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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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ohne Rivalen geblieben und wird es voraussichtlich noch geraume Zeit bleiben.
-- Beigegeben sind dem Buche vierzehn in den Text gedruckte Skizzen, vier
Ordres de Bataille, vier Operationskarten und sechs Schlacht- und Belage¬
rungspläne. -- Der Ertrag des Buches ist für die Kaiser-Wilhelmsstiftung
bestimmt.

Dem Inhalt und im Wesentlichen auch der Behandlung nach schließt
sich unmittelbar an Borbstaedt's Buch das des Majors Blume an*), welches
die Operationen der deutschen Heere von der Schlacht bei Sedan bis zum
Ende des Krieges darstellt. Ueberlegen ist dies Werk dem des Obersten Borb-
staedt durch seine Quellen; denn es ist nach den Operationsacten des großen
Hauptquartiers dargestellt; zurückhaltender als das Buch Borbstaedt's verhält
es sich zu den Maßnahmen auf französischer Seite, was sich schon daraus
erklärt, daß die militärischen Zustände und Entwickelungen der Republik ein
chaotisches Durcheinander bilden, in dessen innersten Zusammenhang ein¬
zudringen erst jetzt mit Hülfe der massenhaft zuwachsenden französischen Kriegs¬
literatur nach und nach möglich wird. Aber just von dieser französischen
Literatur unterscheidet sich das Blume'sche Werk in ganz frappanter, wir
möchten sagen nationalcharakteristischer Weise. Man sagt gewöhnlich "Hoch¬
muth kommt vor dem Fall" -- der französischen Kriegsliteratur gegenüber
gewinnt man aber die Ueberzeugung, daß er zuweilen auch nach dem Fall
kommt, oder doch durch den tiefsten Fall keinen Schaden leidet. Schon der
Umstand, daß sich unmittelbar nach dem Feldzuge fast jeder dieser Feldherrn
hingesetzt hat, um seine eigene (nicht etwa, wie man nach so furchtbaren
Niederlagen denken sollte) Vertheidigung, sondern seine eigene Apotheose zu
schreiben -- schon dieser Umstand ist in hohem Grade bezeichnend. Bei uns
versuchen die Feldherrn keine solche Selbstbespiegelung. und wenn sie sie ver¬
suchten, so würde es der allerhöchste Kriegsherr schwerlich dulden. Wo die
Handelnden selbst ihre Thaten schildern, liegt ja auch den Ehrlichsten die
Selbsttäuschung gar zu nahe. Unendlich schwierig ist es, das Wollen vom
Leisten überall scharf zu unterscheiden, und unbedingt muß aus einer Kriegs¬
literatur, welche die handelnden Generale selbst zu Autoren hat, eine Polemik,
ein innerer Krieg entstehen, der der Wahrheit wenig Nutzen, den Personen
und der Disciplin aber sicher vielen Schaden bringen kann. Darum war es
freudig zu begrüßen, daß die erste Darstellung des zweiten, so ungemein ver¬
wickelten Abschnittes des deutsch-französischen Krieges nicht von einem der
"Männer mit geschichtlichem Namen" unternommen wurde, sondern daß ein



-) Die Operationen der deutschen Heere von der Schlacht bei Sedan bis zum Ende des
Krieges, nach den Operationsacten des Großen Hauptquartiers dargestellt von Wilhelm Blume,
Königl. Preußischem Major im Großen Generalstabe. Berlin E. S. Mittler und Sohn.

ohne Rivalen geblieben und wird es voraussichtlich noch geraume Zeit bleiben.
— Beigegeben sind dem Buche vierzehn in den Text gedruckte Skizzen, vier
Ordres de Bataille, vier Operationskarten und sechs Schlacht- und Belage¬
rungspläne. — Der Ertrag des Buches ist für die Kaiser-Wilhelmsstiftung
bestimmt.

Dem Inhalt und im Wesentlichen auch der Behandlung nach schließt
sich unmittelbar an Borbstaedt's Buch das des Majors Blume an*), welches
die Operationen der deutschen Heere von der Schlacht bei Sedan bis zum
Ende des Krieges darstellt. Ueberlegen ist dies Werk dem des Obersten Borb-
staedt durch seine Quellen; denn es ist nach den Operationsacten des großen
Hauptquartiers dargestellt; zurückhaltender als das Buch Borbstaedt's verhält
es sich zu den Maßnahmen auf französischer Seite, was sich schon daraus
erklärt, daß die militärischen Zustände und Entwickelungen der Republik ein
chaotisches Durcheinander bilden, in dessen innersten Zusammenhang ein¬
zudringen erst jetzt mit Hülfe der massenhaft zuwachsenden französischen Kriegs¬
literatur nach und nach möglich wird. Aber just von dieser französischen
Literatur unterscheidet sich das Blume'sche Werk in ganz frappanter, wir
möchten sagen nationalcharakteristischer Weise. Man sagt gewöhnlich „Hoch¬
muth kommt vor dem Fall" — der französischen Kriegsliteratur gegenüber
gewinnt man aber die Ueberzeugung, daß er zuweilen auch nach dem Fall
kommt, oder doch durch den tiefsten Fall keinen Schaden leidet. Schon der
Umstand, daß sich unmittelbar nach dem Feldzuge fast jeder dieser Feldherrn
hingesetzt hat, um seine eigene (nicht etwa, wie man nach so furchtbaren
Niederlagen denken sollte) Vertheidigung, sondern seine eigene Apotheose zu
schreiben — schon dieser Umstand ist in hohem Grade bezeichnend. Bei uns
versuchen die Feldherrn keine solche Selbstbespiegelung. und wenn sie sie ver¬
suchten, so würde es der allerhöchste Kriegsherr schwerlich dulden. Wo die
Handelnden selbst ihre Thaten schildern, liegt ja auch den Ehrlichsten die
Selbsttäuschung gar zu nahe. Unendlich schwierig ist es, das Wollen vom
Leisten überall scharf zu unterscheiden, und unbedingt muß aus einer Kriegs¬
literatur, welche die handelnden Generale selbst zu Autoren hat, eine Polemik,
ein innerer Krieg entstehen, der der Wahrheit wenig Nutzen, den Personen
und der Disciplin aber sicher vielen Schaden bringen kann. Darum war es
freudig zu begrüßen, daß die erste Darstellung des zweiten, so ungemein ver¬
wickelten Abschnittes des deutsch-französischen Krieges nicht von einem der
„Männer mit geschichtlichem Namen" unternommen wurde, sondern daß ein



-) Die Operationen der deutschen Heere von der Schlacht bei Sedan bis zum Ende des
Krieges, nach den Operationsacten des Großen Hauptquartiers dargestellt von Wilhelm Blume,
Königl. Preußischem Major im Großen Generalstabe. Berlin E. S. Mittler und Sohn.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/94>, abgerufen am 23.07.2024.