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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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übergehenden zum Eintritt und Weilen ein. Man bekommt dort um mäßi¬
gen Preis die trefflichsten Ungarweine aller Art. In ihr herrscht bis tief in
die Nacht hinein ein lautes lustiges Leben. Ein großer Theil der Ausstel-
lungs Besucher verläßt nach 7 Uhr, wenn das "Nebelhorn" sein unheim¬
liches Signal gegeben den Aufstellungsplatz und begiebt sich in eine der
großen Bierhallen im Prater, welche immer bis auf den letzten Platz gefüllt
sind. Auch hier giebts fast überall Musik. In der großen Hauptallee herrscht
ein reges Treiben, elegante Equipagen und Droschken fahren in ununter¬
brochener Reihe hin und her. Die Fußwege sind überfüllt mit Promenirenden,
darunter besonders die sogenannte "Halbwelt" eine Hauptrolle spielt. Noch
lebhafter geht's im "Wurstel-Prater" her, jenem Theil des Praters, in wel¬
chem die vielen Schaubuden, Caroussels, Schießstätten ?c, ?e, stehen. Hier
amusiren sich die unteren Klassen des Volks. Musik darf natürlich nirgends
fehlen.

Am letzten Sonntag des Juni freilich wurde die Scenerie auf dem Aus¬
stellungsplatze eine wesentlich andere, denn es brach jener Sturm mit Wolken¬
bruch und Gewitter los, von dem alle Zeitungen berichtet haben. Das ge¬
rade an diesem Tage besonders zahlreich erschienene Publikum flüchtete sich
gruppenweise in die bedeckten Räume und zog später mit theilweise durch¬
näßten Kleidern im Gänsemarsch auf den schnell herbeigeschafften und über
die Pfützen gelegten Bohlen nach den Ausgängen und nach der Stadt zurück.
Im Park der Ausstellung sah es wüst genug aus. Fast das ganze Terrain
war überschwemmt; die aufgeschütteten Hügel waren zum Theil zusammenge¬
fallen; Bäume. Flaggenstangen, Zelte in. waren umgerissen; in manchen Re¬
staurationen sah ich Dienstleute bis über die Hüften im Wasser herumwaten,
um die Stühle und Tische aus demselben herauszuholen. Am meisten Auf¬
sehen machte die Flucht des "Lg-IIou eg.M", welcher dann einige Tage
später, freilich in sehr defecten Zustande, aus Ungarn zurückgebracht wurde.

An Wochentagen ist das Publikum in der Ausstellung ein wesentlich an¬
deres. Schon vor 9 Uhr herrscht in derselben ein reges Leben. Beamte,
Aussteller, Aufseher, Arbeiter sind schon in großer Anzahl anwesend, zum
Theil mit dem Reinigen der ausgestellten Gegenstände beschäftigt. Um 9
Uhr beginnt der Zuzug der Gäste. Vormittag bis gegen 2 Uhr findet ein
wirkliches Besichtigen oft auch ein Studium der ausgestellten Gegenstände
statt. Man sieht vielfach Leute, welche sich mit den gegenwärtigen Ausstellern
oder deren Vertretern unterhalten, welche sich über die Gegenstände belehren
lassen und sich Notizen machen. Gegen Mittag finden dann die wirklich ele¬
ganten oft künstlerisch behandelten Toiletten des Adels ?c. sich ein, welche
oft würdigere Ausstellungsobjekte sind als jene unsinnigen und geschmacklosen
"Costümes" für Damen, welche man in der Französischen Abtheilung in


Grenzboten 1873. III. 45

übergehenden zum Eintritt und Weilen ein. Man bekommt dort um mäßi¬
gen Preis die trefflichsten Ungarweine aller Art. In ihr herrscht bis tief in
die Nacht hinein ein lautes lustiges Leben. Ein großer Theil der Ausstel-
lungs Besucher verläßt nach 7 Uhr, wenn das „Nebelhorn" sein unheim¬
liches Signal gegeben den Aufstellungsplatz und begiebt sich in eine der
großen Bierhallen im Prater, welche immer bis auf den letzten Platz gefüllt
sind. Auch hier giebts fast überall Musik. In der großen Hauptallee herrscht
ein reges Treiben, elegante Equipagen und Droschken fahren in ununter¬
brochener Reihe hin und her. Die Fußwege sind überfüllt mit Promenirenden,
darunter besonders die sogenannte „Halbwelt" eine Hauptrolle spielt. Noch
lebhafter geht's im „Wurstel-Prater" her, jenem Theil des Praters, in wel¬
chem die vielen Schaubuden, Caroussels, Schießstätten ?c, ?e, stehen. Hier
amusiren sich die unteren Klassen des Volks. Musik darf natürlich nirgends
fehlen.

