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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Manco's an Feingehalt, oder nach Maßgabe der aus der Verschlechterung
sich ergebenden Preisverhältnisse der Waaren für ihn am vortheilhaftesten sei.
So erheischte der Verkehr zunächst, wenn wir bei dem gemünzten Geld stehen
bleiben, ein beständiges Um- und Eintauschen selbst des Metall-Geldes, und
dieser Umstand bot eine so günstige Gelegenheit, die Werthdifferenzen der vielen
Münzsorten zum Gegenstande gewinnreicher Spekulation zu machen, daß sich
schon daraus die große Bedeutung des Geldwechslergewerbes erklärt. Noch
mehr aber, wenn man die Lage dieses Geschäfts inmitten der Dinge, wie sie
nach dem Wucherdogma standen, in Berücksichtigung zieht.

Jenes Dogma verbot nicht etwa blos, wie die vulgäre Meinung glaubt,
Zinsen von Darlehn zu nehmen, sondern überhaupt aus Geld irgend welchen
Gewinn zu ziehen. Dieser kleine Satz, unserer Zeit der Zinsen, der Dividen¬
den, des Agios völlig unverständlich, schließt eine Philosophie der materiellen
Güter in sich, die, wenn auch von uns als irrig verworfen, doch in ihrer
Art, wer möchte das leugnen, großartig, konsequent, lange Zeit die gesammte
christliche Welt regiert, den socialen Zuständen, der Lehre des Rechts, der
Gesetzgebung ihren Stempel aufgedrückt hat. Das Geld sollte niemals Geld
erzeugen. Das Geld sollte nur als unabänderlicher Werthmesser, nur als
Preis dienen. Es konnte nimmermehr, wie noch den Juristen des Is. Jahr¬
hunderts unweigerlich fest Statut, als Waare gekauft werden. Von diesem
Punkte aus fragte sich sehr, ob das Gewerbe der Wechsler, ob der Profit,
den sie nahmen und nehmen mußten, erlaubt sei. Die Theologen und Ju¬
risten warfen ernste Bedenken auf. Allein, wenn auch nicht ohne große Sorge
um das Seelenheil der Wechsler, bequemte man sich doch, ihren Gewinn zu¬
zulassen. Sie waren einmal nicht zu entbehren. Und da es sein mußte, fand
schon die Scholastik, nie darum verlegen, das zu rechtfertigen, was sie recht¬
fertigen will, genügende Gründe. Man tröstete sich mit der Betrachtung,
daß der Wechsler das Geld nur vertausche, nicht verkaufe, und daß sein Profit
nicht aus dem Geld stamme, sondern aus seiner Aufwendung an Kosten der
Geschäftseinrichtung, seiner Mühe, seiner lohnwürdigen Arbeit. Inmitten
der Unfruchtbarkeit des Geldes zog man sonach ein Geschäft groß, in dem
dann doch, wie die Geschäftswelt sehr gut empfand, mit Geld recht schön
Geld verdient wurde. Erwägt man, was das heißen will, jeden Zins ver¬
bieten, jede nutzbringende Kapitalanlage mindestens zum Versteckenspielen
zwingen, aber doch ein einzelnes Geschäft, wie den Geldumtausch gestatten,
so ergibt sich nun vollends, welche Bedeutung dem Bankiergeschäft bei¬
wohnte.

Damit ist aber auch die Basis des Geschäfts durch Wechselbrief gewonnen.
Alle Schriftsteller des Is. Jahrhunderts bis zu Thomas de Vio, behandeln
den Wechsel nur im Zusammenhange mit dem Wucherverbot, nur um seiner


Manco's an Feingehalt, oder nach Maßgabe der aus der Verschlechterung
sich ergebenden Preisverhältnisse der Waaren für ihn am vortheilhaftesten sei.
So erheischte der Verkehr zunächst, wenn wir bei dem gemünzten Geld stehen
bleiben, ein beständiges Um- und Eintauschen selbst des Metall-Geldes, und
dieser Umstand bot eine so günstige Gelegenheit, die Werthdifferenzen der vielen
Münzsorten zum Gegenstande gewinnreicher Spekulation zu machen, daß sich
schon daraus die große Bedeutung des Geldwechslergewerbes erklärt. Noch
mehr aber, wenn man die Lage dieses Geschäfts inmitten der Dinge, wie sie
nach dem Wucherdogma standen, in Berücksichtigung zieht.

Jenes Dogma verbot nicht etwa blos, wie die vulgäre Meinung glaubt,
Zinsen von Darlehn zu nehmen, sondern überhaupt aus Geld irgend welchen
Gewinn zu ziehen. Dieser kleine Satz, unserer Zeit der Zinsen, der Dividen¬
den, des Agios völlig unverständlich, schließt eine Philosophie der materiellen
Güter in sich, die, wenn auch von uns als irrig verworfen, doch in ihrer
Art, wer möchte das leugnen, großartig, konsequent, lange Zeit die gesammte
christliche Welt regiert, den socialen Zuständen, der Lehre des Rechts, der
Gesetzgebung ihren Stempel aufgedrückt hat. Das Geld sollte niemals Geld
erzeugen. Das Geld sollte nur als unabänderlicher Werthmesser, nur als
Preis dienen. Es konnte nimmermehr, wie noch den Juristen des Is. Jahr¬
hunderts unweigerlich fest Statut, als Waare gekauft werden. Von diesem
Punkte aus fragte sich sehr, ob das Gewerbe der Wechsler, ob der Profit,
den sie nahmen und nehmen mußten, erlaubt sei. Die Theologen und Ju¬
risten warfen ernste Bedenken auf. Allein, wenn auch nicht ohne große Sorge
um das Seelenheil der Wechsler, bequemte man sich doch, ihren Gewinn zu¬
zulassen. Sie waren einmal nicht zu entbehren. Und da es sein mußte, fand
schon die Scholastik, nie darum verlegen, das zu rechtfertigen, was sie recht¬
fertigen will, genügende Gründe. Man tröstete sich mit der Betrachtung,
daß der Wechsler das Geld nur vertausche, nicht verkaufe, und daß sein Profit
nicht aus dem Geld stamme, sondern aus seiner Aufwendung an Kosten der
Geschäftseinrichtung, seiner Mühe, seiner lohnwürdigen Arbeit. Inmitten
der Unfruchtbarkeit des Geldes zog man sonach ein Geschäft groß, in dem
dann doch, wie die Geschäftswelt sehr gut empfand, mit Geld recht schön
Geld verdient wurde. Erwägt man, was das heißen will, jeden Zins ver¬
bieten, jede nutzbringende Kapitalanlage mindestens zum Versteckenspielen
zwingen, aber doch ein einzelnes Geschäft, wie den Geldumtausch gestatten,
so ergibt sich nun vollends, welche Bedeutung dem Bankiergeschäft bei¬
wohnte.

Damit ist aber auch die Basis des Geschäfts durch Wechselbrief gewonnen.
Alle Schriftsteller des Is. Jahrhunderts bis zu Thomas de Vio, behandeln
den Wechsel nur im Zusammenhange mit dem Wucherverbot, nur um seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/493>, abgerufen am 24.08.2024.