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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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das, wenn auch nicht bös gemeinte Nörgeln und Quängeln über Kleinigkeiten,
die doch gegen die Hauptsache, das feste Gefüge des Reichs durch das allei¬
nige Verdienst selbigen preußischen Zopfes und selbiger preußischen Korp-
oralität, gar nicht einmal der Erwähnung werth sind -- wenigstens nicht
unter Männern, freilich wohl unter alten Weibern. --


H. Rückert.


Zs Uederland verdedigba??

Aus Holland.

Es ist Ihnen nicht zu verdenken, daß Sie über unser Staatje, oder, um
echt niederländisch zu reden, über unser Reich, nicht allzu häufig berichten, seitdem
Ihre schonungslose aber wahre Kritik unserer inneren Zustände, welche Sie
Anfangs 1871 unter der Ueberschrift "Holland in Noth" brachten, so leiden¬
schaftliche Wallungen in Niederland hervorgerufen hat.*) Seither ist Manches
von dem, was damals in unsern Zeitschriften nachdrücklich abgeleugnet wurde,
durch amtliche niederländische Belegstücke als wahr erhärtet worden. Es kann
heute als ausgemacht gelten, daß die ganze Mobilmachung Niederlands im
Jahr 1870 --die einen Tag früher als die preußisch-deutsche erfolgte! -- sich
ausschließlich gegen Deutschland kehrte, ja, daß unser König, wenn er seinen
eigensten Wünschen hätte folgen können, seine Armee dem Kaiser Napoleon
zur beliebigen Verfügung gestellt hätte. Der seitdem gestorbene Minister
Thorbecke, soll dem König das bereits vollzogene Schreiben an den Kaiser
von Frankreich, noch bei Zeiten entwunden haben. Solche und ähnliche
Belege für die deutschfeindliche Gesinnung Niederlands kann man zu Hun¬
derten an einem Tage sammeln. Sie sind Deutschland u. A. im letzten Jahr
durch die Kölnische Zeitung aus Gutzkow's Feder berichtet worden. Bei einem
ähnlichen Anlaß würde Niederland einen Thorbecke nicht mehr besitzen. Heute
macht sich bei uns womöglich noch intensiver als/der Preußenhaß gel¬
tend: Die Furcht vor Annexion durch Deutschland. Und da dieses Ereigniß
der bei weitem größten Mehrzahl der Niederländer unzweifelhaft als das
geheimste Ziel der Politik Bismarcks gilt, so ist es begreiflich, daß allerorten
bei uns, in den Kammern, in der Presse, in Broschüren ohne Zahl die Frage
erörtert wird: Is Nederland verdedigbar?



-) Wir glauben seither über alle wichtigeren Vorgänge in Holland und Luxemburg wie
,
D. Red. unsre vierteljährlichen Inhaltsverzeichnisse ausweisen, berichtet zu haben.

das, wenn auch nicht bös gemeinte Nörgeln und Quängeln über Kleinigkeiten,
die doch gegen die Hauptsache, das feste Gefüge des Reichs durch das allei¬
nige Verdienst selbigen preußischen Zopfes und selbiger preußischen Korp-
oralität, gar nicht einmal der Erwähnung werth sind — wenigstens nicht
unter Männern, freilich wohl unter alten Weibern. —


H. Rückert.


Zs Uederland verdedigba??

Aus Holland.

Es ist Ihnen nicht zu verdenken, daß Sie über unser Staatje, oder, um
echt niederländisch zu reden, über unser Reich, nicht allzu häufig berichten, seitdem
Ihre schonungslose aber wahre Kritik unserer inneren Zustände, welche Sie
Anfangs 1871 unter der Ueberschrift „Holland in Noth" brachten, so leiden¬
schaftliche Wallungen in Niederland hervorgerufen hat.*) Seither ist Manches
von dem, was damals in unsern Zeitschriften nachdrücklich abgeleugnet wurde,
durch amtliche niederländische Belegstücke als wahr erhärtet worden. Es kann
heute als ausgemacht gelten, daß die ganze Mobilmachung Niederlands im
Jahr 1870 —die einen Tag früher als die preußisch-deutsche erfolgte! — sich
ausschließlich gegen Deutschland kehrte, ja, daß unser König, wenn er seinen
eigensten Wünschen hätte folgen können, seine Armee dem Kaiser Napoleon
zur beliebigen Verfügung gestellt hätte. Der seitdem gestorbene Minister
Thorbecke, soll dem König das bereits vollzogene Schreiben an den Kaiser
von Frankreich, noch bei Zeiten entwunden haben. Solche und ähnliche
Belege für die deutschfeindliche Gesinnung Niederlands kann man zu Hun¬
derten an einem Tage sammeln. Sie sind Deutschland u. A. im letzten Jahr
durch die Kölnische Zeitung aus Gutzkow's Feder berichtet worden. Bei einem
ähnlichen Anlaß würde Niederland einen Thorbecke nicht mehr besitzen. Heute
macht sich bei uns womöglich noch intensiver als/der Preußenhaß gel¬
tend: Die Furcht vor Annexion durch Deutschland. Und da dieses Ereigniß
der bei weitem größten Mehrzahl der Niederländer unzweifelhaft als das
geheimste Ziel der Politik Bismarcks gilt, so ist es begreiflich, daß allerorten
bei uns, in den Kammern, in der Presse, in Broschüren ohne Zahl die Frage
erörtert wird: Is Nederland verdedigbar?



-) Wir glauben seither über alle wichtigeren Vorgänge in Holland und Luxemburg wie
,
D. Red. unsre vierteljährlichen Inhaltsverzeichnisse ausweisen, berichtet zu haben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/512>, abgerufen am 24.08.2024.