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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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großen Musters als dem Umfange des Landes angemessen ist und bei dem ohnehin
schon gänzlich zerrütteten Zustande der Finanzen durchaus nicht länger beibehalten
werden kann ohne den völligen Ruin des Landes herbeizuführen, gleichwie denn auch
aus eben dieser Besorgniß schon in dem im vorigen Jahre am 21. September 1811*)
durch Vermittelung der königl. Sachs. Commissarien abgeschlossenen Vergleich mit den
Ständen, daß solche nur auf ein Jahr zum Versuch beibehalten und in diesem Jahre
einer Revision unterworfen werden solle, ausdrücklich festgesetzt worden**): So haben
Wir nach reiflicher Erwägung aller Umstände diese neue Staats- und Justiz-Ein¬
richtung zu suspendiren und dafür provisorisch und bis eine allgemeinere Ein¬
führung dieser Verfassung dieselbe erleichtert, die vorige Staats- und Justizvcrfassung,
insoweit solche mit den ansetzt allgemein anerkannten Grundsätzen einer guten Staats¬
und Justizverfassung und dem zerrütteten Finanzzustande des Landes verträglich ist,
wiederherzustellen beschlossen."

Diesem Eingange folgt eine Reihe ausführender Bestimmungen, nach
denen der Herrschaft der 5 französischen Gesetzbücher so vollkommen und schleu¬
nig ein Ziel gesetzt wird, daß selbst die nach den französischen Bestimmungen
bereits instruirten Processe nicht nach ihnen, sondern nach den an ihre Stelle
wieder getretenen gemeinen Rechten entschieden werden sollen.

Damit war der ganze, dem Lande unter schweren Opfern aufgehängte
französische Flitterstaat mit einem Schlage vernichtet! Es blieb Nichts davon
als die Erinnerung, die den Zeitgenossen wie ein wüster Traum, den Nach¬
geborenen wie eine wunderbare Fabel erscheint. Sie wird Herrschern und
Gesetzgebern späterer Generationen eine ernste Mahnung sein. --




Sachsen und das Keichsgericht.
Ein Brief aus Dresden.***)

Sie haben den sächsischen Justizminister wegen seiner Antwort auf die
Biedermann'sche Jnterpellation etwas stark ins Gebet genommen. Ob Sie
ihm nicht doch am Ende Unrecht gethan? Zwar Sie sagten schon selbst: er
sei weniger Particularist als er scheine, und er scheine es wohl zumeist nur
darum, weil er eine ultra-grün-weiße Partei bei Hose und in den Kammern
fürchte. "

Ihr zweiter Artikel war kaum erschienen, als Abeken documentirte, daß er
nicht allein kein so arger Particularist sei, wie es nach jener seiner ersten Ant¬
wort allerdings das Ansehen hatte, sondern daß er auch den Muth gewonnen





D. Red,
") Muß heißen 23. September.
") Diese Bestimmung des Vergleichs muß eine geheime oder eine auf Instanz der Stände
nur mündlich zugestandene gewesen sein; sie findet sich weder in dem Original noch in dem
Publicirten Abdruck des Vertrags vom 23. September 18i1.
Für das letzte Heft leider zu spät erhalten,

großen Musters als dem Umfange des Landes angemessen ist und bei dem ohnehin
schon gänzlich zerrütteten Zustande der Finanzen durchaus nicht länger beibehalten
werden kann ohne den völligen Ruin des Landes herbeizuführen, gleichwie denn auch
aus eben dieser Besorgniß schon in dem im vorigen Jahre am 21. September 1811*)
durch Vermittelung der königl. Sachs. Commissarien abgeschlossenen Vergleich mit den
Ständen, daß solche nur auf ein Jahr zum Versuch beibehalten und in diesem Jahre
einer Revision unterworfen werden solle, ausdrücklich festgesetzt worden**): So haben
Wir nach reiflicher Erwägung aller Umstände diese neue Staats- und Justiz-Ein¬
richtung zu suspendiren und dafür provisorisch und bis eine allgemeinere Ein¬
führung dieser Verfassung dieselbe erleichtert, die vorige Staats- und Justizvcrfassung,
insoweit solche mit den ansetzt allgemein anerkannten Grundsätzen einer guten Staats¬
und Justizverfassung und dem zerrütteten Finanzzustande des Landes verträglich ist,
wiederherzustellen beschlossen."

Diesem Eingange folgt eine Reihe ausführender Bestimmungen, nach
denen der Herrschaft der 5 französischen Gesetzbücher so vollkommen und schleu¬
nig ein Ziel gesetzt wird, daß selbst die nach den französischen Bestimmungen
bereits instruirten Processe nicht nach ihnen, sondern nach den an ihre Stelle
wieder getretenen gemeinen Rechten entschieden werden sollen.

