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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Das farbige und wohl getrocknete Bild erhält endlich noch einen An¬
strich von Firniß, um völlig vollendet beinahe das Ansehen eines mit stumpfen
Farben gemalten Oelbildes zu erhalten.

Die Technik ü'eLeo in Naß unterscheidet sich von der eben beschriebenen
nur in soweit, als die Wahl der Farben eine andere ist. Im übrigen wird
ebenso mit drei Tönen gearbeitet, wie in Tempera. Abweichend dagegen ist
die Oeltechmk.

Ich will mich hier nicht auf die controversenreiche Geschichte der Oel-
malerei einlassen, sondern nur kurz bemerken, daß von einer Erfindung nicht
die Rede sein kann, da bis ins frühe Mittelalter zurück im nördlichen Deutsch¬
land mit Oel gemalt oder, besser gesagt, angestrichen wurde. Die Lehr¬
meisterin war hier offenbar die Natur -- das feuchte Klima, welchem andere
Bindemittel schwer widerstanden. Fragen wir dagegen nach dem Zeit¬
punkte, in welchem Oelmalerei in allgemeine Aufnahme kömmt, so bezeichnet
diesen der Name der Brüder van Eyk. Doch sind es wohl mehr die Erfolge
ihres eminenten Talentes, welche auch das Darstellungsmittel in Aufnahme
brachten, als irgend welche Geheimrecepte, wie vielfach angenommen wird.
Ich will auch nicht erörtern, ob die Oeltechmk jene Meisterleistun gen der
Eyks ermöglichte, oder ob nicht vielmehr ihr Genius sich jedes Material dienst¬
bar gemacht hätte, aber die Oeltempera vorzog, weil sie ihrem naturalistischen
Streben am besten half. Jedenfalls emancipirt sich die Oeltechmk von dem
meisterlichen Schematismus der herkömmlichen Kunstübung und nimmt nach
dem Vorgange der Eyks die Natur zur Lehrmeisterin. Ja man ist hierin so
eifrig, daß man bald vom Kleinen zum Kleinlichen und vom Charakteristischen
zum Häßlichen fortschreitet. Ueber die Darstellungsmittel dieser niederländi¬
schen Art, die bald Deutschland und Frankreich unterwarf und selbst in
Italien den Kampf mit der Antike aufnahm, sind mir keine anderen Quellen
als die Kunstwerke selbst bekannt. Sie zeigen uns, daß man die Farben
pastos aufträgt und Lasuren nur da anwendet, wo sie, wie bei blauen,
dunkelrothen oder gelben Gewändern, zugleich zum Lokalton verwendet
werden.

Eine von dieser abweichenden Farbengebung hat Dürer, welcher seine
Oelfarben -- wenigstens in der Uebermalung -- behandelt wie wir etwa
die Aquarellfarben, d. h. er legt eine durchscheinende Schicht auf die an¬
dere, bis er die beabsichtigte Tiefe und Leuchtkraft erreicht. Nehmen wir hin¬
zu, daß er hierbei die Details auf das liebevollste ausführt und sorgfältig
Lage nach Lage austrocknen läßt, so glauben wir ihm, daß er viel Zeit ge¬
braucht und mit dem "fleißigen Klaiblen" nicht auf seine Rechnung und
Verdienst kommt. In den schon mehrfach citirten Briefen an Jacob
Heller gewährt er uns einigen Einblick in die Art seines Schaffens.


Das farbige und wohl getrocknete Bild erhält endlich noch einen An¬
strich von Firniß, um völlig vollendet beinahe das Ansehen eines mit stumpfen
Farben gemalten Oelbildes zu erhalten.

Die Technik ü'eLeo in Naß unterscheidet sich von der eben beschriebenen
nur in soweit, als die Wahl der Farben eine andere ist. Im übrigen wird
ebenso mit drei Tönen gearbeitet, wie in Tempera. Abweichend dagegen ist
die Oeltechmk.

Ich will mich hier nicht auf die controversenreiche Geschichte der Oel-
malerei einlassen, sondern nur kurz bemerken, daß von einer Erfindung nicht
die Rede sein kann, da bis ins frühe Mittelalter zurück im nördlichen Deutsch¬
land mit Oel gemalt oder, besser gesagt, angestrichen wurde. Die Lehr¬
meisterin war hier offenbar die Natur — das feuchte Klima, welchem andere
Bindemittel schwer widerstanden. Fragen wir dagegen nach dem Zeit¬
punkte, in welchem Oelmalerei in allgemeine Aufnahme kömmt, so bezeichnet
diesen der Name der Brüder van Eyk. Doch sind es wohl mehr die Erfolge
ihres eminenten Talentes, welche auch das Darstellungsmittel in Aufnahme
brachten, als irgend welche Geheimrecepte, wie vielfach angenommen wird.
Ich will auch nicht erörtern, ob die Oeltechmk jene Meisterleistun gen der
Eyks ermöglichte, oder ob nicht vielmehr ihr Genius sich jedes Material dienst¬
bar gemacht hätte, aber die Oeltempera vorzog, weil sie ihrem naturalistischen
Streben am besten half. Jedenfalls emancipirt sich die Oeltechmk von dem
meisterlichen Schematismus der herkömmlichen Kunstübung und nimmt nach
dem Vorgange der Eyks die Natur zur Lehrmeisterin. Ja man ist hierin so
eifrig, daß man bald vom Kleinen zum Kleinlichen und vom Charakteristischen
zum Häßlichen fortschreitet. Ueber die Darstellungsmittel dieser niederländi¬
schen Art, die bald Deutschland und Frankreich unterwarf und selbst in
Italien den Kampf mit der Antike aufnahm, sind mir keine anderen Quellen
als die Kunstwerke selbst bekannt. Sie zeigen uns, daß man die Farben
pastos aufträgt und Lasuren nur da anwendet, wo sie, wie bei blauen,
dunkelrothen oder gelben Gewändern, zugleich zum Lokalton verwendet
werden.

Eine von dieser abweichenden Farbengebung hat Dürer, welcher seine
Oelfarben — wenigstens in der Uebermalung — behandelt wie wir etwa
die Aquarellfarben, d. h. er legt eine durchscheinende Schicht auf die an¬
dere, bis er die beabsichtigte Tiefe und Leuchtkraft erreicht. Nehmen wir hin¬
zu, daß er hierbei die Details auf das liebevollste ausführt und sorgfältig
Lage nach Lage austrocknen läßt, so glauben wir ihm, daß er viel Zeit ge¬
braucht und mit dem „fleißigen Klaiblen" nicht auf seine Rechnung und
Verdienst kommt. In den schon mehrfach citirten Briefen an Jacob
Heller gewährt er uns einigen Einblick in die Art seines Schaffens.


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[0342] Das farbige und wohl getrocknete Bild erhält endlich noch einen An¬ strich von Firniß, um völlig vollendet beinahe das Ansehen eines mit stumpfen Farben gemalten Oelbildes zu erhalten. Die Technik ü'eLeo in Naß unterscheidet sich von der eben beschriebenen nur in soweit, als die Wahl der Farben eine andere ist. Im übrigen wird ebenso mit drei Tönen gearbeitet, wie in Tempera. Abweichend dagegen ist die Oeltechmk. Ich will mich hier nicht auf die controversenreiche Geschichte der Oel- malerei einlassen, sondern nur kurz bemerken, daß von einer Erfindung nicht die Rede sein kann, da bis ins frühe Mittelalter zurück im nördlichen Deutsch¬ land mit Oel gemalt oder, besser gesagt, angestrichen wurde. Die Lehr¬ meisterin war hier offenbar die Natur — das feuchte Klima, welchem andere Bindemittel schwer widerstanden. Fragen wir dagegen nach dem Zeit¬ punkte, in welchem Oelmalerei in allgemeine Aufnahme kömmt, so bezeichnet diesen der Name der Brüder van Eyk. Doch sind es wohl mehr die Erfolge ihres eminenten Talentes, welche auch das Darstellungsmittel in Aufnahme brachten, als irgend welche Geheimrecepte, wie vielfach angenommen wird. Ich will auch nicht erörtern, ob die Oeltechmk jene Meisterleistun gen der Eyks ermöglichte, oder ob nicht vielmehr ihr Genius sich jedes Material dienst¬ bar gemacht hätte, aber die Oeltempera vorzog, weil sie ihrem naturalistischen Streben am besten half. Jedenfalls emancipirt sich die Oeltechmk von dem meisterlichen Schematismus der herkömmlichen Kunstübung und nimmt nach dem Vorgange der Eyks die Natur zur Lehrmeisterin. Ja man ist hierin so eifrig, daß man bald vom Kleinen zum Kleinlichen und vom Charakteristischen zum Häßlichen fortschreitet. Ueber die Darstellungsmittel dieser niederländi¬ schen Art, die bald Deutschland und Frankreich unterwarf und selbst in Italien den Kampf mit der Antike aufnahm, sind mir keine anderen Quellen als die Kunstwerke selbst bekannt. Sie zeigen uns, daß man die Farben pastos aufträgt und Lasuren nur da anwendet, wo sie, wie bei blauen, dunkelrothen oder gelben Gewändern, zugleich zum Lokalton verwendet werden. Eine von dieser abweichenden Farbengebung hat Dürer, welcher seine Oelfarben — wenigstens in der Uebermalung — behandelt wie wir etwa die Aquarellfarben, d. h. er legt eine durchscheinende Schicht auf die an¬ dere, bis er die beabsichtigte Tiefe und Leuchtkraft erreicht. Nehmen wir hin¬ zu, daß er hierbei die Details auf das liebevollste ausführt und sorgfältig Lage nach Lage austrocknen läßt, so glauben wir ihm, daß er viel Zeit ge¬ braucht und mit dem „fleißigen Klaiblen" nicht auf seine Rechnung und Verdienst kommt. In den schon mehrfach citirten Briefen an Jacob Heller gewährt er uns einigen Einblick in die Art seines Schaffens.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/342>, abgerufen am 06.02.2025.