Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

für welche das Gesetz bis jetzt erlassen, sondern auch in den übrigen Provinzen,
für welche analoge Gesetze in Aussicht stehen, Hannover und Hessen-Nassau
eingeschlossen. Die Vertheilung der Summe war besonderen Gesetzen vorbe¬
halten und bis zum Erlaß derselben sollte aus den jährlich eingehenden 3
Millionen Thaler ein zinsbar zu belegender Fonds für Rechnung der bethei¬
ligten Verbände angesammelt werden.

Da die Einsicht immer allgemeiner wird, daß die einzig richtige Einnah¬
mequelle für die Lokalverwaltung der Orts-, Kreis- und Provinzialgemeinde
in der vom Staate diesen' Gemeinden allein zu überlassenden Grundsteuer be¬
steht, so hat die Staatsregierung in den Motiven ihres Gesetzentwurfes eine
Begründung versucht, warum sie statt Überlassung der Grundsteuer die jähr¬
liche Überlassung einer Geldsumme aus dem allgemeinen Staatsfonds vor¬
schlägt. Die Begründung ist indeß völlig mißlungen. Sie läuft darauf hin¬
aus, daß der Ertrag der jetzigen Staatsgrundsteuer in den Provinzen ein sehr
verschiedener ist. Es wäre nun aber das Allerverkehrteste, wenn der Regier¬
ung zugemuthet würde, die jetzige Staatsgrundsteuer den Provinzen in Gestalt
einer unbeweglichen Rente zu überweisen. Es kann sich vielmehr vernünftiger¬
weise nur darum handeln, den Vertretungen der Orts-, Kreis- und Provinzial-
gemeinden die Besteuerung des Grund und Bodens wie der Gebäude als aus¬
schließendes Recht zu übertragen, natürlich so, daß. wie es von Alters her in
jeder gesunden Gemeinde Sitte gewesen ist, Sitz und Stimme in der Gemeinde
nur die Grundbesitzer haben und diejenigen, die mit ihnen gleiche Lasten frei¬
willig übernehmen. Die Folge wird sein, daß diejenigen Gemeinden, wo der
Ertrag des Grund und Bodens geringer ist, entweder ihren Aufwand ermä¬
ßigen oder ihre Mitglieder zu verhältnißmäßig größeren Opfern vermögen.
Das ist aber auch das Gerechteste von der Welt. Das Allerschädlichste da¬
gegen ist, die Gemeinden ohne Unterschied aus dem allgemeinen Beutel wirth¬
schaften zu lassen. Dabei sucht Jeder so viel als möglich aus dem allgemei¬
nen Beutel zu bekommen, während doch die Leistungen einer Gemeinde für
das Gemeindewohl abhängen müssen von dem Gemeinsinn und der Opferfä¬
higkeit, die sie ihren Mitgliedern einzuflößen versteht.

Die Commission hat sehr verständiger Weise durch den Mund ihres Re¬
ferenten die Erklärung abgegeben, daß mit der einstweiligen Annahme des
jetzigen Gesetzentwurfes der Frage nicht präjudicirt werden solle, ob der Bei¬
trag aus dem allgemeinen Staatsfonds zur gemeindlichen Lokalverwaltung
nicht eines Tags zu ersetzen sei durch die Überlassung der Grundsteuer.

Die sonstigen Veränderungen, welche die Commission mit dem Gesetzent¬
wurf vorgenommen, bestehen hauptsächlich darin, daß von den jährlichen 3
Millionen 1 Million sofort für die Ausführung der Kreisordnung zur Ver¬
fügung gestellt werden soll, anstatt den Erlaß eines besonderen Gesetzes abzu-


für welche das Gesetz bis jetzt erlassen, sondern auch in den übrigen Provinzen,
für welche analoge Gesetze in Aussicht stehen, Hannover und Hessen-Nassau
eingeschlossen. Die Vertheilung der Summe war besonderen Gesetzen vorbe¬
halten und bis zum Erlaß derselben sollte aus den jährlich eingehenden 3
Millionen Thaler ein zinsbar zu belegender Fonds für Rechnung der bethei¬
ligten Verbände angesammelt werden.

