Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bethätigung am öffentlichen Leben und machte Propaganda für dessen Ein¬
führung in den Landtag. Auch hier ward nach den ersten Versuchen das Eis
gebrochen. Bereits 1864 ward Laster als Candtdat zum Abgeordnetenhause
von seinen Freunden vorgeschlagen, zog sich aber, als darüber Meinungsver¬
schiedenheit in der damaligen Fortschrittsparthei entstand, freiwillig zurück.
Im Januar 186S im 4. Berliner Wahlbezirk von Neuem aufgestellt, wurde
er daselbst gewählt und griff noch in die, vor seinem Eintritts in's Haus be¬
gonnene, große Budgetdebatte der Confliktszeit ein. Seine erste Rede fiel in
eine übermüdete, präokkupirte Versammlung und der Neuling machte damit
kein Glück. Selbst noch unklar über seinen Beruf als Redner, nahm er sich
vor, den nächsten Versuch nur in dringlichen Fall und möglichst knapper
Weise zu machen. Aber schon die zweite Rede -- irren wir nicht am selben
Tage, an dem Tochter seine berühmte Rede gegen den Justizminister hielt,
war von namhaften Erfolg begleitet. Von jener Zeit datirte namentlich
seine enge Freundschaft mit Tochter, der -- trotz mancher Verschiedenheit
der Charactere und Anschauungen -- von allen Politikern der Gegenwart
am meisten Geistesverwandtschaft mit ihm hatte. Die Rede, welche Laster
auf Tochter's Grab gehalten hat, ist ein Meisterstück edler Eloquenz und
männlicher Seelenstärke.

Drei Dinge müssen dem Menschen gegeben sein, der zu großen Leistungen
befähigt sein soll: Gesundheit, Fleiß, Character. Was ohne den Besitz
dieser kostbaren Dreieinigkeit erreicht werden kann, ist zum Glück nicht wenig,
aber es bleibt immer Stückwerk. Zum ganzen Mann ist dieser Dreibund
der Gaben nicht zu missen. Ernst das Geheimniß, aus dem die Leistungen
und Erfolge des gefeierten Mannes zu erklären sind. Ohne sie würde selbst
sein eminenter Geist -- die stillschweigende Voraussetzung jeder eminenten --
Thätigkeit, nicht ihn zur Stellung des great eommouör's Preußens und
Deutschlands befähigt haben. Wenn wir Andern aufstehen, hat der "kleine
Laster" schon mehr gearbeitet, als wir den Tag über bewältigen. An seiner
frugalen Lebensweise, an seiner heimlichen Scheu vor weltlichen Vortheilen
ist Eines besonders noch anzuerkennen. Das ist, daß ihm durchaus nicht der
Sinn für die ästhetischen Verfeinerungen des Lebens fehlt. Ein ausgezeichneter
Gesellschafter, ein sachverständiger Gast an der Tafel, den große parlamenta¬
rische Autoritäten für einen Kenner in Rothwein erklären, ein musikalischer
Enthusiast, ein Goethe- und Shakespearverehrer der strengsten Observanz und
vor Allem ein Naturfreund. Fußwanderer und Bergsteiger, der seines Gleichen
sucht, liebenswürdig, menschenfreundlich, zutrauensvoll in einem Grade, der
nur bei seiner ungewöhnlichen dafür idealistischen Grundanlage möglich bleibt
-- dies und manches Andre, das wir übergehen, -- zähle man zu den großen
Eigenschaften des Politikers und Redners hinzu und man wird zugeben, daß


Bethätigung am öffentlichen Leben und machte Propaganda für dessen Ein¬
führung in den Landtag. Auch hier ward nach den ersten Versuchen das Eis
gebrochen. Bereits 1864 ward Laster als Candtdat zum Abgeordnetenhause
von seinen Freunden vorgeschlagen, zog sich aber, als darüber Meinungsver¬
schiedenheit in der damaligen Fortschrittsparthei entstand, freiwillig zurück.
Im Januar 186S im 4. Berliner Wahlbezirk von Neuem aufgestellt, wurde
er daselbst gewählt und griff noch in die, vor seinem Eintritts in's Haus be¬
gonnene, große Budgetdebatte der Confliktszeit ein. Seine erste Rede fiel in
eine übermüdete, präokkupirte Versammlung und der Neuling machte damit
kein Glück. Selbst noch unklar über seinen Beruf als Redner, nahm er sich
vor, den nächsten Versuch nur in dringlichen Fall und möglichst knapper
Weise zu machen. Aber schon die zweite Rede — irren wir nicht am selben
Tage, an dem Tochter seine berühmte Rede gegen den Justizminister hielt,
war von namhaften Erfolg begleitet. Von jener Zeit datirte namentlich
seine enge Freundschaft mit Tochter, der — trotz mancher Verschiedenheit
der Charactere und Anschauungen — von allen Politikern der Gegenwart
am meisten Geistesverwandtschaft mit ihm hatte. Die Rede, welche Laster
auf Tochter's Grab gehalten hat, ist ein Meisterstück edler Eloquenz und
männlicher Seelenstärke.

