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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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wissende Bediente der Gutsherren zu Schullehrern genommen würden, sondern
entweder Candidaten der Theologie (freilich ein sehr hochgespannter Wunsch!),
oder doch junge Leute von guten Schulstudien, die in Ermangelung von
Seminarien vielleicht durch die Prediger mit einer besseren Methode des Un¬
terrichts vertraut gemacht werden könnten. Er forderte, daß kein Lehrer unter
100 Thaler Gehalt habe. Er verlangte die Einrichtung mehrklassiger Schulen
(wenigstens zwei Klassen), und eine Schulzeit von höchstens 6 Stunden am
Tage -- zur Schonung der Gesundheit des Lehrers. Wetter verlangt er helle
Schulstuben, auch um der Gesundheit der Kinder willen.

Rochow hatte die Genugthuung, daß Friedrich der Große, der viel auf
ihn gab und seine Bemühungen um Volksbildung wol zu würdigen wußte,
einer Anzahl Lehrer feste Gehalte von 120 Thalern gab und zur Verbesserung
der Schulstellen überhaupt zunächst in der Mark die Zinsen eines Kapitals von
100,000 Thalern anwies -- wenig freilich für das vorhandene Bedürfniß,
aber nicht wenig für den König in jener Zeit, wo er so große Ausgaben
machen mußte für die Heilung der Wunde, die der 7jährige Krieg seinen Län¬
dern geschlagen. Auch die Verkürzung der Schulzeit ward nach Rochow's
Rath angeordnet.

Was den Unterricht betrifft, so drang Rochow darauf, daß neben dem
Katechismus und der "Heilsordnung", bis dahin dem einzigen Lese- und Lern¬
stoff in der Volksschule, auch noch Anderes, wie kleine Geschichtchen, Denk¬
sprüche u. s. w., den Kindern gelehrt und dadurch deren Geist etwas vielseiti¬
ger angeregt würde.

Er selbst versuchte in seinem Schulbuche dem Lehrer mannichfaltige An¬
regung und Andeutung zu "Unterredungen" mit den Kindern (einer Art von
Denkübungen, damals etwas noch ganz Unbekanntes) zu geben. Vielleicht
ging er darin theilweise zu weit für die Fassungskraft nicht allein der Kinder
-- Dorfkinder! -- sondern selbst der Lehrer, wie diese damals zu haben waren.
Da ist von Ursache und Wirkung, von Wahrheit, Gewißheit, Irrthum, Leicht¬
gläubigkeit, von der menschlichen Seele und der Religion (namentlich soll
Tugendlehre nach Andeutung der Bibel gelehrt werden), von der Obrigkeit,
von Gesetzen, vom Soldatenstande, auch von den Pflichten der Gutsunterthanen
die Rede; es werden Regeln der Höflichkeit gelehrt, Anweisung zum Brief¬
schreiben gegeben. Dann folgen die Elemente der Rechnen- und der Meßkunst,
auch etwas Mechanik, Maße und Gewichte. Das Augenmaß soll geübt,
Sinnenbetrug verhindert werden. Allerhand nützliche Erkenntniß "von natür¬
lichen Dingen" wird! eingeschärft, dabei ganz besonders auf die Landwirth¬
schaft, auf die verschiedenen Frucht- und Bestellungsarten u. s. w. Rücksicht
genommen. Endlich ist auch die Gesundheitslehre nicht vergessen.


wissende Bediente der Gutsherren zu Schullehrern genommen würden, sondern
entweder Candidaten der Theologie (freilich ein sehr hochgespannter Wunsch!),
oder doch junge Leute von guten Schulstudien, die in Ermangelung von
Seminarien vielleicht durch die Prediger mit einer besseren Methode des Un¬
terrichts vertraut gemacht werden könnten. Er forderte, daß kein Lehrer unter
100 Thaler Gehalt habe. Er verlangte die Einrichtung mehrklassiger Schulen
(wenigstens zwei Klassen), und eine Schulzeit von höchstens 6 Stunden am
Tage — zur Schonung der Gesundheit des Lehrers. Wetter verlangt er helle
Schulstuben, auch um der Gesundheit der Kinder willen.

Rochow hatte die Genugthuung, daß Friedrich der Große, der viel auf
ihn gab und seine Bemühungen um Volksbildung wol zu würdigen wußte,
einer Anzahl Lehrer feste Gehalte von 120 Thalern gab und zur Verbesserung
der Schulstellen überhaupt zunächst in der Mark die Zinsen eines Kapitals von
100,000 Thalern anwies — wenig freilich für das vorhandene Bedürfniß,
aber nicht wenig für den König in jener Zeit, wo er so große Ausgaben
machen mußte für die Heilung der Wunde, die der 7jährige Krieg seinen Län¬
dern geschlagen. Auch die Verkürzung der Schulzeit ward nach Rochow's
Rath angeordnet.

