam, der nichts anderes thun wollte, oder konnte, setzte sich zum Schulmeister auf. Die bedenklichsten Persönlichkeiten, männliche und weibliche, erhoben sich durch ei¬ gene Machtvollkommenheit zu Lehrern und Bildnern unserer Kinder. Erst als unser Land wieder unter die Botmäßigkeit Hollands zurückkam, brach wieder eine bessere Zeit für dasselbe an. In der Hauptstadt, die wie gesagt, den Herrn während der Revolution nicht gewechselt hatte, war der Schaden, wie ihn die belgische Jesuitenwirthschaft auf dem flachen Lande über¬ all bei uns verursacht hatte, lange nicht so groß gewesen. Vor Allem wurde während der unheilvollen Zeit hier der Volksunterricht besser gehegt und ge¬ pflegt. Auch war der Klerus hier ein bei Weitem vernünftigerer und frei¬ sinnigerer als der des flachen Landes. Der Klerus der Stadt zählte die besten Köpfe, die gelehrtesten Männer des Großherzogthums in seinen Reihen. Wir brauchen nur Hrn. Mayesz, Hrn. Manternach, Hrn. de Neunhäuser ze. zu erwähnen. Auch zählte damals unser Athenäum, die oberste Lehranstalt des Landes, fast ausschließlich liberale und vernünftig denkende Professoren. Wir nennen unter andern Herrn Stammer, der bei uns so viel und so unermüdlich für deutsches Wesen, deutschen Geist, vorzüglich für ein bes¬ seres Volkschulwesen, gearbeitet und gewirkt hat. Herr Stammer und Herr Mayesz sind die Hauptgründer unseres heutigen Schulgesetzes und Primärschulwesens. Dank den Anstrengungen, dem unermüdlichen Wirken und Streben und der männlichen Ausdauer dieser wirklich hervorragenden Männer und Menschenfreunde, fing das Land an, sich von den bösen Folgen der belgischen Revolution wieder zu erholen, und sich herauszuarbeiten aus der geistigen Versumpfung und Verdumpfung, worein es die Dunkelmänner gedrängt hatten. Ueberall erhoben sich bessere Volksschulen, indem ein Schullehrerseminar, oder die Normalschule, wie sie hier genannt wurde, welche seit Kurzem in der Hauptstadt ins Leben gerufen worden war, für bessere Lehrer, und bessere Lehrmethoden Sorge trug. Herr Stammer gab seine Wandtafeln und seine Lesesibeln heraus. Die langweilige und langwierige Buchstabiermethode mußte der Cantirmethode Platz machen. Bessere und zweckmäßigere Lesebücher wurden überall eingeführt, kurz, ein ganz anderer besserer, lichtvollerer Geist schien überall im Lande die Oberhand gewinnen, und den Geist der Finsterniß rings verscheuchen zu wollen. Doch das war gar nicht das, was die Jesuiten und ihre Helfershelfer bei uns wollten. Was sie wollten war nicht die Herrschaft der Wahrheit und des Lichtes, nicht die geistige Auferweckung und Freiheit des Volkes, sondern ihre Alleinherrschaf über die Geister. Deshalb mußte um jeden Preis das Licht, welches licht-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/424
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/424>, abgerufen am 06.02.2025.