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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Dom deutschen Aeichstag.

Die Sitzung vom 23. Juni brachte den Abschluß des Münzgesetzes. Mau
erinnert sich, daß dieses Gesetz, als die dritte Lesung bereits bis K 18 vorge-
schritten war, in der Berathung abgebrochen wurde, weil der Vertreter der
Neichsregierung eine Borlage zur Regelung des Papiergeldes zusagte. In
der zweiten Lesung hatte der Reichstag auf Antrag einer freien Commis.
fion, welche sich zur Vorberathung des Münzgesetzes gebildet, einen neuen
Paragraphen unter No. 18 dem Regierungsentwurf zugefügt, in welchem be¬
stimmt war, daß spätestens bis zum 1. Januar 1875 alles Papiergeld,
Staatskassen- wie Bankscheine eingezogen werden sollte und nur ersetzt werden
dürfe durch Noten, welche auf Reichswährung im Betrag von mindestens
100 Mark lauten. Diese Bestimmung war es, welche nach Erklärung der
Minister Delbrück und Camphausen das Münzgesetz in der Fassung des
Reichstages für die Reichsregierung unannehmbar machte. Dies war Anfang
Mai, und der Reichstag setzte die Beendigung der dritten Lesung des Münz-'
gesetzes aus. Alsbald erschien ein Gesetzentwurf zur Regelung des Papier¬
geldes, welchen die preußische Regierung im Bundesrath einbrachte. Danach
sollte Reichspapiergeld ausgegeben werden in Scheinen von 6, 25 und 60
Mark, im Gesammtbetrag von 120 Millionen Mark. d. i. im Gesammtbe-
trage des Reichskricgsschatzes und 3 Mark auf den Kopf der Bevölkerung
des deutschen Reiches. Verwerflich war die Kleinheit der Scheine, aber die
folgenden Bestimmungen waren sehr angemessen. Es sollte jedem Bundes¬
staat der Antheil an Reichspapiergeld verabfolgt werden, auf welchen der be¬
treffende Bundesstaat nach seiner Bevölkerung Anspruch hat. Dafür sollten
die Bundesstaaten den entsprechenden Betrag an partikularen Papiergeld ein¬
ziehen. Von dem Ueberschuß an solchem Papiergeld sollten sie bis zum 1. Juli
1875 die Hälfte aus eignen Kräften einlösen, zur Einlösung der anderen
Hälfte sollten ihnen Neichskassenscheine mittelst einer einstweiligen Vermehrung
des Reichspapiergeldes auf zehn Jahre vorgestreckt werden. Im Jahre 1885
sollte demnach jeder Bundesstaat die Einlösung seines Papiergeldes beendigt
haben, so weit dasselbe den zukommenden Antheil am Reichspapiergeld über¬
steigt. Dieser billige Vorschlag scheiterte im Bundesrath an dem Widerstand
Baierns. So mußte also der Reichstag zur Beendigung des Münzgesetzes,
d. h. zur dritten Lesung des § 1" schreiten ohne positiven Vorschlag der Reichs¬
regierung. Der Reichstag hat durch das Verdienst Bambergers einen sehr zweck¬
mäßigen Beschluß gefunden. Die Fassung des § 18 aus der zweiten Lesung
war der Erklärung der Neichsregierung gegenüber nicht aufrecht zu halten.


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Dom deutschen Aeichstag.

