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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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gen und höchst ansehnlichen Zuschüsse der Grubenbesitzer durch den einzigen
französischen Krieg nahezu an den Rand der Bankerutts geführt wurden.
Alles Grund genug zu der immer erneuten Frage an den Centralrath: warum
befaßt Ihr, die Ihr ^ der Verbandseinkünfte und vermuthlich auch ^/" Eurer
freien Zeit zu politischen Agitationszwecken verwendet, die Ihr durch Eure
Debüts bei den bisher von Euch anbefohlenen Strikes so wenig Geschick.
Offenheit und wahre Wohlmeinenden für die von Euch angeblich verwalteten
Interessen der Arbeiter gezeigt habt. Euch mit dieser schwierigen Versicherungs¬
angelegenheit, die Eurer ganzen politischen und socialen Anlage so durchaus
fern liegt. Wir sind der unangenehmen Pflicht überhoben, auf diese Frage
selbst eine Antwort zu geben, welche den Centralrath vielleicht in den Ver¬
dacht brächte, daß ihm die Angelegenheit der Jnvalidenkassen nur ein schönes
Außenwerk und Lockmittel sei. um Mitglieder für die weniger einleuchtenden
Frohndienste des Verbandes einzufangen. Denn der Centralrath ertheilt selbst
diese Antwort für Jeden der lesen kann, mit wunderbarer Offenheit in dem
§- 6 des Statuts für das Jnvalidenkassenwesen.

Hier heißt es nämlich mit dürren Worten: "Alle Mitglieder der Inva-
lidenkasse, welche nicht mehr Mitglieder eines Gewerk- oder Orts¬
vereins sind, verlieren ohne Weiteres ihr Anrecht an die Invalidenkasse." Ich
stehe nicht an. mit Bamberger diesen § angesichts der Vorschrift im § 152 der
deutschen Gewerbeordnung kurzweg für ungesetzlich zu erklären, und bin über-
i°ugt, daß wenn jemals ein invalider Arbeiter Seiten des Centralraths wegen
Austritts aus dem Gewerkvereinsverbande seiner Anrechte an die Invaliden-
Verbandskasse verlustig erklärt werden sollte, jeder deutsche Richter ihm diese
Rechte auf Grund des § 152, Absatz 2 der deutschen Gewerbe-Ordnung
in vollem Umfange zusprechen würde, der da lautet: "Jedem Teilnehmer steht
der Rücktritt von solchen" (Coalitions) "Vereinigungen und Verabredungen
frei, und es findet aus letzteren weder Klage noch Einrede statt." -- Damit
ist aber das Geständniß der ungesetzlichen Vermischung der Jnvalidenkassenin-
teressen mit den Verbandsinteressen noch keineswegs abgeschlossen. Noch Hand-
Reiflicher zeigt uns der § 5- der Geschäftsordnung betreffend die Invaliden-
nassen, die der Centralrath selbst erlassen hat. die wahrhaft wunderbaren
Folgen dieser Vermischung. Wir sahen soeben wie ein Arbeiter seiner lang¬
jährigen Einzahlungen in die Invalidenkasse verlustig geht, sobald er die Mit¬
gliedschaft der politisch-socialen Strikeverbindung der Herren Duncker und Hirsch
aufgibt. Der § 5 der Gesch. Ort. erklärt sogar alle Mitglieder eines Orts-
Vereins und den ganzen Ortsverein selbst aller Anrechte an die Verbandsin¬
validenkasse verlustig, wenn der Ortsverein (d. h. z. B. der nachlässige oder
untreue Kassirer desselben) in Abführung der Beträge an den Centralrath
säumig war! und innerhalb einer im Verbandsorgan! -- was wiederum


gen und höchst ansehnlichen Zuschüsse der Grubenbesitzer durch den einzigen
französischen Krieg nahezu an den Rand der Bankerutts geführt wurden.
Alles Grund genug zu der immer erneuten Frage an den Centralrath: warum
befaßt Ihr, die Ihr ^ der Verbandseinkünfte und vermuthlich auch ^/« Eurer
freien Zeit zu politischen Agitationszwecken verwendet, die Ihr durch Eure
Debüts bei den bisher von Euch anbefohlenen Strikes so wenig Geschick.
Offenheit und wahre Wohlmeinenden für die von Euch angeblich verwalteten
Interessen der Arbeiter gezeigt habt. Euch mit dieser schwierigen Versicherungs¬
angelegenheit, die Eurer ganzen politischen und socialen Anlage so durchaus
fern liegt. Wir sind der unangenehmen Pflicht überhoben, auf diese Frage
selbst eine Antwort zu geben, welche den Centralrath vielleicht in den Ver¬
dacht brächte, daß ihm die Angelegenheit der Jnvalidenkassen nur ein schönes
Außenwerk und Lockmittel sei. um Mitglieder für die weniger einleuchtenden
Frohndienste des Verbandes einzufangen. Denn der Centralrath ertheilt selbst
diese Antwort für Jeden der lesen kann, mit wunderbarer Offenheit in dem
§- 6 des Statuts für das Jnvalidenkassenwesen.