Damit war der ganze, dem Lande unter schweren Opfern aufgehängte
französische Flitterstaat mit einem Schlage vernichtet! Es blieb Nichts davon
als die Erinnerung, die den Zeitgenossen wie ein wüster Traum, den Nach¬
geborenen wie eine wunderbare Fabel erscheint. Sie wird Herrschern und
Gesetzgebern späterer Generationen eine ernste Mahnung sein. —




Sachsen und das Keichsgericht.
Ein Brief aus Dresden.***)

Sie haben den sächsischen Justizminister wegen seiner Antwort auf die
Biedermann'sche Jnterpellation etwas stark ins Gebet genommen. Ob Sie
ihm nicht doch am Ende Unrecht gethan? Zwar Sie sagten schon selbst: er
sei weniger Particularist als er scheine, und er scheine es wohl zumeist nur
darum, weil er eine ultra-grün-weiße Partei bei Hose und in den Kammern
fürchte. »

Ihr zweiter Artikel war kaum erschienen, als Abeken documentirte, daß er
nicht allein kein so arger Particularist sei, wie es nach jener seiner ersten Ant¬
wort allerdings das Ansehen hatte, sondern daß er auch den Muth gewonnen





D. Red,
") Muß heißen 23. September.
") Diese Bestimmung des Vergleichs muß eine geheime oder eine auf Instanz der Stände
nur mündlich zugestandene gewesen sein; sie findet sich weder in dem Original noch in dem
Publicirten Abdruck des Vertrags vom 23. September 18i1.
Für das letzte Heft leider zu spät erhalten,
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[0395] großen Musters als dem Umfange des Landes angemessen ist und bei dem ohnehin schon gänzlich zerrütteten Zustande der Finanzen durchaus nicht länger beibehalten werden kann ohne den völligen Ruin des Landes herbeizuführen, gleichwie denn auch aus eben dieser Besorgniß schon in dem im vorigen Jahre am 21. September 1811*) durch Vermittelung der königl. Sachs. Commissarien abgeschlossenen Vergleich mit den Ständen, daß solche nur auf ein Jahr zum Versuch beibehalten und in diesem Jahre einer Revision unterworfen werden solle, ausdrücklich festgesetzt worden**): So haben Wir nach reiflicher Erwägung aller Umstände diese neue Staats- und Justiz-Ein¬ richtung zu suspendiren und dafür provisorisch und bis eine allgemeinere Ein¬ führung dieser Verfassung dieselbe erleichtert, die vorige Staats- und Justizvcrfassung, insoweit solche mit den ansetzt allgemein anerkannten Grundsätzen einer guten Staats¬ und Justizverfassung und dem zerrütteten Finanzzustande des Landes verträglich ist, wiederherzustellen beschlossen." Diesem Eingange folgt eine Reihe ausführender Bestimmungen, nach denen der Herrschaft der 5 französischen Gesetzbücher so vollkommen und schleu¬ nig ein Ziel gesetzt wird, daß selbst die nach den französischen Bestimmungen bereits instruirten Processe nicht nach ihnen, sondern nach den an ihre Stelle wieder getretenen gemeinen Rechten entschieden werden sollen. Damit war der ganze, dem Lande unter schweren Opfern aufgehängte französische Flitterstaat mit einem Schlage vernichtet! Es blieb Nichts davon als die Erinnerung, die den Zeitgenossen wie ein wüster Traum, den Nach¬ geborenen wie eine wunderbare Fabel erscheint. Sie wird Herrschern und Gesetzgebern späterer Generationen eine ernste Mahnung sein. — Sachsen und das Keichsgericht. Ein Brief aus Dresden.***) Sie haben den sächsischen Justizminister wegen seiner Antwort auf die Biedermann'sche Jnterpellation etwas stark ins Gebet genommen. Ob Sie ihm nicht doch am Ende Unrecht gethan? Zwar Sie sagten schon selbst: er sei weniger Particularist als er scheine, und er scheine es wohl zumeist nur darum, weil er eine ultra-grün-weiße Partei bei Hose und in den Kammern fürchte. » Ihr zweiter Artikel war kaum erschienen, als Abeken documentirte, daß er nicht allein kein so arger Particularist sei, wie es nach jener seiner ersten Ant¬ wort allerdings das Ansehen hatte, sondern daß er auch den Muth gewonnen D. Red, ") Muß heißen 23. September. ") Diese Bestimmung des Vergleichs muß eine geheime oder eine auf Instanz der Stände nur mündlich zugestandene gewesen sein; sie findet sich weder in dem Original noch in dem Publicirten Abdruck des Vertrags vom 23. September 18i1. Für das letzte Heft leider zu spät erhalten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/395>, abgerufen am 24.08.2024.