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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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durchaus erforderlich. Die ersten Anfänge verlieren sich im Dunkel. Seit
dem 13. Jahrhundert blühten vor allen die Messen der Champagne, zu
Brie, dann auch die der Provence, zu Nismes und Beaucaire. Dort trafen
Periodisch Kaufleute aus allen Weltgegenden zusammen, um zu kaufen oder
zu verkaufen. Mit allerlei Vorrechten, Schutzmaßregeln und Gerichtseinrich¬
tungen suchten die Könige von Frankreich das Ansehen dieser Messen zu er¬
höhen. Darüber haben wir viele Dokumente aus dem 13. und 14. Jahr¬
hundert.

Natürlich richteten dort, wo sich die reichste Gelegenheit für ihr Gewerbe
bot, auch die Wechsler ihre Tische auf. Sie handelten mit Geld im Um¬
tausch, und besorgten nicht minder die Zahlungsanweisung und den Wechsel
von und nach der Messe zur Ersparung des reellen Transports. Ursprünglich
erschien das kaum als etwas besonderes. Der Wechselverkehr bewegte sich
ebenso gut zwischen andern Städten.

Indessen schon um 1340 bezeugt Pegoletti, daß die Florentiner im Ver¬
kehr mit Frankreich, England, Flandern ihre Wechsel stets über die Cham¬
pagner Messen laufen ließen. Die Gründe, aus denen sich jedenfalls ein be¬
deutender Wechselverkehr auf den Messen konzentrirte, bedürfen keiner Dar¬
legung. Allein noch bei allen Autoren des 18. Jahrhunderts genießt der
Meßwechsel rechtlich keinerlei Auszeichnungen. Unter all den zahlreichen Mes¬
sen, die nach und nach in allen Ländern auftraten, -- Spätere nennen für
Spanien Medina, für Deutschland Frankfurt, für Flandern Brügge u. s. w.
-- und die für Handel und Wandel gewiß alle höchst wichtig waren, sind
es aber vorzugsweise die französischen Messen, auf denen, freilich nicht so¬
wohl durch die französischen, als durch die italienischen Geschäftsleute geför¬
dert, die eigentliche Weiterbildung des Wechsels zunächst von Statten ging.
Die Märkte der Champagne geriethen in Verfall. Seit Ende des 14. Jahr¬
hunderts gewann die Messe in Lyon, unter Karl dem Kühnen von Burgund
durch die damals an der Spitze des Geldhandels marschirenden Florentiner,
wie die Peruzzi, die Bardi, gestiftet, das Uebergewicht. Durch die Privi-
legien der französischen Könige und den Eifer der Florentiner, die noch 1548
daselbst 37 Bankhäuser besaßen, erhielt sich die Lyoner Messe das 16. Jahr¬
hundert hindurch auf ihrer vollen Höhe. Und damit erwuchs der Lyoner
Wechsel zu einer ganz besondern Bedeutung, zu einer eigenen Gattung, welche
die Aufmerksamkeit der Theologen und Juristen viel lebhafter erregte, als es
der Wechsel bis dahin irgend gethan hatte. Die Lyoner Messe war noch
Waarenmesse, blieb es auch dann noch als das Wechselgeschäft so sehr wuchs,
daß die Messe füglich zugleich schon als Wechselmesse bezeichnet werden konnte.
Die Vereinigung von Wechsel- und Waarenmarkt dauerte sogar bis zum


durchaus erforderlich. Die ersten Anfänge verlieren sich im Dunkel. Seit
dem 13. Jahrhundert blühten vor allen die Messen der Champagne, zu
Brie, dann auch die der Provence, zu Nismes und Beaucaire. Dort trafen
Periodisch Kaufleute aus allen Weltgegenden zusammen, um zu kaufen oder
zu verkaufen. Mit allerlei Vorrechten, Schutzmaßregeln und Gerichtseinrich¬
tungen suchten die Könige von Frankreich das Ansehen dieser Messen zu er¬
höhen. Darüber haben wir viele Dokumente aus dem 13. und 14. Jahr¬
hundert.

Natürlich richteten dort, wo sich die reichste Gelegenheit für ihr Gewerbe
bot, auch die Wechsler ihre Tische auf. Sie handelten mit Geld im Um¬
tausch, und besorgten nicht minder die Zahlungsanweisung und den Wechsel
von und nach der Messe zur Ersparung des reellen Transports. Ursprünglich
erschien das kaum als etwas besonderes. Der Wechselverkehr bewegte sich
ebenso gut zwischen andern Städten.

