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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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hingestellt. Nun stimmte zwar die Majorität des Abgeordnetenhauses mit
Rücksicht auf die besonders seit Beendigung des deutsch-französischen Krieges
günstiger gestaltete Finanzlage für den von der Kommission vorgeschlagenen
Ausweg, statt einer Steuerbefreiung eine Steuerermäßigung vorzuschlagen,
welche aber nicht nur der untersten Klassensteuerstufe zu Gute kommen sollte.
Die Vorlage ist aber doch, und zwar recht eigentlich aus dem Grunde zu
Falle gebracht worden, weil man kein Mittel wußte, wie der Ausfall, der
durch die Aufhebung der Mahlsteuer in den Kommunhaushalten bewirkt
worden wäre, anderweit hätte ersetzt werden können.

Auch der Sächsische Steuergesetzcntwurf ging übrigens von dem Principe
aus, daß die ärmeren Klassen, welche zu mehreren der bestehenden indirekten
Abgaben (z. B. auf Salz, Branntwein, Bier ?c.) wesentlich beitragen müssen,
theils von der Steuer-Beitragspflicht ganz zu befreien seien, theils, daß ihnen
Steuermäßigungen von 25--76 ^ gewährt werden müßten.

Der Verfasser des uns vorliegenden Werkes ist zu dessen Abfassung
durch die Debatten, welche sich über das Preußische Steuerreformvrosect im
Abgeordnetenhause entspannen, angeregt worden. Derselbe erachtet es für ein
bedeutsames Ereigniß in der Finanzgeschichte, daß zum ersten Male der Ver¬
such einer Steuerentlastung gemacht worden sei und hält dafür, daß trotz sei¬
nes einmaligen Scheiterns immer wieder auf ihn zurückgekommen werden
müsse, damit dem bedenklichen Wachsen der Steuern ein Ziel gesetzt werden
kann. Er weist darauf hin, daß es durchaus falsch ist, die Staatswirthschaft
mit der Privatwirthschaft auf eine Linie zu stellen, insofern das Zurücklegen
von Ersparnissen bei letzterer eine Pflicht, bei ersterer dagegen als durchaus fehler¬
haft sich darstellt. Der Staat habe keine andere Aufgabe, als Erziehung des
Menschengeschlechtes, er richte seine Einnahmen lediglich nach den Ausgaben,
und habe nur darauf zu sehen, daß letztere ihre Deckungsmittel finden. Die
Finanzgeschichte der Staaten beweist, daß von dem Ausgabebedürfnisse nicht
nur die Höhe der Einnahmen, sondern auch das System der Steuern ab¬
hängt. Um dem dringender werdenden Steuerbedürfnisse gerecht zu werden,
schaffte man möglichst viele Arten von Besteuerungen und der'Plan, Mehr¬
einnahmen zu verschaffen, hatte das Bestreben im Gefolge, die Steuern
in ein vernunftgemäßes System zu bringen. Eine dritte Folge des Einflusses,
den das Ausgabebedürfniß auf die Finanzen hat, ist die wirthschaftliche De-
centralisation. Gerade die Preußische Finanzgeschichte hat die Nothwendigkeit
dargelegt, bei der Regelung des Staatseinnahmewesens den Ausbau der
Selbstverwaltung als Ziel sich vorzusetzen, da nur durch diese in Verbindung
mit der Finanzreform der Staatszweck erfüllt werden kann. Eine Finanz-



") Otto Bivgon von Czudno cho wsky. Steuerreform, Finanzpolitik. Biegon Staats¬
politik und StaatsrechnunaMgung in Preußen. Berlin, Weidmännische Vuchhandlunq 1873.

hingestellt. Nun stimmte zwar die Majorität des Abgeordnetenhauses mit
Rücksicht auf die besonders seit Beendigung des deutsch-französischen Krieges
günstiger gestaltete Finanzlage für den von der Kommission vorgeschlagenen
Ausweg, statt einer Steuerbefreiung eine Steuerermäßigung vorzuschlagen,
welche aber nicht nur der untersten Klassensteuerstufe zu Gute kommen sollte.
Die Vorlage ist aber doch, und zwar recht eigentlich aus dem Grunde zu
Falle gebracht worden, weil man kein Mittel wußte, wie der Ausfall, der
durch die Aufhebung der Mahlsteuer in den Kommunhaushalten bewirkt
worden wäre, anderweit hätte ersetzt werden können.

Auch der Sächsische Steuergesetzcntwurf ging übrigens von dem Principe
aus, daß die ärmeren Klassen, welche zu mehreren der bestehenden indirekten
Abgaben (z. B. auf Salz, Branntwein, Bier ?c.) wesentlich beitragen müssen,
theils von der Steuer-Beitragspflicht ganz zu befreien seien, theils, daß ihnen
Steuermäßigungen von 25—76 ^ gewährt werden müßten.