Was den Unterricht betrifft, so drang Rochow darauf, daß neben dem
Katechismus und der „Heilsordnung", bis dahin dem einzigen Lese- und Lern¬
stoff in der Volksschule, auch noch Anderes, wie kleine Geschichtchen, Denk¬
sprüche u. s. w., den Kindern gelehrt und dadurch deren Geist etwas vielseiti¬
ger angeregt würde.

Er selbst versuchte in seinem Schulbuche dem Lehrer mannichfaltige An¬
regung und Andeutung zu „Unterredungen" mit den Kindern (einer Art von
Denkübungen, damals etwas noch ganz Unbekanntes) zu geben. Vielleicht
ging er darin theilweise zu weit für die Fassungskraft nicht allein der Kinder
— Dorfkinder! — sondern selbst der Lehrer, wie diese damals zu haben waren.
Da ist von Ursache und Wirkung, von Wahrheit, Gewißheit, Irrthum, Leicht¬
gläubigkeit, von der menschlichen Seele und der Religion (namentlich soll
Tugendlehre nach Andeutung der Bibel gelehrt werden), von der Obrigkeit,
von Gesetzen, vom Soldatenstande, auch von den Pflichten der Gutsunterthanen
die Rede; es werden Regeln der Höflichkeit gelehrt, Anweisung zum Brief¬
schreiben gegeben. Dann folgen die Elemente der Rechnen- und der Meßkunst,
auch etwas Mechanik, Maße und Gewichte. Das Augenmaß soll geübt,
Sinnenbetrug verhindert werden. Allerhand nützliche Erkenntniß „von natür¬
lichen Dingen" wird! eingeschärft, dabei ganz besonders auf die Landwirth¬
schaft, auf die verschiedenen Frucht- und Bestellungsarten u. s. w. Rücksicht
genommen. Endlich ist auch die Gesundheitslehre nicht vergessen.


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[0274] wissende Bediente der Gutsherren zu Schullehrern genommen würden, sondern entweder Candidaten der Theologie (freilich ein sehr hochgespannter Wunsch!), oder doch junge Leute von guten Schulstudien, die in Ermangelung von Seminarien vielleicht durch die Prediger mit einer besseren Methode des Un¬ terrichts vertraut gemacht werden könnten. Er forderte, daß kein Lehrer unter 100 Thaler Gehalt habe. Er verlangte die Einrichtung mehrklassiger Schulen (wenigstens zwei Klassen), und eine Schulzeit von höchstens 6 Stunden am Tage — zur Schonung der Gesundheit des Lehrers. Wetter verlangt er helle Schulstuben, auch um der Gesundheit der Kinder willen. Rochow hatte die Genugthuung, daß Friedrich der Große, der viel auf ihn gab und seine Bemühungen um Volksbildung wol zu würdigen wußte, einer Anzahl Lehrer feste Gehalte von 120 Thalern gab und zur Verbesserung der Schulstellen überhaupt zunächst in der Mark die Zinsen eines Kapitals von 100,000 Thalern anwies — wenig freilich für das vorhandene Bedürfniß, aber nicht wenig für den König in jener Zeit, wo er so große Ausgaben machen mußte für die Heilung der Wunde, die der 7jährige Krieg seinen Län¬ dern geschlagen. Auch die Verkürzung der Schulzeit ward nach Rochow's Rath angeordnet. Was den Unterricht betrifft, so drang Rochow darauf, daß neben dem Katechismus und der „Heilsordnung", bis dahin dem einzigen Lese- und Lern¬ stoff in der Volksschule, auch noch Anderes, wie kleine Geschichtchen, Denk¬ sprüche u. s. w., den Kindern gelehrt und dadurch deren Geist etwas vielseiti¬ ger angeregt würde. Er selbst versuchte in seinem Schulbuche dem Lehrer mannichfaltige An¬ regung und Andeutung zu „Unterredungen" mit den Kindern (einer Art von Denkübungen, damals etwas noch ganz Unbekanntes) zu geben. Vielleicht ging er darin theilweise zu weit für die Fassungskraft nicht allein der Kinder — Dorfkinder! — sondern selbst der Lehrer, wie diese damals zu haben waren. Da ist von Ursache und Wirkung, von Wahrheit, Gewißheit, Irrthum, Leicht¬ gläubigkeit, von der menschlichen Seele und der Religion (namentlich soll Tugendlehre nach Andeutung der Bibel gelehrt werden), von der Obrigkeit, von Gesetzen, vom Soldatenstande, auch von den Pflichten der Gutsunterthanen die Rede; es werden Regeln der Höflichkeit gelehrt, Anweisung zum Brief¬ schreiben gegeben. Dann folgen die Elemente der Rechnen- und der Meßkunst, auch etwas Mechanik, Maße und Gewichte. Das Augenmaß soll geübt, Sinnenbetrug verhindert werden. Allerhand nützliche Erkenntniß „von natür¬ lichen Dingen" wird! eingeschärft, dabei ganz besonders auf die Landwirth¬ schaft, auf die verschiedenen Frucht- und Bestellungsarten u. s. w. Rücksicht genommen. Endlich ist auch die Gesundheitslehre nicht vergessen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/274>, abgerufen am 06.02.2025.