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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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aber kaltblütig seine Schwester todtschlägt und die Kinder derselben noch auf¬
fordert, "Neue und Leid zu machen", ehe er ihnen mit dem Beil die Stirn zer¬
schmettert. Natürlich find die Klerikalen sehr erbost, wenn man solche Helden¬
thaten mit ihrem System in Verbindung bringt und betheuern, daß sie weder
die Thäter noch die Anstifter sind, was freilich w concreto Niemand be¬
hauptet, aber welchen indirecten Antheil die geistliche Erziehung an solchen
Zuständen hat, wird anderseits auch Niemand zu leugnen wagen. Ein Blick
auf die statistischen Tabellen, wo sich der Mangel der Schulbildung, die Zahl
der Verbrechen und die Intensität ultramontaner Wahlen vollkommen decken,
spricht hier am deutlichsten. Uebrigens stand kürzlich ein Mitglied des Clerus
selbst vor den Gerichten in Augsburg, ein moralisches Prachtexemplar, wel¬
cher ein kaum 18jähriges Kind bereits mit drei Kindern bereichert hatte, und
der als seine Thaten vor das richterliche Forum kamen, die Zeugen zur Er-
theilung falscher Angaben verleitete.

Glücklicherweise fällt indessen wieder ein Stück klerikaler Agitation aus
Baiern weg, wenn in Ausführung des Jesuitengesetzes nun die Redemtoristen
das Land verlassen. Diese schwarzen Brüder, die unter König Ludwig I. ein¬
drangen, nachdem Herr von Abel vergeblich die Rückkehr der Jesui¬
ten urgirt hatte, setzten sich vor allem in dem Wallfahrtsorte Altötting
fest und vermehrten sich schließlich bis auf 100 Köpfe. Daß sie die Hand¬
langer römischer Interessen waren, verstand sich dabei von selbst, ihre Wirk¬
samkeit gipfelte in den Missionen und in der Controle, die sie über den Pfarr>
klerus übten, aber zum Glück wird dieses ehrwürdige Geschäft bis 1. November
sein offizielles Ende finden.

Wenn man Anfangs glaubte, daß die durch diesen Abschied berührten
Gemeinden ihr Mißvergnügen in lauter Weise äußern dürften, so hat sich
diese Meinung längst durch die That berichtigt, viele Orte sind geradezu be¬
friedigt, wenn sie solcher Quälgeister ledig werden und diejenigen, die sich nicht
selbst von ihren schwarzen Sympathien emancipiren können, haben es doppelt
nöthig, daß der Staat sie davon erlöst.

Unter ihren negativen Erfolgen kann die klerikale Partei auch die
Wanderversammlung anführen, die der Mainzer Katholikenverein in München
hielt; der eigene Troß war zwar durch den Fanatismus hoch befriedigt, der
dabei zu Tage trat, aber alle wahren Freunde der katholischen Sache können
nur entsetzt sein über diese Schrankenlosigkeit der Wünsche und Worte. Wenn
man von "Pfalzgrafen" spricht, die !den Kaiser mit goldenem Schwerte rich¬
ten, so klingt dies beinahe ebenso, wie wenn ein Bischof droht, die Throne
umzustürzen, sobald sie nicht mehr von "Gottes Gnaden" (d. h- ein Fu߬
schemel der Kirche) sein wollen.

Derlei Tiraden können doch auf die Regierungen keinen andern Eindruck


aber kaltblütig seine Schwester todtschlägt und die Kinder derselben noch auf¬
fordert, „Neue und Leid zu machen", ehe er ihnen mit dem Beil die Stirn zer¬
schmettert. Natürlich find die Klerikalen sehr erbost, wenn man solche Helden¬
thaten mit ihrem System in Verbindung bringt und betheuern, daß sie weder
die Thäter noch die Anstifter sind, was freilich w concreto Niemand be¬
hauptet, aber welchen indirecten Antheil die geistliche Erziehung an solchen
Zuständen hat, wird anderseits auch Niemand zu leugnen wagen. Ein Blick
auf die statistischen Tabellen, wo sich der Mangel der Schulbildung, die Zahl
der Verbrechen und die Intensität ultramontaner Wahlen vollkommen decken,
spricht hier am deutlichsten. Uebrigens stand kürzlich ein Mitglied des Clerus
selbst vor den Gerichten in Augsburg, ein moralisches Prachtexemplar, wel¬
cher ein kaum 18jähriges Kind bereits mit drei Kindern bereichert hatte, und
der als seine Thaten vor das richterliche Forum kamen, die Zeugen zur Er-
theilung falscher Angaben verleitete.

Glücklicherweise fällt indessen wieder ein Stück klerikaler Agitation aus
Baiern weg, wenn in Ausführung des Jesuitengesetzes nun die Redemtoristen
das Land verlassen. Diese schwarzen Brüder, die unter König Ludwig I. ein¬
drangen, nachdem Herr von Abel vergeblich die Rückkehr der Jesui¬
ten urgirt hatte, setzten sich vor allem in dem Wallfahrtsorte Altötting
fest und vermehrten sich schließlich bis auf 100 Köpfe. Daß sie die Hand¬
langer römischer Interessen waren, verstand sich dabei von selbst, ihre Wirk¬
samkeit gipfelte in den Missionen und in der Controle, die sie über den Pfarr>
klerus übten, aber zum Glück wird dieses ehrwürdige Geschäft bis 1. November
sein offizielles Ende finden.