Der Verfasser des uns vorliegenden Werkes ist zu dessen Abfassung
durch die Debatten, welche sich über das Preußische Steuerreformvrosect im
Abgeordnetenhause entspannen, angeregt worden. Derselbe erachtet es für ein
bedeutsames Ereigniß in der Finanzgeschichte, daß zum ersten Male der Ver¬
such einer Steuerentlastung gemacht worden sei und hält dafür, daß trotz sei¬
nes einmaligen Scheiterns immer wieder auf ihn zurückgekommen werden
müsse, damit dem bedenklichen Wachsen der Steuern ein Ziel gesetzt werden
kann. Er weist darauf hin, daß es durchaus falsch ist, die Staatswirthschaft
mit der Privatwirthschaft auf eine Linie zu stellen, insofern das Zurücklegen
von Ersparnissen bei letzterer eine Pflicht, bei ersterer dagegen als durchaus fehler¬
haft sich darstellt. Der Staat habe keine andere Aufgabe, als Erziehung des
Menschengeschlechtes, er richte seine Einnahmen lediglich nach den Ausgaben,
und habe nur darauf zu sehen, daß letztere ihre Deckungsmittel finden. Die
Finanzgeschichte der Staaten beweist, daß von dem Ausgabebedürfnisse nicht
nur die Höhe der Einnahmen, sondern auch das System der Steuern ab¬
hängt. Um dem dringender werdenden Steuerbedürfnisse gerecht zu werden,
schaffte man möglichst viele Arten von Besteuerungen und der'Plan, Mehr¬
einnahmen zu verschaffen, hatte das Bestreben im Gefolge, die Steuern
in ein vernunftgemäßes System zu bringen. Eine dritte Folge des Einflusses,
den das Ausgabebedürfniß auf die Finanzen hat, ist die wirthschaftliche De-
centralisation. Gerade die Preußische Finanzgeschichte hat die Nothwendigkeit
dargelegt, bei der Regelung des Staatseinnahmewesens den Ausbau der
Selbstverwaltung als Ziel sich vorzusetzen, da nur durch diese in Verbindung
mit der Finanzreform der Staatszweck erfüllt werden kann. Eine Finanz-



") Otto Bivgon von Czudno cho wsky. Steuerreform, Finanzpolitik. Biegon Staats¬
politik und StaatsrechnunaMgung in Preußen. Berlin, Weidmännische Vuchhandlunq 1873.
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[0396] hingestellt. Nun stimmte zwar die Majorität des Abgeordnetenhauses mit Rücksicht auf die besonders seit Beendigung des deutsch-französischen Krieges günstiger gestaltete Finanzlage für den von der Kommission vorgeschlagenen Ausweg, statt einer Steuerbefreiung eine Steuerermäßigung vorzuschlagen, welche aber nicht nur der untersten Klassensteuerstufe zu Gute kommen sollte. Die Vorlage ist aber doch, und zwar recht eigentlich aus dem Grunde zu Falle gebracht worden, weil man kein Mittel wußte, wie der Ausfall, der durch die Aufhebung der Mahlsteuer in den Kommunhaushalten bewirkt worden wäre, anderweit hätte ersetzt werden können. Auch der Sächsische Steuergesetzcntwurf ging übrigens von dem Principe aus, daß die ärmeren Klassen, welche zu mehreren der bestehenden indirekten Abgaben (z. B. auf Salz, Branntwein, Bier ?c.) wesentlich beitragen müssen, theils von der Steuer-Beitragspflicht ganz zu befreien seien, theils, daß ihnen Steuermäßigungen von 25—76 ^ gewährt werden müßten. Der Verfasser des uns vorliegenden Werkes ist zu dessen Abfassung durch die Debatten, welche sich über das Preußische Steuerreformvrosect im Abgeordnetenhause entspannen, angeregt worden. Derselbe erachtet es für ein bedeutsames Ereigniß in der Finanzgeschichte, daß zum ersten Male der Ver¬ such einer Steuerentlastung gemacht worden sei und hält dafür, daß trotz sei¬ nes einmaligen Scheiterns immer wieder auf ihn zurückgekommen werden müsse, damit dem bedenklichen Wachsen der Steuern ein Ziel gesetzt werden kann. Er weist darauf hin, daß es durchaus falsch ist, die Staatswirthschaft mit der Privatwirthschaft auf eine Linie zu stellen, insofern das Zurücklegen von Ersparnissen bei letzterer eine Pflicht, bei ersterer dagegen als durchaus fehler¬ haft sich darstellt. Der Staat habe keine andere Aufgabe, als Erziehung des Menschengeschlechtes, er richte seine Einnahmen lediglich nach den Ausgaben, und habe nur darauf zu sehen, daß letztere ihre Deckungsmittel finden. Die Finanzgeschichte der Staaten beweist, daß von dem Ausgabebedürfnisse nicht nur die Höhe der Einnahmen, sondern auch das System der Steuern ab¬ hängt. Um dem dringender werdenden Steuerbedürfnisse gerecht zu werden, schaffte man möglichst viele Arten von Besteuerungen und der'Plan, Mehr¬ einnahmen zu verschaffen, hatte das Bestreben im Gefolge, die Steuern in ein vernunftgemäßes System zu bringen. Eine dritte Folge des Einflusses, den das Ausgabebedürfniß auf die Finanzen hat, ist die wirthschaftliche De- centralisation. Gerade die Preußische Finanzgeschichte hat die Nothwendigkeit dargelegt, bei der Regelung des Staatseinnahmewesens den Ausbau der Selbstverwaltung als Ziel sich vorzusetzen, da nur durch diese in Verbindung mit der Finanzreform der Staatszweck erfüllt werden kann. Eine Finanz- ") Otto Bivgon von Czudno cho wsky. Steuerreform, Finanzpolitik. Biegon Staats¬ politik und StaatsrechnunaMgung in Preußen. Berlin, Weidmännische Vuchhandlunq 1873.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/396>, abgerufen am 06.02.2025.