Drei Dinge müssen dem Menschen gegeben sein, der zu großen Leistungen
befähigt sein soll: Gesundheit, Fleiß, Character. Was ohne den Besitz
dieser kostbaren Dreieinigkeit erreicht werden kann, ist zum Glück nicht wenig,
aber es bleibt immer Stückwerk. Zum ganzen Mann ist dieser Dreibund
der Gaben nicht zu missen. Ernst das Geheimniß, aus dem die Leistungen
und Erfolge des gefeierten Mannes zu erklären sind. Ohne sie würde selbst
sein eminenter Geist — die stillschweigende Voraussetzung jeder eminenten —
Thätigkeit, nicht ihn zur Stellung des great eommouör's Preußens und
Deutschlands befähigt haben. Wenn wir Andern aufstehen, hat der „kleine
Laster" schon mehr gearbeitet, als wir den Tag über bewältigen. An seiner
frugalen Lebensweise, an seiner heimlichen Scheu vor weltlichen Vortheilen
ist Eines besonders noch anzuerkennen. Das ist, daß ihm durchaus nicht der
Sinn für die ästhetischen Verfeinerungen des Lebens fehlt. Ein ausgezeichneter
Gesellschafter, ein sachverständiger Gast an der Tafel, den große parlamenta¬
rische Autoritäten für einen Kenner in Rothwein erklären, ein musikalischer
Enthusiast, ein Goethe- und Shakespearverehrer der strengsten Observanz und
vor Allem ein Naturfreund. Fußwanderer und Bergsteiger, der seines Gleichen
sucht, liebenswürdig, menschenfreundlich, zutrauensvoll in einem Grade, der
nur bei seiner ungewöhnlichen dafür idealistischen Grundanlage möglich bleibt
— dies und manches Andre, das wir übergehen, — zähle man zu den großen
Eigenschaften des Politikers und Redners hinzu und man wird zugeben, daß


