Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.umspannt und mit den unaufhörlich zuckenden Wetterstrahlen seines Witzes Was aber den deutschen Komiker noch viel deutlicher vom griechischen In den Parabasen ihrer Komödien pflegten die attischen Dichter sich über umspannt und mit den unaufhörlich zuckenden Wetterstrahlen seines Witzes Was aber den deutschen Komiker noch viel deutlicher vom griechischen In den Parabasen ihrer Komödien pflegten die attischen Dichter sich über <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193025"/> <p xml:id="ID_687" prev="#ID_686"> umspannt und mit den unaufhörlich zuckenden Wetterstrahlen seines Witzes<lb/> durchleuchtet. Anders bet Platen- Sein Verdienst besteht darin, vorhandene<lb/> Stücke mit aller Kunst und in der besten Absicht parodirt zu haben; darum<lb/> sind seine Komödien eher Copien als Originale, auf keinen Fall aber Pro-<lb/> ducte jenes Genies, das unerschöpflich ist in der Erfindung, und allen seinen<lb/> Gebilden. Launen und Einfällen die schöne Empfehlung unverwüstlichen Nei.<lb/> zes und ewiger Jugend mit auf den Weg gibt. Das schließt natürlich nicht<lb/> aus, daß nicht auch Platen einige phantasiereiche Gemälde entwerfen konnte;<lb/> wir rechnen dazu die Schilderung des Schlaraffenlandes, des Vorgebirges der<lb/> guten Hoffnung, der Schrecken der Nacht u. a. in., allein es hält das doch<lb/> alles mit den Aristophanischen Wunderbauten keinen Vergleich aus. Dasselbe<lb/> läßt sich vom Witze sagen. Freilich spielt derselbe auch bei Platen eine<lb/> Rolle, wer wollte das leugnen, aber er ist lange nicht so geistreich wie der<lb/> des Aristophanes, nicht so scharf und pointirt, ja bisweilen sogar fade und<lb/> abgeschmackt.</p><lb/> <p xml:id="ID_688"> Was aber den deutschen Komiker noch viel deutlicher vom griechischen<lb/> unterscheidet und ihn tief unter denselben stellt, das ist sein Mangel an<lb/> Humor. Platen ist immer bitter in Satire, Spott und Witz, es fehlt ihm<lb/> das läuternde und verklärende Bewußtsein, daß es besser werden wird. Bei<lb/> Aristophanes haben wir den Hinweis auf die glorreiche Vergangenheit und<lb/> die lebendige Hoffnung auf ihre baldige Wiederkehr, bei Platen nicht; unserer<lb/> großen Dichter thut er nur hier und da einmal, und auch dann nur im Vor¬<lb/> übergehen und ohne sich ihrer als eines unverlierbaren Schatzes zu getrösten.<lb/> Erwähnung. Aristophanes steht über dem Kampfe, den er kämpft, und hat<lb/> gleichsam den Sieg immer in Händen; sein Gemüth ist heiter, sein Geist frisch,<lb/> er spielt mit seinen Opfern und sprudelt Uebermuth und Laune; wenn irgend<lb/> einer, so ist er von Schmerz über die Verdorbenheit der Zeitgenossen und den<lb/> Untergang der Poesie erfüllt, und doch schwellt Siegeszuversicht seine Seele,<lb/> er hat das stolze Bewußtsein, daß seine Rettungsversuche von Erfolg gekrönt<lb/> sind, und daß, wir beschränken uns auf die Poesie, der große Aeschylus bald<lb/> wieder und äschyleischer Geist im Reiche der Dichtung das Scepter führen<lb/> wird. Darum kann er unter Thränen lachen und wieder weinen bei fröh¬<lb/> lichem Antlitz. Bon einem solchen Siegesbewußtsein ist Platen nicht geho-<lb/> ben und getragen; er bietet das Bild eines ernsten Streiters, und gleicht<lb/> eher dem Mars als dem Liebling der Grazien, denn er kämpft wie ein Ver¬<lb/> zweifelter für die Sache der Poesie, oder, wie wir richtiger sagen müssen, für<lb/> seinen persönlichen Ruhm und seine eigene Ehre.</p><lb/> <p xml:id="ID_689" next="#ID_690"> In den Parabasen ihrer Komödien pflegten die attischen Dichter sich über<lb/> alles auszusprechen, was ihnen am Herzen lag, sie setzten ihr Verhältniß zum<lb/> Publikum auseinander, beschwerten sich, rechfertigten sich, lobten und tadelten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
umspannt und mit den unaufhörlich zuckenden Wetterstrahlen seines Witzes
durchleuchtet. Anders bet Platen- Sein Verdienst besteht darin, vorhandene
Stücke mit aller Kunst und in der besten Absicht parodirt zu haben; darum
sind seine Komödien eher Copien als Originale, auf keinen Fall aber Pro-
ducte jenes Genies, das unerschöpflich ist in der Erfindung, und allen seinen
Gebilden. Launen und Einfällen die schöne Empfehlung unverwüstlichen Nei.
