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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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heißesten Gefechte jener Tage die kriegerische Feuertaufe. Graf Roon ließ
sich wohl nicht ahnen, daß er das Militärstrafgesetz mit einem Gegner, der
Pulver gerochen, debattirte. Unser Combattant stand damals unter Robert
Blum -- und nur aus dem, was er zuweilen von der bewundernswerthen
Tapferkeit des Anführers erzählte, haben Freunde errathen, daß er selbst da¬
bei gewesen. Nach dem Sieg der Kaiserlichen verließ natürlich der Studiosus
Laster auch die Wiener Hochschule, aber nicht ohne Ueberwindung der größten
Schwierigkeiten und Mühsale. Es waren harte prüfungsvolle Tage für Alle,
welche an den Hoffnungen, Aufregungen, Kämpfen des Jahres 1848 Theil
genommen hatten. Aus der Wirre der Zeiten stieg unserem Jüngling charac-
teristischer Weise der Entschluß auf, sich dem Studium zu widmen, das so
einflußreich auf sein Leben werden sollte. Der Conflikt des Hin- und Her-
wogens der Grundlagen der Gesellschaft und des Staates gab ihm den Ge¬
danken ein, sich einen Compaß durch die aufgewühlte Wuth des öffentlichen
Lebens zu suchen, und er beschloß, das Studium der Rechte zu ergreifen,
um das Rechte zu erkennen. So erwuchs auch hier der Mann wieder ganz
aus sich selbst und seinen innersten sittlichen Bedürfnissen. In zweijährigen
Arbeiten in Breslau und Berlin absolvirte er die neue Disciplin, und trat
dann die lange Geduldprobe der damaligen Juristenlaufbahn an. Wo immer
er als unbesoldeter Hilfsarbeiter hingewiesen wurde -- und er blieb es über
ein halbes Menschenalter, bis er vor wenigen Jahren Rechtsanwalt in xar-
tibus inMölium wurde, -- brach sich bald die ungewöhnlichste Fähigkeit,
Arbeitskraft und Pflichttreue ihre Bahn und wurde mit Zuertheilung der
schwierigsten und langwierigsten Arbeiten von den Vorgesetzten belohnt, die
sich die Erleichterung und die anonyme Mitarbeiterschaft weidlich schmecken
ließen. Aus dem Schüler, der Arzt werden wollte, war ein Mathematiker,
aus dem Mathematiker ein Jurist geworden, aus dem Juristen ein praktischer
Beamter; der Fond war und blieb ein Gelehrter, dem das Studium der
strengen Wissenschaft, wie der Verkehr mit den Größen unsrer klassischen
Literatur und des Alterthums als die schönste Seite des Lebens erschien. Noch
dachte er kaum wieder an Politik. Da führte ihn ein Zufall mit dem Her¬
ausgeber der Deutschen Jahrbücher zusammen, H. B. Oppenheim, der mit
Kennerblick, nach einem rasch in die Vertiefung gelangten Gespräch, den un¬
gewöhnlich scharfen ernsten und fachlich disziplinirten Verstand erkannte. Aus
dieser Begegnung entspann sich eins intimere Beziehung und Mitarbeiterschaft.
In den Jahrbüchern erschienen Lasters erste Arbeiten über Fragen der preu¬
ßischen Verfassung und Verwaltung, welche sofort die Aufmerksamkeit der
Fachleute auf den damals Unbekannten lenkten. Das war so in den Jahren
1862 bis 1864. Dr. Oppenheim, welcher, wie man scherzhafter Weise sagt,
den Politiker und Publizisten Laster "erfunden" hatte, trieb ihn auch zur


heißesten Gefechte jener Tage die kriegerische Feuertaufe. Graf Roon ließ
sich wohl nicht ahnen, daß er das Militärstrafgesetz mit einem Gegner, der
Pulver gerochen, debattirte. Unser Combattant stand damals unter Robert
Blum — und nur aus dem, was er zuweilen von der bewundernswerthen
Tapferkeit des Anführers erzählte, haben Freunde errathen, daß er selbst da¬
bei gewesen. Nach dem Sieg der Kaiserlichen verließ natürlich der Studiosus
Laster auch die Wiener Hochschule, aber nicht ohne Ueberwindung der größten
Schwierigkeiten und Mühsale. Es waren harte prüfungsvolle Tage für Alle,
welche an den Hoffnungen, Aufregungen, Kämpfen des Jahres 1848 Theil
genommen hatten. Aus der Wirre der Zeiten stieg unserem Jüngling charac-
teristischer Weise der Entschluß auf, sich dem Studium zu widmen, das so
einflußreich auf sein Leben werden sollte. Der Conflikt des Hin- und Her-
wogens der Grundlagen der Gesellschaft und des Staates gab ihm den Ge¬
danken ein, sich einen Compaß durch die aufgewühlte Wuth des öffentlichen
Lebens zu suchen, und er beschloß, das Studium der Rechte zu ergreifen,
um das Rechte zu erkennen. So erwuchs auch hier der Mann wieder ganz
aus sich selbst und seinen innersten sittlichen Bedürfnissen. In zweijährigen
Arbeiten in Breslau und Berlin absolvirte er die neue Disciplin, und trat
dann die lange Geduldprobe der damaligen Juristenlaufbahn an. Wo immer
er als unbesoldeter Hilfsarbeiter hingewiesen wurde — und er blieb es über
ein halbes Menschenalter, bis er vor wenigen Jahren Rechtsanwalt in xar-
tibus inMölium wurde, — brach sich bald die ungewöhnlichste Fähigkeit,
Arbeitskraft und Pflichttreue ihre Bahn und wurde mit Zuertheilung der
schwierigsten und langwierigsten Arbeiten von den Vorgesetzten belohnt, die
sich die Erleichterung und die anonyme Mitarbeiterschaft weidlich schmecken
ließen. Aus dem Schüler, der Arzt werden wollte, war ein Mathematiker,
aus dem Mathematiker ein Jurist geworden, aus dem Juristen ein praktischer
Beamter; der Fond war und blieb ein Gelehrter, dem das Studium der
strengen Wissenschaft, wie der Verkehr mit den Größen unsrer klassischen
Literatur und des Alterthums als die schönste Seite des Lebens erschien. Noch
dachte er kaum wieder an Politik. Da führte ihn ein Zufall mit dem Her¬
ausgeber der Deutschen Jahrbücher zusammen, H. B. Oppenheim, der mit
Kennerblick, nach einem rasch in die Vertiefung gelangten Gespräch, den un¬
gewöhnlich scharfen ernsten und fachlich disziplinirten Verstand erkannte. Aus
dieser Begegnung entspann sich eins intimere Beziehung und Mitarbeiterschaft.
In den Jahrbüchern erschienen Lasters erste Arbeiten über Fragen der preu¬
ßischen Verfassung und Verwaltung, welche sofort die Aufmerksamkeit der
Fachleute auf den damals Unbekannten lenkten. Das war so in den Jahren
1862 bis 1864. Dr. Oppenheim, welcher, wie man scherzhafter Weise sagt,
den Politiker und Publizisten Laster „erfunden" hatte, trieb ihn auch zur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/451>, abgerufen am 22.07.2024.