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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Ein anderer Wortführer der Rechten, Amtshauptmann v. Einsiedel, suchte
den Btedermann'schen Antrag damit zu escamvtiren, daß er seine Beseitigung
als ein Vertrauensvotum forderte, welches man dem Entgegenkommen der
Negierung schulde. Dagegen protestirte aber sehr entschieden erst Präsident
Schaffrath, der den Prösidentenstuhl verlassen hatte, um sich an der Debatte
zu betheiligen, dann der Antragsteller selbst, welcher letztere erklärte, er hielte
seinen Antrag gerade deßhalb fest, damit die demselben so conforme Erklärung
der Regierung durch ein Votum der Volksvertretung bestärkt werde. Der
Referent über den Antrag, Abg. Körner, gab demselben sogar eine noch ent¬
schiedenere Zuspitzung, womit der Antragsteller sich einverstanden erklärte. Der
Cvrreferent, auch ein Mitglied der Rechten, Abg. Mannsfeld, der anfangs da¬
für votirt hatte, man solle den Antrag im Vertrauen auf eine ihm entspre¬
chende Haltung der Regierung "zur Zeit auf sich beruhen lassen," zog diesen
seinen Antrag zurück, und als es nun zur Abstimmung kam, stimmte mit
Ausnahme des Abgordneten Sachße und noch eines einzigen Mitgliedes der
Rechten, die ganze Kammer, selbst den Abgeordneten von Einsiedel mit ein¬
geschlossen, wie Ein Mann für den Antrag Biedermann's, d. h. für eine Er¬
weiterung des Reichsoberhandelsgerichts zu einem obersten Reichsgerichtshof
für Deutschland!

Zu bedauern blieb immerhin, daß die Kammer so schwach besetzt war.
So gut wie 48 Stimmen von SO sich für den Antrag erklärten, hätten sehr
wahrscheinlich bei vollzähliger Kammer auch 78 Stimmen von 80 sich im
gleichen Sinne ausgesprochen. Aber auch so. wie es ist, wird dieses Votum
der sächsischen II, Kammer, abgegeben in voller Uebereinstimmung mit der
Negierung, in den über diese Frage weiter abzuhaltenden Berathungen, sowohl
in den Ministerconferenzen, als später im Bundesrathe, ein nicht zu verach¬
tendes Gewicht in die Wagschale des zu schaffenden obersten Gerichtshofes für
Deutschland werfen.




Ms dem Aeichslande.

Der gegen Ende Januar erfolgte Erlaß des Wahlgesetzes hat uns ein gut
Stück weiter gebracht. Die in Aussicht gestellte Berufung der Kreis- und
Bezirkstage ist nun zur Gewißheit geworden. Zugleich haben officiöse Be¬
merkungen zu dem Gesetze außer Zweifel gestellt, daß die Regierung diese
Körperschaften auch über Fragen, welche jenseits der ihrer Eompetenz durch
das französische Gesetz gezogenen Grenzen liegen, mitberathen lassen, daß sie


Ein anderer Wortführer der Rechten, Amtshauptmann v. Einsiedel, suchte
den Btedermann'schen Antrag damit zu escamvtiren, daß er seine Beseitigung
als ein Vertrauensvotum forderte, welches man dem Entgegenkommen der
Negierung schulde. Dagegen protestirte aber sehr entschieden erst Präsident
Schaffrath, der den Prösidentenstuhl verlassen hatte, um sich an der Debatte
zu betheiligen, dann der Antragsteller selbst, welcher letztere erklärte, er hielte
seinen Antrag gerade deßhalb fest, damit die demselben so conforme Erklärung
der Regierung durch ein Votum der Volksvertretung bestärkt werde. Der
Referent über den Antrag, Abg. Körner, gab demselben sogar eine noch ent¬
schiedenere Zuspitzung, womit der Antragsteller sich einverstanden erklärte. Der
Cvrreferent, auch ein Mitglied der Rechten, Abg. Mannsfeld, der anfangs da¬
für votirt hatte, man solle den Antrag im Vertrauen auf eine ihm entspre¬
chende Haltung der Regierung „zur Zeit auf sich beruhen lassen," zog diesen
seinen Antrag zurück, und als es nun zur Abstimmung kam, stimmte mit
Ausnahme des Abgordneten Sachße und noch eines einzigen Mitgliedes der
Rechten, die ganze Kammer, selbst den Abgeordneten von Einsiedel mit ein¬
geschlossen, wie Ein Mann für den Antrag Biedermann's, d. h. für eine Er¬
weiterung des Reichsoberhandelsgerichts zu einem obersten Reichsgerichtshof
für Deutschland!