zes und ewiger Jugend mit auf den Weg gibt. Das schließt natürlich nicht
aus, daß nicht auch Platen einige phantasiereiche Gemälde entwerfen konnte;
wir rechnen dazu die Schilderung des Schlaraffenlandes, des Vorgebirges der
guten Hoffnung, der Schrecken der Nacht u. a. in., allein es hält das doch
alles mit den Aristophanischen Wunderbauten keinen Vergleich aus. Dasselbe
läßt sich vom Witze sagen. Freilich spielt derselbe auch bei Platen eine
Rolle, wer wollte das leugnen, aber er ist lange nicht so geistreich wie der
des Aristophanes, nicht so scharf und pointirt, ja bisweilen sogar fade und
abgeschmackt.
Was aber den deutschen Komiker noch viel deutlicher vom griechischen
unterscheidet und ihn tief unter denselben stellt, das ist sein Mangel an
Humor. Platen ist immer bitter in Satire, Spott und Witz, es fehlt ihm
das läuternde und verklärende Bewußtsein, daß es besser werden wird. Bei
Aristophanes haben wir den Hinweis auf die glorreiche Vergangenheit und
die lebendige Hoffnung auf ihre baldige Wiederkehr, bei Platen nicht; unserer
großen Dichter thut er nur hier und da einmal, und auch dann nur im Vor¬
übergehen und ohne sich ihrer als eines unverlierbaren Schatzes zu getrösten.
Erwähnung. Aristophanes steht über dem Kampfe, den er kämpft, und hat
gleichsam den Sieg immer in Händen; sein Gemüth ist heiter, sein Geist frisch,
er spielt mit seinen Opfern und sprudelt Uebermuth und Laune; wenn irgend
einer, so ist er von Schmerz über die Verdorbenheit der Zeitgenossen und den
Untergang der Poesie erfüllt, und doch schwellt Siegeszuversicht seine Seele,
er hat das stolze Bewußtsein, daß seine Rettungsversuche von Erfolg gekrönt
sind, und daß, wir beschränken uns auf die Poesie, der große Aeschylus bald
wieder und äschyleischer Geist im Reiche der Dichtung das Scepter führen
wird. Darum kann er unter Thränen lachen und wieder weinen bei fröh¬
lichem Antlitz. Bon einem solchen Siegesbewußtsein ist Platen nicht geho-
ben und getragen; er bietet das Bild eines ernsten Streiters, und gleicht
eher dem Mars als dem Liebling der Grazien, denn er kämpft wie ein Ver¬
zweifelter für die Sache der Poesie, oder, wie wir richtiger sagen müssen, für
seinen persönlichen Ruhm und seine eigene Ehre.
In den Parabasen ihrer Komödien pflegten die attischen Dichter sich über
alles auszusprechen, was ihnen am Herzen lag, sie setzten ihr Verhältniß zum
Publikum auseinander, beschwerten sich, rechfertigten sich, lobten und tadelten
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