Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.verbissenen Sachsen an diesem Machwerk besonders empören muß, das ist die Wir werden also den Dresdner Schuldirector seinem Schmerze allein Diese jämmerliche Gehässigkeit gegen den Staat, dem wir unsere natio¬ Nun, wir müssen auch hier den biedern Schuldirector seine stillen Thränen verbissenen Sachsen an diesem Machwerk besonders empören muß, das ist die Wir werden also den Dresdner Schuldirector seinem Schmerze allein Diese jämmerliche Gehässigkeit gegen den Staat, dem wir unsere natio¬ Nun, wir müssen auch hier den biedern Schuldirector seine stillen Thränen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193034"/> <p xml:id="ID_716" prev="#ID_715"> verbissenen Sachsen an diesem Machwerk besonders empören muß, das ist die<lb/> Gehässigkeit, mit welcher Preußen seit den Zeiten Friedrich's des Großen<lb/> behandelt wird. So weit ist das deutsche Volk Gott sei Dank in seiner ge¬<lb/> schichtlichen und politischen Bildung gediehen, daß es heutzutage die nationale<lb/> Heldengestalt eines Friedrich II. nicht mehr von Dresdner Schulmeistern ver¬<lb/> unglimpfen .läßt. All das Jammern über das große Elend, welches der<lb/> 7jährige Krieg über Sachsen gebracht hat, erinnert den geschichtskundigen<lb/> Vaterlandsfreund nur daran, wie schwer der nichtswürdige Brühl und sein<lb/> ganz von ihm geleiteter Fürst an ihrem Lande sich versündigt, wie sehr sie durch<lb/> ihre auf Preußens Erniedrigung und Zerstückelung berechneten Intriguen<lb/> und geheimen Verhandlungen all das Unglück Sachsens verschuldet haben.<lb/> Und wenn Friedrich der Große nach dem Recht des Krieges die Hilfsquellen<lb/> des wohlhabenden Landes für seine Zwecke in vollstem Maße in Anspruch<lb/> nahm, so kann ihm dies nur derjenige zum Vorwurf machen, der nicht weiß<lb/> daß der König während dieses 7jährigen Kampfes auf Tod und Leben, den er<lb/> mit fast dem ganzen übrigen Europa führen mußte, die Kräfte seines eigenen<lb/> damals noch kleinen Staates bis zur völligen Erschöpfung angespannt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_717"> Wir werden also den Dresdner Schuldirector seinem Schmerze allein<lb/> überlassen, wenn er wiederholt darüber jammert, daß Friedrich seinen Feinden<lb/> nicht unterlegen sei, wenn er z. B. nach Erwähnung der Schlacht bei Cuners-<lb/> dorf unwillig ausruft: „So günstig die Gelegenheit zur Vernichtung des<lb/> Gegners war, so ließen sie doch die Sieger unbenutzt vorübergehen. Kaum<lb/> dürfte in der Kriegsgeschichte ein zweites Beispiel von so unerhörter Nicht¬<lb/> beachtung der günstigsten Umstände vorkommen." —</p><lb/> <p xml:id="ID_718"> Diese jämmerliche Gehässigkeit gegen den Staat, dem wir unsere natio¬<lb/> nale Wiedergeburt verdanken sollten, verdoppelt sich natürlich bei der Erzäh¬<lb/> lung der Ereignisse von 1813—15. Es kennzeichnet diese „Geschichte des<lb/> Königreichs Sachsen" hinlänglich, daß von der Schmach und Schande,<lb/> die auf Deutschland in der Napoleonischen Zeit lastete, kein Sterbenswort<lb/> zu lesen ist, daß der unvergleichliche Aufschwung des preußischen Volkes im<lb/> Frühling 1813 mit keiner Silbe erwähnt wird, daß man die Namen eines<lb/> Scharnhorst und Stein vergebens darin sucht, daß selbst einer der edelsten<lb/> Söhne Sachsens, dessen Heldentod für das gemeinsam große Vaterland die<lb/> deutsche Jugend stets mit Begeisterung erfüllen wird, daß Theodor Körner<lb/> mit völligem Stillschweigen gestraft wird. Um so lauter ertönt natürlich der<lb/> Hymnus auf die alte Sachsentreue gegen das angestammte Fürstenhaus und<lb/> das Klagelied wegen der „unglückseligen Theilung".</p><lb/> <p xml:id="ID_719" next="#ID_720"> Nun, wir müssen auch hier den biedern Schuldirector seine stillen Thränen<lb/> vergießen lassen. Aber da er sein ganzes Buch so reichlich mit Gemeinplätzen<lb/> und frommen Bibelsprüchen geziert hat, so könnte man ihn wohl fragen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0231]