Am letzten Sonntag des Juni freilich wurde die Scenerie auf dem Aus¬
stellungsplatze eine wesentlich andere, denn es brach jener Sturm mit Wolken¬
bruch und Gewitter los, von dem alle Zeitungen berichtet haben. Das ge¬
rade an diesem Tage besonders zahlreich erschienene Publikum flüchtete sich
gruppenweise in die bedeckten Räume und zog später mit theilweise durch¬
näßten Kleidern im Gänsemarsch auf den schnell herbeigeschafften und über
die Pfützen gelegten Bohlen nach den Ausgängen und nach der Stadt zurück.
Im Park der Ausstellung sah es wüst genug aus. Fast das ganze Terrain
war überschwemmt; die aufgeschütteten Hügel waren zum Theil zusammenge¬
fallen; Bäume. Flaggenstangen, Zelte in. waren umgerissen; in manchen Re¬
staurationen sah ich Dienstleute bis über die Hüften im Wasser herumwaten,
um die Stühle und Tische aus demselben herauszuholen. Am meisten Auf¬
sehen machte die Flucht des „Lg-IIou eg.M", welcher dann einige Tage
später, freilich in sehr defecten Zustande, aus Ungarn zurückgebracht wurde.

An Wochentagen ist das Publikum in der Ausstellung ein wesentlich an¬
deres. Schon vor 9 Uhr herrscht in derselben ein reges Leben. Beamte,
Aussteller, Aufseher, Arbeiter sind schon in großer Anzahl anwesend, zum
Theil mit dem Reinigen der ausgestellten Gegenstände beschäftigt. Um 9
Uhr beginnt der Zuzug der Gäste. Vormittag bis gegen 2 Uhr findet ein
wirkliches Besichtigen oft auch ein Studium der ausgestellten Gegenstände
statt. Man sieht vielfach Leute, welche sich mit den gegenwärtigen Ausstellern
oder deren Vertretern unterhalten, welche sich über die Gegenstände belehren
lassen und sich Notizen machen. Gegen Mittag finden dann die wirklich ele¬
ganten oft künstlerisch behandelten Toiletten des Adels ?c. sich ein, welche
oft würdigere Ausstellungsobjekte sind als jene unsinnigen und geschmacklosen
„Costümes" für Damen, welche man in der Französischen Abtheilung in


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[0361] übergehenden zum Eintritt und Weilen ein. Man bekommt dort um mäßi¬ gen Preis die trefflichsten Ungarweine aller Art. In ihr herrscht bis tief in die Nacht hinein ein lautes lustiges Leben. Ein großer Theil der Ausstel- lungs Besucher verläßt nach 7 Uhr, wenn das „Nebelhorn" sein unheim¬ liches Signal gegeben den Aufstellungsplatz und begiebt sich in eine der großen Bierhallen im Prater, welche immer bis auf den letzten Platz gefüllt sind. Auch hier giebts fast überall Musik. In der großen Hauptallee herrscht ein reges Treiben, elegante Equipagen und Droschken fahren in ununter¬ brochener Reihe hin und her. Die Fußwege sind überfüllt mit Promenirenden, darunter besonders die sogenannte „Halbwelt" eine Hauptrolle spielt. Noch lebhafter geht's im „Wurstel-Prater" her, jenem Theil des Praters, in wel¬ chem die vielen Schaubuden, Caroussels, Schießstätten ?c, ?e, stehen. Hier amusiren sich die unteren Klassen des Volks. Musik darf natürlich nirgends fehlen. Am letzten Sonntag des Juni freilich wurde die Scenerie auf dem Aus¬ stellungsplatze eine wesentlich andere, denn es brach jener Sturm mit Wolken¬ bruch und Gewitter los, von dem alle Zeitungen berichtet haben. Das ge¬ rade an diesem Tage besonders zahlreich erschienene Publikum flüchtete sich gruppenweise in die bedeckten Räume und zog später mit theilweise durch¬ näßten Kleidern im Gänsemarsch auf den schnell herbeigeschafften und über die Pfützen gelegten Bohlen nach den Ausgängen und nach der Stadt zurück. Im Park der Ausstellung sah es wüst genug aus. Fast das ganze Terrain war überschwemmt; die aufgeschütteten Hügel waren zum Theil zusammenge¬ fallen; Bäume. Flaggenstangen, Zelte in. waren umgerissen; in manchen Re¬ staurationen sah ich Dienstleute bis über die Hüften im Wasser herumwaten, um die Stühle und Tische aus demselben herauszuholen. Am meisten Auf¬ sehen machte die Flucht des „Lg-IIou eg.M", welcher dann einige Tage später, freilich in sehr defecten Zustande, aus Ungarn zurückgebracht wurde. An Wochentagen ist das Publikum in der Ausstellung ein wesentlich an¬ deres. Schon vor 9 Uhr herrscht in derselben ein reges Leben. Beamte, Aussteller, Aufseher, Arbeiter sind schon in großer Anzahl anwesend, zum Theil mit dem Reinigen der ausgestellten Gegenstände beschäftigt. Um 9 Uhr beginnt der Zuzug der Gäste. Vormittag bis gegen 2 Uhr findet ein wirkliches Besichtigen oft auch ein Studium der ausgestellten Gegenstände statt. Man sieht vielfach Leute, welche sich mit den gegenwärtigen Ausstellern oder deren Vertretern unterhalten, welche sich über die Gegenstände belehren lassen und sich Notizen machen. Gegen Mittag finden dann die wirklich ele¬ ganten oft künstlerisch behandelten Toiletten des Adels ?c. sich ein, welche oft würdigere Ausstellungsobjekte sind als jene unsinnigen und geschmacklosen „Costümes" für Damen, welche man in der Französischen Abtheilung in Grenzboten 1873. III. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/361>, abgerufen am 06.02.2025.