Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.und es wurden zwei Häuser für das Experiment errichtet. Aber als er in Noch einmal in das Wohnhaus zurückgebracht, starb der König um zwei Nach dieser Unterhaltung wurde die Leiche in das heilige Haus gebracht, ") Das klingt verdächtig im Angesicht der Thatsache, daß alle Historiker der Sandwichs-'
Inseln, die weißen wie die schwarzen, leugnen, daß es je so etwas wie Menschenfresserei auf diesen gegeben. Da er ihn jedoch "roh zu essen" vorschlug, wollen wir's nicht rechnen. Ge¬ wiß aber wäre es Menschenfresserei gewesen, wenn sie ihn gekocht hätten. und es wurden zwei Häuser für das Experiment errichtet. Aber als er in Noch einmal in das Wohnhaus zurückgebracht, starb der König um zwei Nach dieser Unterhaltung wurde die Leiche in das heilige Haus gebracht, ") Das klingt verdächtig im Angesicht der Thatsache, daß alle Historiker der Sandwichs-'
Inseln, die weißen wie die schwarzen, leugnen, daß es je so etwas wie Menschenfresserei auf diesen gegeben. Da er ihn jedoch „roh zu essen" vorschlug, wollen wir's nicht rechnen. Ge¬ wiß aber wäre es Menschenfresserei gewesen, wenn sie ihn gekocht hätten. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192955"/> <p xml:id="ID_454" prev="#ID_453"> und es wurden zwei Häuser für das Experiment errichtet. Aber als er in<lb/> ihnen wohnte, wurde ihm so übel, daß er keine Nahrung mehr zu sich neh¬<lb/> men konnte. Nachdem er drei Tage dort gelegen, brachten ihn die Häupt¬<lb/> linge und seine Weiber und Kinder in seine frühere Wohnung zurück. Am<lb/> Abend schaffte man ihn in das Eßhaus (niemand durfte damals in demselben<lb/> Gemach speisen, wo er schlief), aber er konnte die Speise nicht mehr hinun¬<lb/> terschlucken und trank nur einen Becher Wasser. Die Häuptlinge baten ihn<lb/> um seinen Rath, aber er antwortete nicht. Man trug ihn in das Wohnhaus<lb/> zurück und um Mitternacht wieder in das Eßhaus, wo er jedoch nur kostete,<lb/> was man ihm darbot. Darauf redete ihn Kaikiowa folgendermaßen an:<lb/> „Hier sind wir alle, Deine jüngeren Brüder, Dein Sohn Liholiho und Dein<lb/> Fremdling, theile uns Deinen letzten Nati) mit, damit Liholiho und Kaahu-<lb/> manu (die oberste Frau des Königs) ihn hören." Kamehameha fragte: „Was<lb/> willst Du?" Kaikiowa erwiderte- „Deine letzten Rathschläge." Er sagte<lb/> dann: „Achte weiter auf meine guten Wege und -—", Er konnte nicht weiter.<lb/> Der Fremde, ein Mr. Uounk. umarmte und küßte ihn. Auch Hoapili um¬<lb/> armte ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf er wieder in das Wohn¬<lb/> haus gebracht wurde, aber nur um bald nachher wieder in das Eßhaus ge¬<lb/> schafft zu werden. Es muß hier bemerkt werden, daß dieses häufige Hin-<lb/> und Hertragen von einem Hause zum andern mit dem Tabu-System zusam¬<lb/> menhing. Ein Gehöft bestand damals aus sechs Hütten, die alle ihre feste,<lb/> durch Gesetz und Religion geheiligte Bestimmung hätten, eine war zum Beten<lb/> da, eine zum Essen für die Männer, eine für die Weiber, eine zum Schlafen,<lb/> eine zum Weben der Kapa, des nationalen Tuches, und eine zur Absperrung<lb/> der Frauen zu gewissen Perioden.</p><lb/> <p xml:id="ID_455"> Noch einmal in das Wohnhaus zurückgebracht, starb der König um zwei<lb/> Uhr Nachts. Als er den letzten Athemzug gethan, ging Kalaimoku in das<lb/> Eßhaus, um die dort Befindlichen fort zu schicken. Auch die Kinder wurden<lb/> weggesandt. Dann hielten die Häuptlinge unter Kalaimoku's Vorsitz und im<lb/> Beisein Kaahumanu's Rath, was mit dem Todten zu thun. Einer von<lb/> ihnen sagte: „Meine Meinung ist. daß wir ihn roh essen."*) Aber Kaahu-<lb/> manu entgegnete: „Vielleicht steht seine Leiche nicht zu unserer Verfügung.