verbissenen Sachsen an diesem Machwerk besonders empören muß, das ist die
Gehässigkeit, mit welcher Preußen seit den Zeiten Friedrich's des Großen
behandelt wird. So weit ist das deutsche Volk Gott sei Dank in seiner ge¬
schichtlichen und politischen Bildung gediehen, daß es heutzutage die nationale
Heldengestalt eines Friedrich II. nicht mehr von Dresdner Schulmeistern ver¬
unglimpfen .läßt. All das Jammern über das große Elend, welches der
7jährige Krieg über Sachsen gebracht hat, erinnert den geschichtskundigen
Vaterlandsfreund nur daran, wie schwer der nichtswürdige Brühl und sein
ganz von ihm geleiteter Fürst an ihrem Lande sich versündigt, wie sehr sie durch
ihre auf Preußens Erniedrigung und Zerstückelung berechneten Intriguen
und geheimen Verhandlungen all das Unglück Sachsens verschuldet haben.
Und wenn Friedrich der Große nach dem Recht des Krieges die Hilfsquellen
des wohlhabenden Landes für seine Zwecke in vollstem Maße in Anspruch
nahm, so kann ihm dies nur derjenige zum Vorwurf machen, der nicht weiß
daß der König während dieses 7jährigen Kampfes auf Tod und Leben, den er
mit fast dem ganzen übrigen Europa führen mußte, die Kräfte seines eigenen
damals noch kleinen Staates bis zur völligen Erschöpfung angespannt hatte.
Wir werden also den Dresdner Schuldirector seinem Schmerze allein
überlassen, wenn er wiederholt darüber jammert, daß Friedrich seinen Feinden
nicht unterlegen sei, wenn er z. B. nach Erwähnung der Schlacht bei Cuners-
dorf unwillig ausruft: „So günstig die Gelegenheit zur Vernichtung des
Gegners war, so ließen sie doch die Sieger unbenutzt vorübergehen. Kaum
dürfte in der Kriegsgeschichte ein zweites Beispiel von so unerhörter Nicht¬
beachtung der günstigsten Umstände vorkommen." —
Diese jämmerliche Gehässigkeit gegen den Staat, dem wir unsere natio¬
nale Wiedergeburt verdanken sollten, verdoppelt sich natürlich bei der Erzäh¬
lung der Ereignisse von 1813—15. Es kennzeichnet diese „Geschichte des
Königreichs Sachsen" hinlänglich, daß von der Schmach und Schande,
die auf Deutschland in der Napoleonischen Zeit lastete, kein Sterbenswort
zu lesen ist, daß der unvergleichliche Aufschwung des preußischen Volkes im
Frühling 1813 mit keiner Silbe erwähnt wird, daß man die Namen eines
Scharnhorst und Stein vergebens darin sucht, daß selbst einer der edelsten
Söhne Sachsens, dessen Heldentod für das gemeinsam große Vaterland die
deutsche Jugend stets mit Begeisterung erfüllen wird, daß Theodor Körner
mit völligem Stillschweigen gestraft wird. Um so lauter ertönt natürlich der
Hymnus auf die alte Sachsentreue gegen das angestammte Fürstenhaus und
das Klagelied wegen der „unglückseligen Theilung".
Nun, wir müssen auch hier den biedern Schuldirector seine stillen Thränen
vergießen lassen. Aber da er sein ganzes Buch so reichlich mit Gemeinplätzen
und frommen Bibelsprüchen geziert hat, so könnte man ihn wohl fragen,
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