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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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sondern auch die materiellen Interessen unseres Volkes, wie die folgenden Worte
des Dr. Winkler beweisen. Derselbe sagt:


"Der französischen Goldplattirung gebührt unbedingt das Lob, daß sie sich von
Anfang an bis heute vollkommen gleichgeblieben ist und deshalb erfreut sie sich allent¬
halben des besten Rufes und des vollsten Vertrauens. Das wissen die Franzosen recht
wohl und sie hüten sich klüglich, durch falsch angebrachtes Geizen mit Edelmetall
die Gefährdung ihres Nenommes einzuleiten. Der Franzose giebt seiner Plattirung,
unbeirrt durch den Ruf nach Billigkeit, die gewohnte Stärke und läßt sich dieselbe von
seinen Abnehmern entsprechend bezahlen; der deutsche Fabrikant, verschüchtert durch
dieselben Abnehmer, sucht sein Heil in einer Abschwächung oder Verschlechterung
des Goldbelegs. Er ist nachgiebig genug, sich von Anfang an in zweite Linie zu
stellen, sich seinen Fränkischen Partnern unterzuordnen. Die Folge davon wird
sein, daß letztere die Oberhand behalten, daß sie die guten Preise
ziehen, daß das französische Fabrikat fortdauernd als das muster¬
gültige, das deutsche als eine hinkende Nachbildung desselben ange¬
sehen wird."

Ein solcher Zustand schädigt mithin die solide Production und kann
nur der Unsolidität zum Vortheil gereichen. Das Streben des Publikums,
mit wenig Kosten den Schein des Prunkes zu erreichen, rächt sich aber auch
an dem Consumenten selbst; denn was den Umgang des Trägers einer sol¬
chen Schmuckwaare täuschen soll, das täuscht häufig auch den Erwerber. Oft
genug glaubt der Käufer seinen Bedarf bei einem "billigen Goldarbeiter" be¬
sonders vortheilhaft zu decken, während er in Wahrheit nur eine geringere
Qualität erlangte. "Wenn die Stadt Cöln es wagt, -- sagt Justus Möser,
v. d. Verfall des Handwerks in kleinen Städten (Patriot. Phantasien, Ausg.
v. Zöllner Bd. I. S. 162) -- 12kolbiges Silber zu verarbeiten, um den Augs¬
burgern den Preis abzugewinnen, so wagt es . . , 1 nöthiges Silber zu ver¬
arbeiten, und kaum hat diese den Anfang davon gemacht, so macht die Stadt
M. ihre Probe lOlöthig; und daß diese nicht zu viel gewinne, so ist die
Probe der Stadt N. 8kothig, und der Jude hat seine Hausierwaare aus 6-
kothigen verfertigen lassen. Der arme Unterthan, der von allem diesem nichts
versteht und das neue Silber immer glänzend genug findet, wird indeß be¬
trogen und denkt, der Markt, worauf er ein Loth Silber für 12 Marien-
groschen kaufen kann, sei ungleich schöner, als ein anderer, der es zu 24 Ma¬
riengroschen aufbietet."

In gleichem Maaße wird auch das nationale Vermögen durch das Ueber-
handnehmen der allzuleichten Plattirung und allzudünnen Auswalzung edlen
Metalles geschädigt. Eine abgeriebene Goldsande dieser Art, bei welcher die
unedle Metallunterlage oder der Treibkitt zu Tage liegt, wird selbstverständ¬
lich weniger sorgfältig bewahrt, als ein in gleichem Maße abgenutzter mas-


sondern auch die materiellen Interessen unseres Volkes, wie die folgenden Worte
des Dr. Winkler beweisen. Derselbe sagt:


„Der französischen Goldplattirung gebührt unbedingt das Lob, daß sie sich von
Anfang an bis heute vollkommen gleichgeblieben ist und deshalb erfreut sie sich allent¬
halben des besten Rufes und des vollsten Vertrauens. Das wissen die Franzosen recht
wohl und sie hüten sich klüglich, durch falsch angebrachtes Geizen mit Edelmetall
die Gefährdung ihres Nenommes einzuleiten. Der Franzose giebt seiner Plattirung,
unbeirrt durch den Ruf nach Billigkeit, die gewohnte Stärke und läßt sich dieselbe von
seinen Abnehmern entsprechend bezahlen; der deutsche Fabrikant, verschüchtert durch
dieselben Abnehmer, sucht sein Heil in einer Abschwächung oder Verschlechterung
des Goldbelegs. Er ist nachgiebig genug, sich von Anfang an in zweite Linie zu
stellen, sich seinen Fränkischen Partnern unterzuordnen. Die Folge davon wird
sein, daß letztere die Oberhand behalten, daß sie die guten Preise
ziehen, daß das französische Fabrikat fortdauernd als das muster¬
gültige, das deutsche als eine hinkende Nachbildung desselben ange¬
sehen wird."

Ein solcher Zustand schädigt mithin die solide Production und kann
nur der Unsolidität zum Vortheil gereichen. Das Streben des Publikums,
mit wenig Kosten den Schein des Prunkes zu erreichen, rächt sich aber auch
an dem Consumenten selbst; denn was den Umgang des Trägers einer sol¬
chen Schmuckwaare täuschen soll, das täuscht häufig auch den Erwerber. Oft
genug glaubt der Käufer seinen Bedarf bei einem „billigen Goldarbeiter" be¬
sonders vortheilhaft zu decken, während er in Wahrheit nur eine geringere
Qualität erlangte. „Wenn die Stadt Cöln es wagt, — sagt Justus Möser,
v. d. Verfall des Handwerks in kleinen Städten (Patriot. Phantasien, Ausg.
v. Zöllner Bd. I. S. 162) — 12kolbiges Silber zu verarbeiten, um den Augs¬
burgern den Preis abzugewinnen, so wagt es . . , 1 nöthiges Silber zu ver¬
arbeiten, und kaum hat diese den Anfang davon gemacht, so macht die Stadt
M. ihre Probe lOlöthig; und daß diese nicht zu viel gewinne, so ist die
Probe der Stadt N. 8kothig, und der Jude hat seine Hausierwaare aus 6-
kothigen verfertigen lassen. Der arme Unterthan, der von allem diesem nichts
versteht und das neue Silber immer glänzend genug findet, wird indeß be¬
trogen und denkt, der Markt, worauf er ein Loth Silber für 12 Marien-
groschen kaufen kann, sei ungleich schöner, als ein anderer, der es zu 24 Ma¬
riengroschen aufbietet."

In gleichem Maaße wird auch das nationale Vermögen durch das Ueber-
handnehmen der allzuleichten Plattirung und allzudünnen Auswalzung edlen
Metalles geschädigt. Eine abgeriebene Goldsande dieser Art, bei welcher die
unedle Metallunterlage oder der Treibkitt zu Tage liegt, wird selbstverständ¬
lich weniger sorgfältig bewahrt, als ein in gleichem Maße abgenutzter mas-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/312>, abgerufen am 06.02.2025.