Die Sitzung vom 23. Juni brachte den Abschluß des Münzgesetzes. Mau
erinnert sich, daß dieses Gesetz, als die dritte Lesung bereits bis K 18 vorge-
schritten war, in der Berathung abgebrochen wurde, weil der Vertreter der
Neichsregierung eine Borlage zur Regelung des Papiergeldes zusagte. In
der zweiten Lesung hatte der Reichstag auf Antrag einer freien Commis.
fion, welche sich zur Vorberathung des Münzgesetzes gebildet, einen neuen
Paragraphen unter No. 18 dem Regierungsentwurf zugefügt, in welchem be¬
stimmt war, daß spätestens bis zum 1. Januar 1875 alles Papiergeld,
Staatskassen- wie Bankscheine eingezogen werden sollte und nur ersetzt werden
dürfe durch Noten, welche auf Reichswährung im Betrag von mindestens
100 Mark lauten. Diese Bestimmung war es, welche nach Erklärung der
Minister Delbrück und Camphausen das Münzgesetz in der Fassung des
Reichstages für die Reichsregierung unannehmbar machte. Dies war Anfang
Mai, und der Reichstag setzte die Beendigung der dritten Lesung des Münz-'
gesetzes aus. Alsbald erschien ein Gesetzentwurf zur Regelung des Papier¬
geldes, welchen die preußische Regierung im Bundesrath einbrachte. Danach
sollte Reichspapiergeld ausgegeben werden in Scheinen von 6, 25 und 60
Mark, im Gesammtbetrag von 120 Millionen Mark. d. i. im Gesammtbe-
trage des Reichskricgsschatzes und 3 Mark auf den Kopf der Bevölkerung
des deutschen Reiches. Verwerflich war die Kleinheit der Scheine, aber die
folgenden Bestimmungen waren sehr angemessen. Es sollte jedem Bundes¬
staat der Antheil an Reichspapiergeld verabfolgt werden, auf welchen der be¬
treffende Bundesstaat nach seiner Bevölkerung Anspruch hat. Dafür sollten
die Bundesstaaten den entsprechenden Betrag an partikularen Papiergeld ein¬
ziehen. Von dem Ueberschuß an solchem Papiergeld sollten sie bis zum 1. Juli
1875 die Hälfte aus eignen Kräften einlösen, zur Einlösung der anderen
Hälfte sollten ihnen Neichskassenscheine mittelst einer einstweiligen Vermehrung
des Reichspapiergeldes auf zehn Jahre vorgestreckt werden. Im Jahre 1885
sollte demnach jeder Bundesstaat die Einlösung seines Papiergeldes beendigt
haben, so weit dasselbe den zukommenden Antheil am Reichspapiergeld über¬
steigt. Dieser billige Vorschlag scheiterte im Bundesrath an dem Widerstand
Baierns. So mußte also der Reichstag zur Beendigung des Münzgesetzes,
d. h. zur dritten Lesung des § 1« schreiten ohne positiven Vorschlag der Reichs¬
regierung. Der Reichstag hat durch das Verdienst Bambergers einen sehr zweck¬
mäßigen Beschluß gefunden. Die Fassung des § 18 aus der zweiten Lesung
war der Erklärung der Neichsregierung gegenüber nicht aufrecht zu halten.


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[0041] Dom deutschen Aeichstag. Die Sitzung vom 23. Juni brachte den Abschluß des Münzgesetzes. Mau erinnert sich, daß dieses Gesetz, als die dritte Lesung bereits bis K 18 vorge- schritten war, in der Berathung abgebrochen wurde, weil der Vertreter der Neichsregierung eine Borlage zur Regelung des Papiergeldes zusagte. In der zweiten Lesung hatte der Reichstag auf Antrag einer freien Commis. fion, welche sich zur Vorberathung des Münzgesetzes gebildet, einen neuen Paragraphen unter No. 18 dem Regierungsentwurf zugefügt, in welchem be¬ stimmt war, daß spätestens bis zum 1. Januar 1875 alles Papiergeld, Staatskassen- wie Bankscheine eingezogen werden sollte und nur ersetzt werden dürfe durch Noten, welche auf Reichswährung im Betrag von mindestens 100 Mark lauten. Diese Bestimmung war es, welche nach Erklärung der Minister Delbrück und Camphausen das Münzgesetz in der Fassung des Reichstages für die Reichsregierung unannehmbar machte. Dies war Anfang Mai, und der Reichstag setzte die Beendigung der dritten Lesung des Münz-' gesetzes aus. Alsbald erschien ein Gesetzentwurf zur Regelung des Papier¬ geldes, welchen die preußische Regierung im Bundesrath einbrachte. Danach sollte Reichspapiergeld ausgegeben werden in Scheinen von 6, 25 und 60 Mark, im Gesammtbetrag von 120 Millionen Mark. d. i. im Gesammtbe- trage des Reichskricgsschatzes und 3 Mark auf den Kopf der Bevölkerung des deutschen Reiches. Verwerflich war die Kleinheit der Scheine, aber die folgenden Bestimmungen waren sehr angemessen. Es sollte jedem Bundes¬ staat der Antheil an Reichspapiergeld verabfolgt werden, auf welchen der be¬ treffende Bundesstaat nach seiner Bevölkerung Anspruch hat. Dafür sollten die Bundesstaaten den entsprechenden Betrag an partikularen Papiergeld ein¬ ziehen. Von dem Ueberschuß an solchem Papiergeld sollten sie bis zum 1. Juli 1875 die Hälfte aus eignen Kräften einlösen, zur Einlösung der anderen Hälfte sollten ihnen Neichskassenscheine mittelst einer einstweiligen Vermehrung des Reichspapiergeldes auf zehn Jahre vorgestreckt werden. Im Jahre 1885 sollte demnach jeder Bundesstaat die Einlösung seines Papiergeldes beendigt haben, so weit dasselbe den zukommenden Antheil am Reichspapiergeld über¬ steigt. Dieser billige Vorschlag scheiterte im Bundesrath an dem Widerstand Baierns. So mußte also der Reichstag zur Beendigung des Münzgesetzes, d. h. zur dritten Lesung des § 1« schreiten ohne positiven Vorschlag der Reichs¬ regierung. Der Reichstag hat durch das Verdienst Bambergers einen sehr zweck¬ mäßigen Beschluß gefunden. Die Fassung des § 18 aus der zweiten Lesung war der Erklärung der Neichsregierung gegenüber nicht aufrecht zu halten. Änujbole» >>>. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/41>, abgerufen am 05.02.2025.