<lb/> Ueber dieselbe verfügt passender sein Nachfolger. Unser Theil an ihm - sein<lb/> Odem — ist fortgegangen, was von ihm übrig ist, gehört Liholiho."</p><lb/> <p xml:id="ID_456" next="#ID_457"> Nach dieser Unterhaltung wurde die Leiche in das heilige Haus gebracht,<lb/> damit die Priester und der neue König die vorgeschriebenen Ceremonien mit</p><lb/> <note xml:id="FID_89" place="foot"> ") Das klingt verdächtig im Angesicht der Thatsache, daß alle Historiker der Sandwichs-'<lb/> Inseln, die weißen wie die schwarzen, leugnen, daß es je so etwas wie Menschenfresserei auf<lb/> diesen gegeben. Da er ihn jedoch „roh zu essen" vorschlug, wollen wir's nicht rechnen. Ge¬<lb/> wiß aber wäre es Menschenfresserei gewesen, wenn sie ihn gekocht hätten.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0152]
und es wurden zwei Häuser für das Experiment errichtet. Aber als er in
ihnen wohnte, wurde ihm so übel, daß er keine Nahrung mehr zu sich neh¬
men konnte. Nachdem er drei Tage dort gelegen, brachten ihn die Häupt¬
linge und seine Weiber und Kinder in seine frühere Wohnung zurück. Am
Abend schaffte man ihn in das Eßhaus (niemand durfte damals in demselben
Gemach speisen, wo er schlief), aber er konnte die Speise nicht mehr hinun¬
terschlucken und trank nur einen Becher Wasser. Die Häuptlinge baten ihn
um seinen Rath, aber er antwortete nicht. Man trug ihn in das Wohnhaus
zurück und um Mitternacht wieder in das Eßhaus, wo er jedoch nur kostete,
was man ihm darbot. Darauf redete ihn Kaikiowa folgendermaßen an:
„Hier sind wir alle, Deine jüngeren Brüder, Dein Sohn Liholiho und Dein
Fremdling, theile uns Deinen letzten Nati) mit, damit Liholiho und Kaahu-
manu (die oberste Frau des Königs) ihn hören." Kamehameha fragte: „Was
willst Du?" Kaikiowa erwiderte- „Deine letzten Rathschläge." Er sagte
dann: „Achte weiter auf meine guten Wege und -—", Er konnte nicht weiter.
Der Fremde, ein Mr. Uounk. umarmte und küßte ihn. Auch Hoapili um¬
armte ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf er wieder in das Wohn¬
haus gebracht wurde, aber nur um bald nachher wieder in das Eßhaus ge¬
schafft zu werden. Es muß hier bemerkt werden, daß dieses häufige Hin-
und Hertragen von einem Hause zum andern mit dem Tabu-System zusam¬
menhing. Ein Gehöft bestand damals aus sechs Hütten, die alle ihre feste,
durch Gesetz und Religion geheiligte Bestimmung hätten, eine war zum Beten
da, eine zum Essen für die Männer, eine für die Weiber, eine zum Schlafen,
eine zum Weben der Kapa, des nationalen Tuches, und eine zur Absperrung
der Frauen zu gewissen Perioden.
Noch einmal in das Wohnhaus zurückgebracht, starb der König um zwei
Uhr Nachts. Als er den letzten Athemzug gethan, ging Kalaimoku in das
Eßhaus, um die dort Befindlichen fort zu schicken. Auch die Kinder wurden
weggesandt. Dann hielten die Häuptlinge unter Kalaimoku's Vorsitz und im
Beisein Kaahumanu's Rath, was mit dem Todten zu thun. Einer von
ihnen sagte: „Meine Meinung ist. daß wir ihn roh essen."*) Aber Kaahu-
manu entgegnete: „Vielleicht steht seine Leiche nicht zu unserer Verfügung.
Ueber dieselbe verfügt passender sein Nachfolger. Unser Theil an ihm - sein
Odem — ist fortgegangen, was von ihm übrig ist, gehört Liholiho."
Nach dieser Unterhaltung wurde die Leiche in das heilige Haus gebracht,
damit die Priester und der neue König die vorgeschriebenen Ceremonien mit
") Das klingt verdächtig im Angesicht der Thatsache, daß alle Historiker der Sandwichs-'
Inseln, die weißen wie die schwarzen, leugnen, daß es je so etwas wie Menschenfresserei auf
diesen gegeben. Da er ihn jedoch „roh zu essen" vorschlug, wollen wir's nicht rechnen. Ge¬
wiß aber wäre es Menschenfresserei gewesen, wenn sie ihn gekocht hätten.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |