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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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welche Heinrich von Treitschke in den Preußischen Jahrbüchern, (Okto¬
ber, November und December 1872) aus seinen Studien im Berliner Archive
veröffentlicht hat. Der aufmerksame Leser wird sehen, wie weit daraus Mo¬
difikationen des Urtheiles über Ursprung und Anfänge des Zollvereines ge¬
folgert werden müssen. Wir können uns nicht versagen, wenigstens eine
Stelle hier zu citiren. "Mag der eine oder ändere von den Genannten (d. h.
die preußischen Staatsmänner, oder Nebenius, oder List oder die bayerische
Regierung) mehr oder weniger Verdienste in Anspruch nehmen können, soviel
scheint sicher, daß ohne das Zusammenwirken der Regierungen mit den Ge¬
lehrten und der öffentlichen Meinung und ohne das dringende Bedürfniß der
deutschen Natur zu einer wirthschaftlichen Einigung weder der Gedanke ent¬
standen noch seine Durchführung je möglich gewesen wäre. Aehnlich wie bei
der Errichtung des deutschen Reiches viele Kräfte zusammengewirkt haben, um
die schon lange in der Nation lebende Idee zur Ausführung zu bringen, so
möchte auch bei der Gründung des Zollvereines ein ausschließliches Recht aus
die Autorschaft keinem allein zuzusprechen sein, ehe weitere Beweise hierfür
vorliegen." Allerdings Treitschke hat heute schon die Controverse einen guten
Schritt der Lösung näher geführt; aber man bemerke wie nahe seine Meinung
sich schon mit der hier citirten Auffassung von Aufseß berührt. Auch Tr.
urtheilt: "die wirthschaftliche und die politische Einigung Deutschlands zeigen
eine überraschende Verwandtschaft in ihrer Geschichte". "Der Gedanke des
Zollvereines war nicht eines Mannes Eigenthum, er entstand gleichzeitig in
vielen Köpfen, unter dem Druck der Noth des Vaterlandes; daß der Gedanke
Fleisch und Blut gewann, war allein Preußens Werk, war das Verdienst
von Eichhorn, Motz und Maassen und nicht zuletzt das Verdienst des Königs."
Möge Aufseß bald in der Lage sein, in einer neuen Auflage seines Buches
aus Treitschke seine historische Einleitung zu vervollständigen und sein Urtheil
in der angedeuteten Richtung zu gestalten.

Der historische Theil ist nur ein kleiner Abschnitt des Buches: die Haupt¬
sache ist die Darlegung des heute geltenden Rechtes und der heutigen Ver¬
waltung. Umfang und Größe des deutschen Zollgebietes weist der Verfasser
statistisch nach; dann erörtert er die Hauptgrundsätze für Gesetzgebung und
Verwaltung der gemeinsamen Zölle und Gebrauchssteuern in einer klaren,
präcisen und eindringenden Darstellung. Die besonderen Vorschriften für
die einzelnen Branchen werden angefügt. Auch die Verwaltungsorganisation,
Competenzen und Maximen der einzelnen Behörden, das sehr complicirte Ab"
rechnungswesen, die von Reichswegen angeordnete Controle des Ganzen wer¬
den beleuchtet, Grund und Zweck des einzelnen sehr überzeugend dargethan.
Der Schluß macht eine Uebersicht über die noch in Kraft stehenden Zölle,
Handels- und Schifffahrtsverträge Deutschlands mit dem Auslande. Ueber-


welche Heinrich von Treitschke in den Preußischen Jahrbüchern, (Okto¬
ber, November und December 1872) aus seinen Studien im Berliner Archive
veröffentlicht hat. Der aufmerksame Leser wird sehen, wie weit daraus Mo¬
difikationen des Urtheiles über Ursprung und Anfänge des Zollvereines ge¬
folgert werden müssen. Wir können uns nicht versagen, wenigstens eine
Stelle hier zu citiren. „Mag der eine oder ändere von den Genannten (d. h.
die preußischen Staatsmänner, oder Nebenius, oder List oder die bayerische
Regierung) mehr oder weniger Verdienste in Anspruch nehmen können, soviel
scheint sicher, daß ohne das Zusammenwirken der Regierungen mit den Ge¬
lehrten und der öffentlichen Meinung und ohne das dringende Bedürfniß der
deutschen Natur zu einer wirthschaftlichen Einigung weder der Gedanke ent¬
standen noch seine Durchführung je möglich gewesen wäre. Aehnlich wie bei
der Errichtung des deutschen Reiches viele Kräfte zusammengewirkt haben, um
die schon lange in der Nation lebende Idee zur Ausführung zu bringen, so
möchte auch bei der Gründung des Zollvereines ein ausschließliches Recht aus
die Autorschaft keinem allein zuzusprechen sein, ehe weitere Beweise hierfür
vorliegen." Allerdings Treitschke hat heute schon die Controverse einen guten
Schritt der Lösung näher geführt; aber man bemerke wie nahe seine Meinung
sich schon mit der hier citirten Auffassung von Aufseß berührt. Auch Tr.
urtheilt: „die wirthschaftliche und die politische Einigung Deutschlands zeigen
eine überraschende Verwandtschaft in ihrer Geschichte". „Der Gedanke des
Zollvereines war nicht eines Mannes Eigenthum, er entstand gleichzeitig in
vielen Köpfen, unter dem Druck der Noth des Vaterlandes; daß der Gedanke
Fleisch und Blut gewann, war allein Preußens Werk, war das Verdienst
von Eichhorn, Motz und Maassen und nicht zuletzt das Verdienst des Königs."
Möge Aufseß bald in der Lage sein, in einer neuen Auflage seines Buches
aus Treitschke seine historische Einleitung zu vervollständigen und sein Urtheil
in der angedeuteten Richtung zu gestalten.

Der historische Theil ist nur ein kleiner Abschnitt des Buches: die Haupt¬
sache ist die Darlegung des heute geltenden Rechtes und der heutigen Ver¬
waltung. Umfang und Größe des deutschen Zollgebietes weist der Verfasser
statistisch nach; dann erörtert er die Hauptgrundsätze für Gesetzgebung und
Verwaltung der gemeinsamen Zölle und Gebrauchssteuern in einer klaren,
präcisen und eindringenden Darstellung. Die besonderen Vorschriften für
die einzelnen Branchen werden angefügt. Auch die Verwaltungsorganisation,
Competenzen und Maximen der einzelnen Behörden, das sehr complicirte Ab»
rechnungswesen, die von Reichswegen angeordnete Controle des Ganzen wer¬
den beleuchtet, Grund und Zweck des einzelnen sehr überzeugend dargethan.
Der Schluß macht eine Uebersicht über die noch in Kraft stehenden Zölle,
Handels- und Schifffahrtsverträge Deutschlands mit dem Auslande. Ueber-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/474>, abgerufen am 24.08.2024.