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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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jetzt glücklicherweise in weiten Kreisen als solche erkannt und verurtheilt zu
werden, Oetker hat dieselben schon damals ganz nach Gebühr behandelt.
Daß diese Partei, wie auch später, in Hessen aus kaum mehr als einigen
überspannten Schreiern und unverständigen Unzufriedenen bestand und trotz
vielen Lärms nicht ernstlich in Betracht kommen konnte, hat er ihr in seinem
schönen Humor öfter vorgehalten, was dann freilich Fenstereinwürfe u. dergl.
zur Folge hatte.

Mit großer Entschiedenheit trat Oetker beim Beginne der Reaction dem
Hassenpflug'schen Regimente entgegen. In der dramatischen Entwicklung des
Verfassungsumsturzes spielte seine Zeitung als eine der Hauptstützen jenes
großartigen Widerstandes, welchen das ganze hessische Volk den rechtswidrigen
Maßnahmen entgegensetzte, eine große Rolle. Besonders unbequem wurde er
dem großen Revolutionär durch die vorsichtige und geschickte Art seiner Er¬
munterung zur Fortsetzung des Widerstandes, seine Warnungen vor den ge¬
ringsten Ausschreitungen und die eigene genaue Beobachtung der gesetzlichen
Schranken, während die Extravaganzen des demokratischen Blattes Hassen¬
pflug lange nicht so genirten. Schon früh hatte dieser versucht, den lästigen
Störer zum Schweigen zu bringen, indem er bereits im Mai 18S0 einen
Preßproceß gegen ihn hatte erheben lassen, der aber im Erfolge nur nach¬
theilig für den greifswalder Verurtheilten ausfiel. Näheres darüber veröffent¬
lichte Oetker 18S0 in seiner Schrift! "Die Rechtlichkeit und das Ehrgefühl
des Ministers Hassenpflug vor dem Schwurgericht zu Kassel".

Als auch die den Belagerungszustand proklamirende Verordnung vom
17. Sept. 1860, durch welche u. A. das Erscheinen aller politischen Zeitungen
von der Genehmigung des Ministeriums abhängig erklärt wurde, an der
Pflichttreue der Beamten scheiterte, wurde die Druckerei von Oetker's Zeitung
durch Militär besetzt. Den Befehl dazu hatte dieses direct vom Oberbefehls¬
haber erhalten, Oetker wandte sich an das Obergericht zu Kassel um Schutz.
Dieses wies am 19. Sept. 18S0 durch unbedingtes Mandat den Staatsan¬
walt an, diesen Befehl zurückziehen zu lassen und die weggenommenem Zei-
tungsnummern herauszugeben. Das höchste Gericht bestätigte dies. Zwar
wurde das Urtheil dem Oberbefehlshaber zunächst verheimlicht, sodaß derselbe
Zeit fand, die Druckerei von Oetker's Blatt durch einen Polizeibeamten aber>
mals besetzen zu lassen, aber als Oetker den permanenten Ständeausschust
bewog, Anklage gegen letzteren zu erheben, begann der Oberbefehlshaber die
Rechtmäßigkeit der Verordnung, die ihn bestellt hatte, zu bezweifeln. Die
Erfolglosigkeit des letztern und seine Anklage durch den Ständeausschuß ge-
nügte dann Hassenpflug als Anlaß, den Sitz der angeblich durch Revolution
bedrohten Regierung in die Nähe des Bundestags zu verlegen, durch dessen


jetzt glücklicherweise in weiten Kreisen als solche erkannt und verurtheilt zu
werden, Oetker hat dieselben schon damals ganz nach Gebühr behandelt.
Daß diese Partei, wie auch später, in Hessen aus kaum mehr als einigen
überspannten Schreiern und unverständigen Unzufriedenen bestand und trotz
vielen Lärms nicht ernstlich in Betracht kommen konnte, hat er ihr in seinem
schönen Humor öfter vorgehalten, was dann freilich Fenstereinwürfe u. dergl.
zur Folge hatte.

Mit großer Entschiedenheit trat Oetker beim Beginne der Reaction dem
Hassenpflug'schen Regimente entgegen. In der dramatischen Entwicklung des
Verfassungsumsturzes spielte seine Zeitung als eine der Hauptstützen jenes
großartigen Widerstandes, welchen das ganze hessische Volk den rechtswidrigen
Maßnahmen entgegensetzte, eine große Rolle. Besonders unbequem wurde er
dem großen Revolutionär durch die vorsichtige und geschickte Art seiner Er¬
munterung zur Fortsetzung des Widerstandes, seine Warnungen vor den ge¬
ringsten Ausschreitungen und die eigene genaue Beobachtung der gesetzlichen
Schranken, während die Extravaganzen des demokratischen Blattes Hassen¬
pflug lange nicht so genirten. Schon früh hatte dieser versucht, den lästigen
Störer zum Schweigen zu bringen, indem er bereits im Mai 18S0 einen
Preßproceß gegen ihn hatte erheben lassen, der aber im Erfolge nur nach¬
theilig für den greifswalder Verurtheilten ausfiel. Näheres darüber veröffent¬
lichte Oetker 18S0 in seiner Schrift! „Die Rechtlichkeit und das Ehrgefühl
des Ministers Hassenpflug vor dem Schwurgericht zu Kassel".

Als auch die den Belagerungszustand proklamirende Verordnung vom
17. Sept. 1860, durch welche u. A. das Erscheinen aller politischen Zeitungen
von der Genehmigung des Ministeriums abhängig erklärt wurde, an der
Pflichttreue der Beamten scheiterte, wurde die Druckerei von Oetker's Zeitung
durch Militär besetzt. Den Befehl dazu hatte dieses direct vom Oberbefehls¬
haber erhalten, Oetker wandte sich an das Obergericht zu Kassel um Schutz.
Dieses wies am 19. Sept. 18S0 durch unbedingtes Mandat den Staatsan¬
walt an, diesen Befehl zurückziehen zu lassen und die weggenommenem Zei-
tungsnummern herauszugeben. Das höchste Gericht bestätigte dies. Zwar
wurde das Urtheil dem Oberbefehlshaber zunächst verheimlicht, sodaß derselbe
Zeit fand, die Druckerei von Oetker's Blatt durch einen Polizeibeamten aber>
mals besetzen zu lassen, aber als Oetker den permanenten Ständeausschust
bewog, Anklage gegen letzteren zu erheben, begann der Oberbefehlshaber die
Rechtmäßigkeit der Verordnung, die ihn bestellt hatte, zu bezweifeln. Die
Erfolglosigkeit des letztern und seine Anklage durch den Ständeausschuß ge-
nügte dann Hassenpflug als Anlaß, den Sitz der angeblich durch Revolution
bedrohten Regierung in die Nähe des Bundestags zu verlegen, durch dessen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/171>, abgerufen am 06.02.2025.