Indessen schon um 1340 bezeugt Pegoletti, daß die Florentiner im Ver¬
kehr mit Frankreich, England, Flandern ihre Wechsel stets über die Cham¬
pagner Messen laufen ließen. Die Gründe, aus denen sich jedenfalls ein be¬
deutender Wechselverkehr auf den Messen konzentrirte, bedürfen keiner Dar¬
legung. Allein noch bei allen Autoren des 18. Jahrhunderts genießt der
Meßwechsel rechtlich keinerlei Auszeichnungen. Unter all den zahlreichen Mes¬
sen, die nach und nach in allen Ländern auftraten, — Spätere nennen für
Spanien Medina, für Deutschland Frankfurt, für Flandern Brügge u. s. w.
— und die für Handel und Wandel gewiß alle höchst wichtig waren, sind
es aber vorzugsweise die französischen Messen, auf denen, freilich nicht so¬
wohl durch die französischen, als durch die italienischen Geschäftsleute geför¬
dert, die eigentliche Weiterbildung des Wechsels zunächst von Statten ging.
Die Märkte der Champagne geriethen in Verfall. Seit Ende des 14. Jahr¬
hunderts gewann die Messe in Lyon, unter Karl dem Kühnen von Burgund
durch die damals an der Spitze des Geldhandels marschirenden Florentiner,
wie die Peruzzi, die Bardi, gestiftet, das Uebergewicht. Durch die Privi-
legien der französischen Könige und den Eifer der Florentiner, die noch 1548
daselbst 37 Bankhäuser besaßen, erhielt sich die Lyoner Messe das 16. Jahr¬
hundert hindurch auf ihrer vollen Höhe. Und damit erwuchs der Lyoner
Wechsel zu einer ganz besondern Bedeutung, zu einer eigenen Gattung, welche
die Aufmerksamkeit der Theologen und Juristen viel lebhafter erregte, als es
der Wechsel bis dahin irgend gethan hatte. Die Lyoner Messe war noch
Waarenmesse, blieb es auch dann noch als das Wechselgeschäft so sehr wuchs,
daß die Messe füglich zugleich schon als Wechselmesse bezeichnet werden konnte.
Die Vereinigung von Wechsel- und Waarenmarkt dauerte sogar bis zum


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[0495] durchaus erforderlich. Die ersten Anfänge verlieren sich im Dunkel. Seit dem 13. Jahrhundert blühten vor allen die Messen der Champagne, zu Brie, dann auch die der Provence, zu Nismes und Beaucaire. Dort trafen Periodisch Kaufleute aus allen Weltgegenden zusammen, um zu kaufen oder zu verkaufen. Mit allerlei Vorrechten, Schutzmaßregeln und Gerichtseinrich¬ tungen suchten die Könige von Frankreich das Ansehen dieser Messen zu er¬ höhen. Darüber haben wir viele Dokumente aus dem 13. und 14. Jahr¬ hundert. Natürlich richteten dort, wo sich die reichste Gelegenheit für ihr Gewerbe bot, auch die Wechsler ihre Tische auf. Sie handelten mit Geld im Um¬ tausch, und besorgten nicht minder die Zahlungsanweisung und den Wechsel von und nach der Messe zur Ersparung des reellen Transports. Ursprünglich erschien das kaum als etwas besonderes. Der Wechselverkehr bewegte sich ebenso gut zwischen andern Städten. Indessen schon um 1340 bezeugt Pegoletti, daß die Florentiner im Ver¬ kehr mit Frankreich, England, Flandern ihre Wechsel stets über die Cham¬ pagner Messen laufen ließen. Die Gründe, aus denen sich jedenfalls ein be¬ deutender Wechselverkehr auf den Messen konzentrirte, bedürfen keiner Dar¬ legung. Allein noch bei allen Autoren des 18. Jahrhunderts genießt der Meßwechsel rechtlich keinerlei Auszeichnungen. Unter all den zahlreichen Mes¬ sen, die nach und nach in allen Ländern auftraten, — Spätere nennen für Spanien Medina, für Deutschland Frankfurt, für Flandern Brügge u. s. w. — und die für Handel und Wandel gewiß alle höchst wichtig waren, sind es aber vorzugsweise die französischen Messen, auf denen, freilich nicht so¬ wohl durch die französischen, als durch die italienischen Geschäftsleute geför¬ dert, die eigentliche Weiterbildung des Wechsels zunächst von Statten ging. Die Märkte der Champagne geriethen in Verfall. Seit Ende des 14. Jahr¬ hunderts gewann die Messe in Lyon, unter Karl dem Kühnen von Burgund durch die damals an der Spitze des Geldhandels marschirenden Florentiner, wie die Peruzzi, die Bardi, gestiftet, das Uebergewicht. Durch die Privi- legien der französischen Könige und den Eifer der Florentiner, die noch 1548 daselbst 37 Bankhäuser besaßen, erhielt sich die Lyoner Messe das 16. Jahr¬ hundert hindurch auf ihrer vollen Höhe. Und damit erwuchs der Lyoner Wechsel zu einer ganz besondern Bedeutung, zu einer eigenen Gattung, welche die Aufmerksamkeit der Theologen und Juristen viel lebhafter erregte, als es der Wechsel bis dahin irgend gethan hatte. Die Lyoner Messe war noch Waarenmesse, blieb es auch dann noch als das Wechselgeschäft so sehr wuchs, daß die Messe füglich zugleich schon als Wechselmesse bezeichnet werden konnte. Die Vereinigung von Wechsel- und Waarenmarkt dauerte sogar bis zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/495>, abgerufen am 24.08.2024.