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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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man in vielen Fällen selbst die Farben zu sehen glaubt, herzustellen. Den
Anfang in dieser Art machten die Xylographen, welche die Zeichnungen des
genialen Gustav Dore' schnitten. Die Illustrationen dieses Künstlers zum
Don Quixote, zu Dante, zur Bibel :e. leisteten in dieser Beziehung bis dahin
für unmöglich Gehaltenes. Diese Holzschnitte sind von der Wirkung vollen¬
deter Oelgemälde. Die malerische Haltung und die künstlerische Stimmung
sind mit unübertrefflicher Meisterschaft behandelt. Und dieser hohen technischen
Vollendung des Holzschnittes verdanken die Dorischen Illustrationen wohl
mit ihren großen Ruf. -- Deutsche Buchhändler machten sie dem deutschen
Publicum zugänglich. Dadurch wurden die Ansprüche, welche man an den
Holzschnitt glaubte stellen zu dürfen, wesentlich gesteigert. Deutsche Künstler
studirten die französischen Arbeiten, lernten viel von ihnen und strebten in
wohlberechtigten Ehrgeiz darnach, es den Franzosen gleich zu thun. Und es
ist ihnen gelungen, womöglich sie zu übertreffen. Wir besitzen jetzt eine An¬
zahl xylographischer Arbeiten, welche die Vorzüge des deutschen Künstlers,
Gründlichkeit und Solidität der Zeichnung, mit jener wunderbaren malerischen
Wirkung der französischen Arbeiten verbinden. Wir besitzen feine Stimmungs¬
bilder, welche den bessern Maler-Radirungen gleichstehen, ja in mancher Be¬
ziehung ihnen noch vorzuziehen sind.

Es wird in unsern Tagen auf diesem Gebiete sehr viel Vortreffliches ge¬
leistet. Der große Bedarf von Holzschnitten für die vielen illustrirten Zeit¬
schriften, deren im Allgemeinen beste wohl noch immer das Pariser UgMin
pittoresyue enthalten dürfte, die noch immer im Steigen begriffene Production
von illustrirten Werken aller Art, wissenschaftlichen sowohl als solchen, welche
nur der Unterhaltung dienen, haben eine große Holzschneideschule geschaffen,
deren Jünger unzählbar sind. Allen Andern voran steht aber wohl der
Xylograph Ad. Cloß in Stuttgart mit seinen trefflich geschulten Gehülfen,
aus dessen Atelier schon eine sehr große Anzahl Meisterwerke ersten Ranges
hervorgegangen sind. Hier möge nur auf einige größere Folgen hingewiesen
werden, welche das -- so wett mir bekannt -- Beste enthalten.

G. Cloß "Natur und Dichtung" (Verlag von Paul Reff in Stutt¬
gart) besteht aus 27 größern und kleinern landschaftlichen Bildern von
Gustav Cloß zu bekannten Gedichten von Eichendorff, Uhland, Lenau, Goethe.
Scheffel, Kinkel, Rückert, Geibel:e. Es sind freie Compositionen, welche in ihrer
Stimmung mit den entsprechenden Gedichten Harmoniren. Sie gehören wohl
zu den poesievollsten Bildern der Art, welche je geschaffen worden sind und
sind mit einer Vollendung der Technik in Holz geschnitten, welche an das Un¬
glaubliche streift.

Aus gleicher Stufe der künstlerischen und technischen Vollendung stehen


man in vielen Fällen selbst die Farben zu sehen glaubt, herzustellen. Den
Anfang in dieser Art machten die Xylographen, welche die Zeichnungen des
genialen Gustav Dore' schnitten. Die Illustrationen dieses Künstlers zum
Don Quixote, zu Dante, zur Bibel :e. leisteten in dieser Beziehung bis dahin
für unmöglich Gehaltenes. Diese Holzschnitte sind von der Wirkung vollen¬
deter Oelgemälde. Die malerische Haltung und die künstlerische Stimmung
sind mit unübertrefflicher Meisterschaft behandelt. Und dieser hohen technischen
Vollendung des Holzschnittes verdanken die Dorischen Illustrationen wohl
mit ihren großen Ruf. — Deutsche Buchhändler machten sie dem deutschen
Publicum zugänglich. Dadurch wurden die Ansprüche, welche man an den
Holzschnitt glaubte stellen zu dürfen, wesentlich gesteigert. Deutsche Künstler
studirten die französischen Arbeiten, lernten viel von ihnen und strebten in
wohlberechtigten Ehrgeiz darnach, es den Franzosen gleich zu thun. Und es
ist ihnen gelungen, womöglich sie zu übertreffen. Wir besitzen jetzt eine An¬
zahl xylographischer Arbeiten, welche die Vorzüge des deutschen Künstlers,
Gründlichkeit und Solidität der Zeichnung, mit jener wunderbaren malerischen
Wirkung der französischen Arbeiten verbinden. Wir besitzen feine Stimmungs¬
bilder, welche den bessern Maler-Radirungen gleichstehen, ja in mancher Be¬
ziehung ihnen noch vorzuziehen sind.

