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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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könnte dann von Allen, welche ihre Unterschrift verweigerten, allerdings mit
Recht sagen, daß sie sich für unversöhnliche Feinde des Reichs erklärt hätten.

Uebrigens wäre es keineswegs ein Ding der Unmöglichkeit, daß das di-
rigirende Element eines großen Theils der elsaß-lothringischen Bevölkerung,
der Ultramontanismus, allen Besorgnissen zuvorkäme und die Zurücknahme
der Optionserklärungen beföhle, natürlich unter der entsprechenden jesuitischen
rWöl'vatio mentsliL. Eine schmollende Wahlenthaltung entspricht nicht dem
Charakter der ecelesig, allions. Ueberhaupt hat der Clerus diese ganze Zeit
her durchaus keine Neigung für jene dumpfe Resignation in staatlichen
Dingen gezeigt, welche hierzulande seit der großen Katastrophe in hohem Maße
eingerissen ist. Gleich anfangs nach der Wiedereroberung, zu jener Zeit, als
die deutschen Ultramontanen noch von der Möglichkeit träumten, die Politik
des neu errichteten Reiches in ihrem Sinne zu beeinflussen, ließ er sich in der
klerikalen Presse jenseits des Rheins als eine Körperschaft feiern, welche deut¬
sche Sprache und deutsche Sitte auch in den trübsten Zeiten des welschen Re¬
giments erhalten und gepflegt habe. Heute fällt ihm das freilich nicht mehr
ein. Aber es entspricht doch nicht dem eminent praktischen Charakter seiner
Politik, sich in eine sterile Negation zurückzuziehen oder sich nach der Weise
gewisser Französlinge den Anschein zu geben, als ob man die sich vollziehende
Neugestaltung gänzlich ignorirte. Die an den Kaiser gerichtete Adresse gegen
den Unterrichtsgesetzentwurf und andere Schritte beweisen das zur Genüge.
Jeder teutschgesinnte Mann kann aber unseres Erachtens nur wünschen, daß
alle diese ultramontanen Machinationen erfolglos bleiben. Es ist freilich leicht
erklärlich, daß die Regierung die ohnehin in Hülle und Fülle vorhandenen
Schwierigkeiten nicht noch durch kirchenpolitische Conflicte vermehrt sehen möchte;
aber gerade diese Thatsache genügt, um zu wissen, daß der Ultramontanismus
diese Conflicte so viel nur möglich provociren wird. Natürlich trägt er da¬
bei überall die Miene der gekränkten Unschuld, durch die sich jedoch Niemand
beirren lassen wird, der von der Maulwurfsarbeit dieser Partei eine Ahnung
hat. In letzterer Beziehung haben die jüngsten Wochen merkwürdige Dinge
ans Licht gebracht. Vor einiger Zeit erschien ein zunächst gegen den "nieder¬
rheinischen Curier" gerichtetes, aber von Hochverrath gegen das Reich und von
Majestätsbeleidigung gegen den Kaiser strotzendes Pamphlet, das nicht ge¬
ringe Aufregung verursachte. Jetzt hat man, bei Gelegenheit von Nachfor¬
schungen nach einem Comite', das mit elsaß-lothringischen Kindern einen förm¬
lichen Menschenhandel nach Frankreich trieb, einen mit der ultramontanen
Partei aufs engste liirten Advocaten Laporte als Verfasser desselben entdeckt.
Zugleich ist man der Quelle auf die Spur gekommen, aus welcher das von
Haß gegen Deutschland triefende, aber in deutscher Sprache geschriebene ultra¬
montane Blatt, der "Volksfreund für christliche Familien", seine Nahrung


VmiMen I. 1873. 50

könnte dann von Allen, welche ihre Unterschrift verweigerten, allerdings mit
Recht sagen, daß sie sich für unversöhnliche Feinde des Reichs erklärt hätten.

Uebrigens wäre es keineswegs ein Ding der Unmöglichkeit, daß das di-
rigirende Element eines großen Theils der elsaß-lothringischen Bevölkerung,
der Ultramontanismus, allen Besorgnissen zuvorkäme und die Zurücknahme
der Optionserklärungen beföhle, natürlich unter der entsprechenden jesuitischen
rWöl'vatio mentsliL. Eine schmollende Wahlenthaltung entspricht nicht dem
Charakter der ecelesig, allions. Ueberhaupt hat der Clerus diese ganze Zeit
her durchaus keine Neigung für jene dumpfe Resignation in staatlichen
Dingen gezeigt, welche hierzulande seit der großen Katastrophe in hohem Maße
eingerissen ist. Gleich anfangs nach der Wiedereroberung, zu jener Zeit, als
die deutschen Ultramontanen noch von der Möglichkeit träumten, die Politik
des neu errichteten Reiches in ihrem Sinne zu beeinflussen, ließ er sich in der
klerikalen Presse jenseits des Rheins als eine Körperschaft feiern, welche deut¬
sche Sprache und deutsche Sitte auch in den trübsten Zeiten des welschen Re¬
giments erhalten und gepflegt habe. Heute fällt ihm das freilich nicht mehr
ein. Aber es entspricht doch nicht dem eminent praktischen Charakter seiner
Politik, sich in eine sterile Negation zurückzuziehen oder sich nach der Weise
gewisser Französlinge den Anschein zu geben, als ob man die sich vollziehende
Neugestaltung gänzlich ignorirte. Die an den Kaiser gerichtete Adresse gegen
den Unterrichtsgesetzentwurf und andere Schritte beweisen das zur Genüge.
Jeder teutschgesinnte Mann kann aber unseres Erachtens nur wünschen, daß
alle diese ultramontanen Machinationen erfolglos bleiben. Es ist freilich leicht
erklärlich, daß die Regierung die ohnehin in Hülle und Fülle vorhandenen
Schwierigkeiten nicht noch durch kirchenpolitische Conflicte vermehrt sehen möchte;
aber gerade diese Thatsache genügt, um zu wissen, daß der Ultramontanismus
diese Conflicte so viel nur möglich provociren wird. Natürlich trägt er da¬
bei überall die Miene der gekränkten Unschuld, durch die sich jedoch Niemand
beirren lassen wird, der von der Maulwurfsarbeit dieser Partei eine Ahnung
hat. In letzterer Beziehung haben die jüngsten Wochen merkwürdige Dinge
ans Licht gebracht. Vor einiger Zeit erschien ein zunächst gegen den „nieder¬
rheinischen Curier" gerichtetes, aber von Hochverrath gegen das Reich und von
Majestätsbeleidigung gegen den Kaiser strotzendes Pamphlet, das nicht ge¬
ringe Aufregung verursachte. Jetzt hat man, bei Gelegenheit von Nachfor¬
schungen nach einem Comite', das mit elsaß-lothringischen Kindern einen förm¬
lichen Menschenhandel nach Frankreich trieb, einen mit der ultramontanen
Partei aufs engste liirten Advocaten Laporte als Verfasser desselben entdeckt.
Zugleich ist man der Quelle auf die Spur gekommen, aus welcher das von
Haß gegen Deutschland triefende, aber in deutscher Sprache geschriebene ultra¬
montane Blatt, der „Volksfreund für christliche Familien", seine Nahrung


VmiMen I. 1873. 50
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/401>, abgerufen am 24.08.2024.