Zu bedauern blieb immerhin, daß die Kammer so schwach besetzt war.
So gut wie 48 Stimmen von SO sich für den Antrag erklärten, hätten sehr
wahrscheinlich bei vollzähliger Kammer auch 78 Stimmen von 80 sich im
gleichen Sinne ausgesprochen. Aber auch so. wie es ist, wird dieses Votum
der sächsischen II, Kammer, abgegeben in voller Uebereinstimmung mit der
Negierung, in den über diese Frage weiter abzuhaltenden Berathungen, sowohl
in den Ministerconferenzen, als später im Bundesrathe, ein nicht zu verach¬
tendes Gewicht in die Wagschale des zu schaffenden obersten Gerichtshofes für
Deutschland werfen.




Ms dem Aeichslande.

Der gegen Ende Januar erfolgte Erlaß des Wahlgesetzes hat uns ein gut
Stück weiter gebracht. Die in Aussicht gestellte Berufung der Kreis- und
Bezirkstage ist nun zur Gewißheit geworden. Zugleich haben officiöse Be¬
merkungen zu dem Gesetze außer Zweifel gestellt, daß die Regierung diese
Körperschaften auch über Fragen, welche jenseits der ihrer Eompetenz durch
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[0398] Ein anderer Wortführer der Rechten, Amtshauptmann v. Einsiedel, suchte den Btedermann'schen Antrag damit zu escamvtiren, daß er seine Beseitigung als ein Vertrauensvotum forderte, welches man dem Entgegenkommen der Negierung schulde. Dagegen protestirte aber sehr entschieden erst Präsident Schaffrath, der den Prösidentenstuhl verlassen hatte, um sich an der Debatte zu betheiligen, dann der Antragsteller selbst, welcher letztere erklärte, er hielte seinen Antrag gerade deßhalb fest, damit die demselben so conforme Erklärung der Regierung durch ein Votum der Volksvertretung bestärkt werde. Der Referent über den Antrag, Abg. Körner, gab demselben sogar eine noch ent¬ schiedenere Zuspitzung, womit der Antragsteller sich einverstanden erklärte. Der Cvrreferent, auch ein Mitglied der Rechten, Abg. Mannsfeld, der anfangs da¬ für votirt hatte, man solle den Antrag im Vertrauen auf eine ihm entspre¬ chende Haltung der Regierung „zur Zeit auf sich beruhen lassen," zog diesen seinen Antrag zurück, und als es nun zur Abstimmung kam, stimmte mit Ausnahme des Abgordneten Sachße und noch eines einzigen Mitgliedes der Rechten, die ganze Kammer, selbst den Abgeordneten von Einsiedel mit ein¬ geschlossen, wie Ein Mann für den Antrag Biedermann's, d. h. für eine Er¬ weiterung des Reichsoberhandelsgerichts zu einem obersten Reichsgerichtshof für Deutschland! Zu bedauern blieb immerhin, daß die Kammer so schwach besetzt war. So gut wie 48 Stimmen von SO sich für den Antrag erklärten, hätten sehr wahrscheinlich bei vollzähliger Kammer auch 78 Stimmen von 80 sich im gleichen Sinne ausgesprochen. Aber auch so. wie es ist, wird dieses Votum der sächsischen II, Kammer, abgegeben in voller Uebereinstimmung mit der Negierung, in den über diese Frage weiter abzuhaltenden Berathungen, sowohl in den Ministerconferenzen, als später im Bundesrathe, ein nicht zu verach¬ tendes Gewicht in die Wagschale des zu schaffenden obersten Gerichtshofes für Deutschland werfen. Ms dem Aeichslande. Der gegen Ende Januar erfolgte Erlaß des Wahlgesetzes hat uns ein gut Stück weiter gebracht. Die in Aussicht gestellte Berufung der Kreis- und Bezirkstage ist nun zur Gewißheit geworden. Zugleich haben officiöse Be¬ merkungen zu dem Gesetze außer Zweifel gestellt, daß die Regierung diese Körperschaften auch über Fragen, welche jenseits der ihrer Eompetenz durch das französische Gesetz gezogenen Grenzen liegen, mitberathen lassen, daß sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/398>, abgerufen am 24.08.2024.