Es wird in unsern Tagen auf diesem Gebiete sehr viel Vortreffliches ge¬
leistet. Der große Bedarf von Holzschnitten für die vielen illustrirten Zeit¬
schriften, deren im Allgemeinen beste wohl noch immer das Pariser UgMin
pittoresyue enthalten dürfte, die noch immer im Steigen begriffene Production
von illustrirten Werken aller Art, wissenschaftlichen sowohl als solchen, welche
nur der Unterhaltung dienen, haben eine große Holzschneideschule geschaffen,
deren Jünger unzählbar sind. Allen Andern voran steht aber wohl der
Xylograph Ad. Cloß in Stuttgart mit seinen trefflich geschulten Gehülfen,
aus dessen Atelier schon eine sehr große Anzahl Meisterwerke ersten Ranges
hervorgegangen sind. Hier möge nur auf einige größere Folgen hingewiesen
werden, welche das — so wett mir bekannt — Beste enthalten.

G. Cloß „Natur und Dichtung" (Verlag von Paul Reff in Stutt¬
gart) besteht aus 27 größern und kleinern landschaftlichen Bildern von
Gustav Cloß zu bekannten Gedichten von Eichendorff, Uhland, Lenau, Goethe.
Scheffel, Kinkel, Rückert, Geibel:e. Es sind freie Compositionen, welche in ihrer
Stimmung mit den entsprechenden Gedichten Harmoniren. Sie gehören wohl
zu den poesievollsten Bildern der Art, welche je geschaffen worden sind und
sind mit einer Vollendung der Technik in Holz geschnitten, welche an das Un¬
glaubliche streift.

Aus gleicher Stufe der künstlerischen und technischen Vollendung stehen


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[0421] man in vielen Fällen selbst die Farben zu sehen glaubt, herzustellen. Den Anfang in dieser Art machten die Xylographen, welche die Zeichnungen des genialen Gustav Dore' schnitten. Die Illustrationen dieses Künstlers zum Don Quixote, zu Dante, zur Bibel :e. leisteten in dieser Beziehung bis dahin für unmöglich Gehaltenes. Diese Holzschnitte sind von der Wirkung vollen¬ deter Oelgemälde. Die malerische Haltung und die künstlerische Stimmung sind mit unübertrefflicher Meisterschaft behandelt. Und dieser hohen technischen Vollendung des Holzschnittes verdanken die Dorischen Illustrationen wohl mit ihren großen Ruf. — Deutsche Buchhändler machten sie dem deutschen Publicum zugänglich. Dadurch wurden die Ansprüche, welche man an den Holzschnitt glaubte stellen zu dürfen, wesentlich gesteigert. Deutsche Künstler studirten die französischen Arbeiten, lernten viel von ihnen und strebten in wohlberechtigten Ehrgeiz darnach, es den Franzosen gleich zu thun. Und es ist ihnen gelungen, womöglich sie zu übertreffen. Wir besitzen jetzt eine An¬ zahl xylographischer Arbeiten, welche die Vorzüge des deutschen Künstlers, Gründlichkeit und Solidität der Zeichnung, mit jener wunderbaren malerischen Wirkung der französischen Arbeiten verbinden. Wir besitzen feine Stimmungs¬ bilder, welche den bessern Maler-Radirungen gleichstehen, ja in mancher Be¬ ziehung ihnen noch vorzuziehen sind. Es wird in unsern Tagen auf diesem Gebiete sehr viel Vortreffliches ge¬ leistet. Der große Bedarf von Holzschnitten für die vielen illustrirten Zeit¬ schriften, deren im Allgemeinen beste wohl noch immer das Pariser UgMin pittoresyue enthalten dürfte, die noch immer im Steigen begriffene Production von illustrirten Werken aller Art, wissenschaftlichen sowohl als solchen, welche nur der Unterhaltung dienen, haben eine große Holzschneideschule geschaffen, deren Jünger unzählbar sind. Allen Andern voran steht aber wohl der Xylograph Ad. Cloß in Stuttgart mit seinen trefflich geschulten Gehülfen, aus dessen Atelier schon eine sehr große Anzahl Meisterwerke ersten Ranges hervorgegangen sind. Hier möge nur auf einige größere Folgen hingewiesen werden, welche das — so wett mir bekannt — Beste enthalten. G. Cloß „Natur und Dichtung" (Verlag von Paul Reff in Stutt¬ gart) besteht aus 27 größern und kleinern landschaftlichen Bildern von Gustav Cloß zu bekannten Gedichten von Eichendorff, Uhland, Lenau, Goethe. Scheffel, Kinkel, Rückert, Geibel:e. Es sind freie Compositionen, welche in ihrer Stimmung mit den entsprechenden Gedichten Harmoniren. Sie gehören wohl zu den poesievollsten Bildern der Art, welche je geschaffen worden sind und sind mit einer Vollendung der Technik in Holz geschnitten, welche an das Un¬ glaubliche streift. Aus gleicher Stufe der künstlerischen und technischen Vollendung stehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/421>, abgerufen am 24.08.2024.