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129444"/>
            <p xml:id="ID_1441" prev="#ID_1440"> Bethätigung am öffentlichen Leben und machte Propaganda für dessen Ein¬<lb/>
führung in den Landtag. Auch hier ward nach den ersten Versuchen das Eis<lb/>
gebrochen. Bereits 1864 ward Laster als Candtdat zum Abgeordnetenhause<lb/>
von seinen Freunden vorgeschlagen, zog sich aber, als darüber Meinungsver¬<lb/>
schiedenheit in der damaligen Fortschrittsparthei entstand, freiwillig zurück.<lb/>
Im Januar 186S im 4. Berliner Wahlbezirk von Neuem aufgestellt, wurde<lb/>
er daselbst gewählt und griff noch in die, vor seinem Eintritts in's Haus be¬<lb/>
gonnene, große Budgetdebatte der Confliktszeit ein. Seine erste Rede fiel in<lb/>
eine übermüdete, präokkupirte Versammlung und der Neuling machte damit<lb/>
kein Glück. Selbst noch unklar über seinen Beruf als Redner, nahm er sich<lb/>
vor, den nächsten Versuch nur in dringlichen Fall und möglichst knapper<lb/>
Weise zu machen. Aber schon die zweite Rede &#x2014; irren wir nicht am selben<lb/>
Tage, an dem Tochter seine berühmte Rede gegen den Justizminister hielt,<lb/>
war von namhaften Erfolg begleitet. Von jener Zeit datirte namentlich<lb/>
seine enge Freundschaft mit Tochter, der &#x2014; trotz mancher Verschiedenheit<lb/>
der Charactere und Anschauungen &#x2014; von allen Politikern der Gegenwart<lb/>
am meisten Geistesverwandtschaft mit ihm hatte. Die Rede, welche Laster<lb/>
auf Tochter's Grab gehalten hat, ist ein Meisterstück edler Eloquenz und<lb/>
männlicher Seelenstärke.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1442" next="#ID_1443"> Drei Dinge müssen dem Menschen gegeben sein, der zu großen Leistungen<lb/>
befähigt sein soll: Gesundheit, Fleiß, Character. Was ohne den Besitz<lb/>
dieser kostbaren Dreieinigkeit erreicht werden kann, ist zum Glück nicht wenig,<lb/>
aber es bleibt immer Stückwerk. Zum ganzen Mann ist dieser Dreibund<lb/>
der Gaben nicht zu missen. Ernst das Geheimniß, aus dem die Leistungen<lb/>
und Erfolge des gefeierten Mannes zu erklären sind. Ohne sie würde selbst<lb/>
sein eminenter Geist &#x2014; die stillschweigende Voraussetzung jeder eminenten &#x2014;<lb/>
Thätigkeit, nicht ihn zur Stellung des great eommouör's Preußens und<lb/>
Deutschlands befähigt haben. Wenn wir Andern aufstehen, hat der &#x201E;kleine<lb/>
Laster" schon mehr gearbeitet, als wir den Tag über bewältigen. An seiner<lb/>
frugalen Lebensweise, an seiner heimlichen Scheu vor weltlichen Vortheilen<lb/>
ist Eines besonders noch anzuerkennen. Das ist, daß ihm durchaus nicht der<lb/>
Sinn für die ästhetischen Verfeinerungen des Lebens fehlt. Ein ausgezeichneter<lb/>
Gesellschafter, ein sachverständiger Gast an der Tafel, den große parlamenta¬<lb/>
rische Autoritäten für einen Kenner in Rothwein erklären, ein musikalischer<lb/>
Enthusiast, ein Goethe- und Shakespearverehrer der strengsten Observanz und<lb/>
vor Allem ein Naturfreund. Fußwanderer und Bergsteiger, der seines Gleichen<lb/>
sucht, liebenswürdig, menschenfreundlich, zutrauensvoll in einem Grade, der<lb/>
nur bei seiner ungewöhnlichen dafür idealistischen Grundanlage möglich bleibt<lb/>
&#x2014; dies und manches Andre, das wir übergehen, &#x2014; zähle man zu den großen<lb/>
Eigenschaften des Politikers und Redners hinzu und man wird zugeben, daß</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0452] Bethätigung am öffentlichen Leben und machte Propaganda für dessen Ein¬ führung in den Landtag. Auch hier ward nach den ersten Versuchen das Eis gebrochen. Bereits 1864 ward Laster als Candtdat zum Abgeordnetenhause von seinen Freunden vorgeschlagen, zog sich aber, als darüber Meinungsver¬ schiedenheit in der damaligen Fortschrittsparthei entstand, freiwillig zurück. Im Januar 186S im 4. Berliner Wahlbezirk von Neuem aufgestellt, wurde er daselbst gewählt und griff noch in die, vor seinem Eintritts in's Haus be¬ gonnene, große Budgetdebatte der Confliktszeit ein. Seine erste Rede fiel in eine übermüdete, präokkupirte Versammlung und der Neuling machte damit kein Glück. Selbst noch unklar über seinen Beruf als Redner, nahm er sich vor, den nächsten Versuch nur in dringlichen Fall und möglichst knapper Weise zu machen. Aber schon die zweite Rede — irren wir nicht am selben Tage, an dem Tochter seine berühmte Rede gegen den Justizminister hielt, war von namhaften Erfolg begleitet. Von jener Zeit datirte namentlich seine enge Freundschaft mit Tochter, der — trotz mancher Verschiedenheit der Charactere und Anschauungen — von allen Politikern der Gegenwart am meisten Geistesverwandtschaft mit ihm hatte. Die Rede, welche Laster auf Tochter's Grab gehalten hat, ist ein Meisterstück edler Eloquenz und männlicher Seelenstärke. Drei Dinge müssen dem Menschen gegeben sein, der zu großen Leistungen befähigt sein soll: Gesundheit, Fleiß, Character. Was ohne den Besitz dieser kostbaren Dreieinigkeit erreicht werden kann, ist zum Glück nicht wenig, aber es bleibt immer Stückwerk. Zum ganzen Mann ist dieser Dreibund der Gaben nicht zu missen. Ernst das Geheimniß, aus dem die Leistungen und Erfolge des gefeierten Mannes zu erklären sind. Ohne sie würde selbst sein eminenter Geist — die stillschweigende Voraussetzung jeder eminenten — Thätigkeit, nicht ihn zur Stellung des great eommouör's Preußens und Deutschlands befähigt haben. Wenn wir Andern aufstehen, hat der „kleine Laster" schon mehr gearbeitet, als wir den Tag über bewältigen. An seiner frugalen Lebensweise, an seiner heimlichen Scheu vor weltlichen Vortheilen ist Eines besonders noch anzuerkennen. Das ist, daß ihm durchaus nicht der Sinn für die ästhetischen Verfeinerungen des Lebens fehlt. Ein ausgezeichneter Gesellschafter, ein sachverständiger Gast an der Tafel, den große parlamenta¬ rische Autoritäten für einen Kenner in Rothwein erklären, ein musikalischer Enthusiast, ein Goethe- und Shakespearverehrer der strengsten Observanz und vor Allem ein Naturfreund. Fußwanderer und Bergsteiger, der seines Gleichen sucht, liebenswürdig, menschenfreundlich, zutrauensvoll in einem Grade, der nur bei seiner ungewöhnlichen dafür idealistischen Grundanlage möglich bleibt — dies und manches Andre, das wir übergehen, — zähle man zu den großen Eigenschaften des Politikers und Redners hinzu und man wird zugeben, daß

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/452
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/452>, abgerufen am 25.08.2024.