Wenn man Anfangs glaubte, daß die durch diesen Abschied berührten
Gemeinden ihr Mißvergnügen in lauter Weise äußern dürften, so hat sich
diese Meinung längst durch die That berichtigt, viele Orte sind geradezu be¬
friedigt, wenn sie solcher Quälgeister ledig werden und diejenigen, die sich nicht
selbst von ihren schwarzen Sympathien emancipiren können, haben es doppelt
nöthig, daß der Staat sie davon erlöst.

Unter ihren negativen Erfolgen kann die klerikale Partei auch die
Wanderversammlung anführen, die der Mainzer Katholikenverein in München
hielt; der eigene Troß war zwar durch den Fanatismus hoch befriedigt, der
dabei zu Tage trat, aber alle wahren Freunde der katholischen Sache können
nur entsetzt sein über diese Schrankenlosigkeit der Wünsche und Worte. Wenn
man von „Pfalzgrafen" spricht, die !den Kaiser mit goldenem Schwerte rich¬
ten, so klingt dies beinahe ebenso, wie wenn ein Bischof droht, die Throne
umzustürzen, sobald sie nicht mehr von „Gottes Gnaden" (d. h- ein Fu߬
schemel der Kirche) sein wollen.

Derlei Tiraden können doch auf die Regierungen keinen andern Eindruck


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[0283] aber kaltblütig seine Schwester todtschlägt und die Kinder derselben noch auf¬ fordert, „Neue und Leid zu machen", ehe er ihnen mit dem Beil die Stirn zer¬ schmettert. Natürlich find die Klerikalen sehr erbost, wenn man solche Helden¬ thaten mit ihrem System in Verbindung bringt und betheuern, daß sie weder die Thäter noch die Anstifter sind, was freilich w concreto Niemand be¬ hauptet, aber welchen indirecten Antheil die geistliche Erziehung an solchen Zuständen hat, wird anderseits auch Niemand zu leugnen wagen. Ein Blick auf die statistischen Tabellen, wo sich der Mangel der Schulbildung, die Zahl der Verbrechen und die Intensität ultramontaner Wahlen vollkommen decken, spricht hier am deutlichsten. Uebrigens stand kürzlich ein Mitglied des Clerus selbst vor den Gerichten in Augsburg, ein moralisches Prachtexemplar, wel¬ cher ein kaum 18jähriges Kind bereits mit drei Kindern bereichert hatte, und der als seine Thaten vor das richterliche Forum kamen, die Zeugen zur Er- theilung falscher Angaben verleitete. Glücklicherweise fällt indessen wieder ein Stück klerikaler Agitation aus Baiern weg, wenn in Ausführung des Jesuitengesetzes nun die Redemtoristen das Land verlassen. Diese schwarzen Brüder, die unter König Ludwig I. ein¬ drangen, nachdem Herr von Abel vergeblich die Rückkehr der Jesui¬ ten urgirt hatte, setzten sich vor allem in dem Wallfahrtsorte Altötting fest und vermehrten sich schließlich bis auf 100 Köpfe. Daß sie die Hand¬ langer römischer Interessen waren, verstand sich dabei von selbst, ihre Wirk¬ samkeit gipfelte in den Missionen und in der Controle, die sie über den Pfarr> klerus übten, aber zum Glück wird dieses ehrwürdige Geschäft bis 1. November sein offizielles Ende finden. Wenn man Anfangs glaubte, daß die durch diesen Abschied berührten Gemeinden ihr Mißvergnügen in lauter Weise äußern dürften, so hat sich diese Meinung längst durch die That berichtigt, viele Orte sind geradezu be¬ friedigt, wenn sie solcher Quälgeister ledig werden und diejenigen, die sich nicht selbst von ihren schwarzen Sympathien emancipiren können, haben es doppelt nöthig, daß der Staat sie davon erlöst. Unter ihren negativen Erfolgen kann die klerikale Partei auch die Wanderversammlung anführen, die der Mainzer Katholikenverein in München hielt; der eigene Troß war zwar durch den Fanatismus hoch befriedigt, der dabei zu Tage trat, aber alle wahren Freunde der katholischen Sache können nur entsetzt sein über diese Schrankenlosigkeit der Wünsche und Worte. Wenn man von „Pfalzgrafen" spricht, die !den Kaiser mit goldenem Schwerte rich¬ ten, so klingt dies beinahe ebenso, wie wenn ein Bischof droht, die Throne umzustürzen, sobald sie nicht mehr von „Gottes Gnaden" (d. h- ein Fu߬ schemel der Kirche) sein wollen. Derlei Tiraden können doch auf die Regierungen keinen andern Eindruck

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/283>, abgerufen am 06.02.2025.