Hier heißt es nämlich mit dürren Worten: „Alle Mitglieder der Inva-
lidenkasse, welche nicht mehr Mitglieder eines Gewerk- oder Orts¬
vereins sind, verlieren ohne Weiteres ihr Anrecht an die Invalidenkasse." Ich
stehe nicht an. mit Bamberger diesen § angesichts der Vorschrift im § 152 der
deutschen Gewerbeordnung kurzweg für ungesetzlich zu erklären, und bin über-
i°ugt, daß wenn jemals ein invalider Arbeiter Seiten des Centralraths wegen
Austritts aus dem Gewerkvereinsverbande seiner Anrechte an die Invaliden-
Verbandskasse verlustig erklärt werden sollte, jeder deutsche Richter ihm diese
Rechte auf Grund des § 152, Absatz 2 der deutschen Gewerbe-Ordnung
in vollem Umfange zusprechen würde, der da lautet: „Jedem Teilnehmer steht
der Rücktritt von solchen" (Coalitions) „Vereinigungen und Verabredungen
frei, und es findet aus letzteren weder Klage noch Einrede statt." — Damit
ist aber das Geständniß der ungesetzlichen Vermischung der Jnvalidenkassenin-
teressen mit den Verbandsinteressen noch keineswegs abgeschlossen. Noch Hand-
Reiflicher zeigt uns der § 5- der Geschäftsordnung betreffend die Invaliden-
nassen, die der Centralrath selbst erlassen hat. die wahrhaft wunderbaren
Folgen dieser Vermischung. Wir sahen soeben wie ein Arbeiter seiner lang¬
jährigen Einzahlungen in die Invalidenkasse verlustig geht, sobald er die Mit¬
gliedschaft der politisch-socialen Strikeverbindung der Herren Duncker und Hirsch
aufgibt. Der § 5 der Gesch. Ort. erklärt sogar alle Mitglieder eines Orts-
Vereins und den ganzen Ortsverein selbst aller Anrechte an die Verbandsin¬
validenkasse verlustig, wenn der Ortsverein (d. h. z. B. der nachlässige oder
untreue Kassirer desselben) in Abführung der Beträge an den Centralrath
säumig war! und innerhalb einer im Verbandsorgan! — was wiederum


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[0381] gen und höchst ansehnlichen Zuschüsse der Grubenbesitzer durch den einzigen französischen Krieg nahezu an den Rand der Bankerutts geführt wurden. Alles Grund genug zu der immer erneuten Frage an den Centralrath: warum befaßt Ihr, die Ihr ^ der Verbandseinkünfte und vermuthlich auch ^/« Eurer freien Zeit zu politischen Agitationszwecken verwendet, die Ihr durch Eure Debüts bei den bisher von Euch anbefohlenen Strikes so wenig Geschick. Offenheit und wahre Wohlmeinenden für die von Euch angeblich verwalteten Interessen der Arbeiter gezeigt habt. Euch mit dieser schwierigen Versicherungs¬ angelegenheit, die Eurer ganzen politischen und socialen Anlage so durchaus fern liegt. Wir sind der unangenehmen Pflicht überhoben, auf diese Frage selbst eine Antwort zu geben, welche den Centralrath vielleicht in den Ver¬ dacht brächte, daß ihm die Angelegenheit der Jnvalidenkassen nur ein schönes Außenwerk und Lockmittel sei. um Mitglieder für die weniger einleuchtenden Frohndienste des Verbandes einzufangen. Denn der Centralrath ertheilt selbst diese Antwort für Jeden der lesen kann, mit wunderbarer Offenheit in dem §- 6 des Statuts für das Jnvalidenkassenwesen. Hier heißt es nämlich mit dürren Worten: „Alle Mitglieder der Inva- lidenkasse, welche nicht mehr Mitglieder eines Gewerk- oder Orts¬ vereins sind, verlieren ohne Weiteres ihr Anrecht an die Invalidenkasse." Ich stehe nicht an. mit Bamberger diesen § angesichts der Vorschrift im § 152 der deutschen Gewerbeordnung kurzweg für ungesetzlich zu erklären, und bin über- i°ugt, daß wenn jemals ein invalider Arbeiter Seiten des Centralraths wegen Austritts aus dem Gewerkvereinsverbande seiner Anrechte an die Invaliden- Verbandskasse verlustig erklärt werden sollte, jeder deutsche Richter ihm diese Rechte auf Grund des § 152, Absatz 2 der deutschen Gewerbe-Ordnung in vollem Umfange zusprechen würde, der da lautet: „Jedem Teilnehmer steht der Rücktritt von solchen" (Coalitions) „Vereinigungen und Verabredungen frei, und es findet aus letzteren weder Klage noch Einrede statt." — Damit ist aber das Geständniß der ungesetzlichen Vermischung der Jnvalidenkassenin- teressen mit den Verbandsinteressen noch keineswegs abgeschlossen. Noch Hand- Reiflicher zeigt uns der § 5- der Geschäftsordnung betreffend die Invaliden- nassen, die der Centralrath selbst erlassen hat. die wahrhaft wunderbaren Folgen dieser Vermischung. Wir sahen soeben wie ein Arbeiter seiner lang¬ jährigen Einzahlungen in die Invalidenkasse verlustig geht, sobald er die Mit¬ gliedschaft der politisch-socialen Strikeverbindung der Herren Duncker und Hirsch aufgibt. Der § 5 der Gesch. Ort. erklärt sogar alle Mitglieder eines Orts- Vereins und den ganzen Ortsverein selbst aller Anrechte an die Verbandsin¬ validenkasse verlustig, wenn der Ortsverein (d. h. z. B. der nachlässige oder untreue Kassirer desselben) in Abführung der Beträge an den Centralrath säumig war! und innerhalb einer im Verbandsorgan! — was wiederum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/381>, abgerufen am 02.10.2024.