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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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der Verfasser rede über Smith wie der Blinde von der Farbe, und ereifert sich
ganz besonders über den in der Rösler'schen und anderen Schriften Smith
gemachten Vorwurf, derselbe sei eigentlich ein verkappter Socialist. Nicht
weniger scharf kritisirt er die Theorien der Anhänger des Relativitätsprinci¬
pes, ohne aber z, B. die Bedeutung Roscher's, dessen Nationalökonomie des
Ackerbaues er eine stolze Zierde der deutschen Literatur, und dessen Ausfüh¬
rungen für die Freiheit des Grundeigenthumes er geradezu classisch nennt,
irgendwie zu verkennen.

In Betreff der socialen Frage der Landwirtschaft betrachtet der Ver¬
sasser zunächst die Ursachen der gegenwärtigen Vermögensvertheilung, und
widerlegt hierbei die socialistisch-feudale Behauptung, daß die Mittelclassen
durch die freie Concurrenz mehr und mehr ihrem Untergange entgegengebracht
würden, mit treffenden Worten -- er sagt u. A., diese Behauptung beruhe
lediglich auf einer optisch-akustischen Täuschung. In der Hauptsache gelangt
er zu dem Resultate, daß behufs Lösung der socialen Frage vor allen Din¬
gen mit dem für alle Classen vortheilhaften Verkaufe der Domainen, -- die
z. B. in Mecklenburg noch 46 Procent des gesammten Grund und Bodens
bilden, - und mit der Zerschlagung der Latifundien durch Aufhebung derFidei-
commisse, welche letztere Gneist einmal recht bezeichnend ein Schutzrecht für
Schwächlinge nennt, vorgegangen werden müsse. Andererseits bezeichnet er
es allerdings als eine politische, ökonomische und militärische Nothwendigkeit,
daß sich der größere Theil des Grundbesitzes durch Generationen hindurch
stetig vererbe.

Nach seiner Ansicht sollen deßhalb Latifundien zwar obligatorisch in
gleiche Theile für alle Kinder zerlegt, diese Theilung indessen nur solange
sortgesetzt werden. bis jeder Erbtheil ein mäßig großes Gut ausmache, wel¬
ches bei rationeller Bewirtschaftung vielleicht 15--20,000 Thlr. abwerfe.
Für die von dem Verfasser betonte Nothwendigkeit, daß in allen konstitutio¬
nellen Staaten erste Kammern, resp, erbliche Mitglieder einer Kammer vor¬
handen sein müssen, und daß diese Mitglieder aus denjenigen Familien zu
entnehmen seien, welche gewohnheitsmäßig Ehrenbeamte liefern, fehlt es uns,
mit Hinblick auf die bis in die neueste Zeit mit diesen ersten Kammern ge¬
machten trüben Erfahrungen, an Verständniß. Weiter empfiehlt der Verfasser
die Anwendung des Staatszwanges zur Aufhebung der Gemengewirthschaft
und der Gemeinweiden, und zur zweckmäßigen Consolidation und Arrondirung
der Grundstücke, auch wenn diese aus Beschränktheit der Besitzer noch immer
unterlassen wird. Er verlangt ferner Aufhebung der Gebundenheit des Bo¬
dens, z. B. durch Herabsetzung der übermäßig hohen Besitzübertragungsspesen.
Behufs Abhülfe der Hypothekennoth fordert er hauptsächlich Ersetzung des
gleichen Erbrechtes durch die englisch-amerikanische Testirfreiheit. Besonderen


der Verfasser rede über Smith wie der Blinde von der Farbe, und ereifert sich
ganz besonders über den in der Rösler'schen und anderen Schriften Smith
gemachten Vorwurf, derselbe sei eigentlich ein verkappter Socialist. Nicht
weniger scharf kritisirt er die Theorien der Anhänger des Relativitätsprinci¬
pes, ohne aber z, B. die Bedeutung Roscher's, dessen Nationalökonomie des
Ackerbaues er eine stolze Zierde der deutschen Literatur, und dessen Ausfüh¬
rungen für die Freiheit des Grundeigenthumes er geradezu classisch nennt,
irgendwie zu verkennen.

In Betreff der socialen Frage der Landwirtschaft betrachtet der Ver¬
sasser zunächst die Ursachen der gegenwärtigen Vermögensvertheilung, und
widerlegt hierbei die socialistisch-feudale Behauptung, daß die Mittelclassen
durch die freie Concurrenz mehr und mehr ihrem Untergange entgegengebracht
würden, mit treffenden Worten — er sagt u. A., diese Behauptung beruhe
lediglich auf einer optisch-akustischen Täuschung. In der Hauptsache gelangt
er zu dem Resultate, daß behufs Lösung der socialen Frage vor allen Din¬
gen mit dem für alle Classen vortheilhaften Verkaufe der Domainen, — die
z. B. in Mecklenburg noch 46 Procent des gesammten Grund und Bodens
bilden, - und mit der Zerschlagung der Latifundien durch Aufhebung derFidei-
commisse, welche letztere Gneist einmal recht bezeichnend ein Schutzrecht für
Schwächlinge nennt, vorgegangen werden müsse. Andererseits bezeichnet er
es allerdings als eine politische, ökonomische und militärische Nothwendigkeit,
daß sich der größere Theil des Grundbesitzes durch Generationen hindurch
stetig vererbe.

Nach seiner Ansicht sollen deßhalb Latifundien zwar obligatorisch in
gleiche Theile für alle Kinder zerlegt, diese Theilung indessen nur solange
sortgesetzt werden. bis jeder Erbtheil ein mäßig großes Gut ausmache, wel¬
ches bei rationeller Bewirtschaftung vielleicht 15—20,000 Thlr. abwerfe.
Für die von dem Verfasser betonte Nothwendigkeit, daß in allen konstitutio¬
nellen Staaten erste Kammern, resp, erbliche Mitglieder einer Kammer vor¬
handen sein müssen, und daß diese Mitglieder aus denjenigen Familien zu
entnehmen seien, welche gewohnheitsmäßig Ehrenbeamte liefern, fehlt es uns,
mit Hinblick auf die bis in die neueste Zeit mit diesen ersten Kammern ge¬
machten trüben Erfahrungen, an Verständniß. Weiter empfiehlt der Verfasser
die Anwendung des Staatszwanges zur Aufhebung der Gemengewirthschaft
und der Gemeinweiden, und zur zweckmäßigen Consolidation und Arrondirung
der Grundstücke, auch wenn diese aus Beschränktheit der Besitzer noch immer
unterlassen wird. Er verlangt ferner Aufhebung der Gebundenheit des Bo¬
dens, z. B. durch Herabsetzung der übermäßig hohen Besitzübertragungsspesen.
Behufs Abhülfe der Hypothekennoth fordert er hauptsächlich Ersetzung des
gleichen Erbrechtes durch die englisch-amerikanische Testirfreiheit. Besonderen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/202>, abgerufen am 06.02.2025.