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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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üben, als daß man die letzten Ziele des Ultramontanismus immer deutlicher
erkennt und die Nothwendigkeit kategorischer Mittel immer zweifelloser be¬
greift.

In diesem Medium ist auch die baierische Regierung angelangt, so sehr
sie sonst das cleeentsr in modo liebt, wenigstens tragen mehrere wichtige
Maßregeln der jüngsten Zeit diesen Stempel. Dieselben liegen wesentlich auf
dem Gebiet der Schule, und hier wo eigentlich das Loos der künftigen Gene¬
ration entschieden wird, erscheint es doppelt wichtig, daß die Regierung ihre
Aufgaben nicht verabsäumt. Sie hat das Verständniß für dieselben zunächst
dadurch bewiesen, daß sie aus freien Stücken Erhebungen über das Treiben
der sog. "Schulschwestern" pflog, die mit rapider Schnelligkeit sich in das
Unterrichtswesen einzunisten wußten und die nun höchst wahrscheinlich als
"Verwandte" des Jesuitenordens verbannt oder doch wesentlich geschmälert
werden. Auf dem Gebiete der Volksschule sind folgenreiche Entschließungen
zu verzeichnen, indem die vom Magistrate in Speyer beschlossene Aufhebung der
Klosterschulen die staatliche Sanktion erhielt, und ebenso die Gründung ge¬
mischt confessioneller Schulen amtlich genehmigt ward. Die Opposition,
welche vor allem die Stadtgemeinden gegen die geistliche Bevormundung der
Schule erheben, gewinnt in Baiern jeden Tag an Boden, die Einsetzung der
Oberlehrer, der weltlichen Kreisscholarchen u. tgi. ist ein Beweis, in welchem
Geiste man vorwärtsschreitet.

Noch selbständiger tritt dieser Geist natürlich an den höheren Lehran¬
stalten auf, vor allem an der Münchner Universität, die bei allen Clerikalen
gründlich verfehmt ist, seit sie den Apostaten Döllinger zu ihrem Rektor machte
und in Wort und That gegen den Uebermuth der Pfaffen zu Felde zieht.
Auch die jüngste Rektorswahl gab dieser Stimmung ein beredtes Zeugniß,
denn die sämmtlichen Elemente, die dem Liberalismus gegenüberstehen, ver¬
mochten kaum eine Minorität von 15 Stimmen aufzubieten, während die
Gegenpartei ihren Candidaten, Professor Riehl, mit 46 Stimmen ernannte.

Daß man dem Unterrichtswesen auch eine dauernde Sorgfalt zu widmen
gedenkt, zeigen am deutlichsten die Vorlagen, die dem kommenden Landtag
unterbreitet werden sollen, die wichtigsten Erhöhungen, welche das künftige
Budget zeigt, betreffen die Universitäten; für dieselben soll ?in Wege regel¬
mäßiger und außerordentlicher Zuschüsse gesorgt werden. Ob die projektirte
abermalige Erhöhung der Beamtengehalte zur Verwirklichung gelangt, ist
fraglich; auf andere wichtigere Vorlagen werden wir genauer eingehen, wenn
dieselben ihrem Ziele näher gerückt sind.




üben, als daß man die letzten Ziele des Ultramontanismus immer deutlicher
erkennt und die Nothwendigkeit kategorischer Mittel immer zweifelloser be¬
greift.

In diesem Medium ist auch die baierische Regierung angelangt, so sehr
sie sonst das cleeentsr in modo liebt, wenigstens tragen mehrere wichtige
Maßregeln der jüngsten Zeit diesen Stempel. Dieselben liegen wesentlich auf
dem Gebiet der Schule, und hier wo eigentlich das Loos der künftigen Gene¬
ration entschieden wird, erscheint es doppelt wichtig, daß die Regierung ihre
Aufgaben nicht verabsäumt. Sie hat das Verständniß für dieselben zunächst
dadurch bewiesen, daß sie aus freien Stücken Erhebungen über das Treiben
der sog. „Schulschwestern" pflog, die mit rapider Schnelligkeit sich in das
Unterrichtswesen einzunisten wußten und die nun höchst wahrscheinlich als
„Verwandte" des Jesuitenordens verbannt oder doch wesentlich geschmälert
werden. Auf dem Gebiete der Volksschule sind folgenreiche Entschließungen
zu verzeichnen, indem die vom Magistrate in Speyer beschlossene Aufhebung der
Klosterschulen die staatliche Sanktion erhielt, und ebenso die Gründung ge¬
mischt confessioneller Schulen amtlich genehmigt ward. Die Opposition,
welche vor allem die Stadtgemeinden gegen die geistliche Bevormundung der
Schule erheben, gewinnt in Baiern jeden Tag an Boden, die Einsetzung der
Oberlehrer, der weltlichen Kreisscholarchen u. tgi. ist ein Beweis, in welchem
Geiste man vorwärtsschreitet.

Noch selbständiger tritt dieser Geist natürlich an den höheren Lehran¬
stalten auf, vor allem an der Münchner Universität, die bei allen Clerikalen
gründlich verfehmt ist, seit sie den Apostaten Döllinger zu ihrem Rektor machte
und in Wort und That gegen den Uebermuth der Pfaffen zu Felde zieht.
Auch die jüngste Rektorswahl gab dieser Stimmung ein beredtes Zeugniß,
denn die sämmtlichen Elemente, die dem Liberalismus gegenüberstehen, ver¬
mochten kaum eine Minorität von 15 Stimmen aufzubieten, während die
Gegenpartei ihren Candidaten, Professor Riehl, mit 46 Stimmen ernannte.

Daß man dem Unterrichtswesen auch eine dauernde Sorgfalt zu widmen
gedenkt, zeigen am deutlichsten die Vorlagen, die dem kommenden Landtag
unterbreitet werden sollen, die wichtigsten Erhöhungen, welche das künftige
Budget zeigt, betreffen die Universitäten; für dieselben soll ?in Wege regel¬
mäßiger und außerordentlicher Zuschüsse gesorgt werden. Ob die projektirte
abermalige Erhöhung der Beamtengehalte zur Verwirklichung gelangt, ist
fraglich; auf andere wichtigere Vorlagen werden wir genauer eingehen, wenn
dieselben ihrem Ziele näher gerückt sind.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/284>, abgerufen am 06.02.2025.