Da die Einsicht immer allgemeiner wird, daß die einzig richtige Einnah¬
mequelle für die Lokalverwaltung der Orts-, Kreis- und Provinzialgemeinde
in der vom Staate diesen' Gemeinden allein zu überlassenden Grundsteuer be¬
steht, so hat die Staatsregierung in den Motiven ihres Gesetzentwurfes eine
Begründung versucht, warum sie statt Überlassung der Grundsteuer die jähr¬
liche Überlassung einer Geldsumme aus dem allgemeinen Staatsfonds vor¬
schlägt. Die Begründung ist indeß völlig mißlungen. Sie läuft darauf hin¬
aus, daß der Ertrag der jetzigen Staatsgrundsteuer in den Provinzen ein sehr
verschiedener ist. Es wäre nun aber das Allerverkehrteste, wenn der Regier¬
ung zugemuthet würde, die jetzige Staatsgrundsteuer den Provinzen in Gestalt
einer unbeweglichen Rente zu überweisen. Es kann sich vielmehr vernünftiger¬
weise nur darum handeln, den Vertretungen der Orts-, Kreis- und Provinzial-
gemeinden die Besteuerung des Grund und Bodens wie der Gebäude als aus¬
schließendes Recht zu übertragen, natürlich so, daß. wie es von Alters her in
jeder gesunden Gemeinde Sitte gewesen ist, Sitz und Stimme in der Gemeinde
nur die Grundbesitzer haben und diejenigen, die mit ihnen gleiche Lasten frei¬
willig übernehmen. Die Folge wird sein, daß diejenigen Gemeinden, wo der
Ertrag des Grund und Bodens geringer ist, entweder ihren Aufwand ermä¬
ßigen oder ihre Mitglieder zu verhältnißmäßig größeren Opfern vermögen.
Das ist aber auch das Gerechteste von der Welt. Das Allerschädlichste da¬
gegen ist, die Gemeinden ohne Unterschied aus dem allgemeinen Beutel wirth¬
schaften zu lassen. Dabei sucht Jeder so viel als möglich aus dem allgemei¬
nen Beutel zu bekommen, während doch die Leistungen einer Gemeinde für
das Gemeindewohl abhängen müssen von dem Gemeinsinn und der Opferfä¬
higkeit, die sie ihren Mitgliedern einzuflößen versteht.

Die Commission hat sehr verständiger Weise durch den Mund ihres Re¬
ferenten die Erklärung abgegeben, daß mit der einstweiligen Annahme des
jetzigen Gesetzentwurfes der Frage nicht präjudicirt werden solle, ob der Bei¬
trag aus dem allgemeinen Staatsfonds zur gemeindlichen Lokalverwaltung
nicht eines Tags zu ersetzen sei durch die Überlassung der Grundsteuer.

Die sonstigen Veränderungen, welche die Commission mit dem Gesetzent¬
wurf vorgenommen, bestehen hauptsächlich darin, daß von den jährlichen 3
Millionen 1 Million sofort für die Ausführung der Kreisordnung zur Ver¬
fügung gestellt werden soll, anstatt den Erlaß eines besonderen Gesetzes abzu-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0367" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129359"/>
          <p xml:id="ID_1208" prev="#ID_1207"> für welche das Gesetz bis jetzt erlassen, sondern auch in den übrigen Provinzen,<lb/>
für welche analoge Gesetze in Aussicht stehen, Hannover und Hessen-Nassau<lb/>
eingeschlossen. Die Vertheilung der Summe war besonderen Gesetzen vorbe¬<lb/>
halten und bis zum Erlaß derselben sollte aus den jährlich eingehenden 3<lb/>
Millionen Thaler ein zinsbar zu belegender Fonds für Rechnung der bethei¬<lb/>
ligten Verbände angesammelt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1209"> Da die Einsicht immer allgemeiner wird, daß die einzig richtige Einnah¬<lb/>
mequelle für die Lokalverwaltung der Orts-, Kreis- und Provinzialgemeinde<lb/>
in der vom Staate diesen' Gemeinden allein zu überlassenden Grundsteuer be¬<lb/>
steht, so hat die Staatsregierung in den Motiven ihres Gesetzentwurfes eine<lb/>
Begründung versucht, warum sie statt Überlassung der Grundsteuer die jähr¬<lb/>
liche Überlassung einer Geldsumme aus dem allgemeinen Staatsfonds vor¬<lb/>
schlägt. Die Begründung ist indeß völlig mißlungen. Sie läuft darauf hin¬<lb/>
aus, daß der Ertrag der jetzigen Staatsgrundsteuer in den Provinzen ein sehr<lb/>
verschiedener ist. Es wäre nun aber das Allerverkehrteste, wenn der Regier¬<lb/>
ung zugemuthet würde, die jetzige Staatsgrundsteuer den Provinzen in Gestalt<lb/>
einer unbeweglichen Rente zu überweisen. Es kann sich vielmehr vernünftiger¬<lb/>
weise nur darum handeln, den Vertretungen der Orts-, Kreis- und Provinzial-<lb/>
gemeinden die Besteuerung des Grund und Bodens wie der Gebäude als aus¬<lb/>
schließendes Recht zu übertragen, natürlich so, daß. wie es von Alters her in<lb/>
jeder gesunden Gemeinde Sitte gewesen ist, Sitz und Stimme in der Gemeinde<lb/>
nur die Grundbesitzer haben und diejenigen, die mit ihnen gleiche Lasten frei¬<lb/>
willig übernehmen. Die Folge wird sein, daß diejenigen Gemeinden, wo der<lb/>
Ertrag des Grund und Bodens geringer ist, entweder ihren Aufwand ermä¬<lb/>
ßigen oder ihre Mitglieder zu verhältnißmäßig größeren Opfern vermögen.<lb/>
Das ist aber auch das Gerechteste von der Welt. Das Allerschädlichste da¬<lb/>
gegen ist, die Gemeinden ohne Unterschied aus dem allgemeinen Beutel wirth¬<lb/>
schaften zu lassen. Dabei sucht Jeder so viel als möglich aus dem allgemei¬<lb/>
nen Beutel zu bekommen, während doch die Leistungen einer Gemeinde für<lb/>
das Gemeindewohl abhängen müssen von dem Gemeinsinn und der Opferfä¬<lb/>
higkeit, die sie ihren Mitgliedern einzuflößen versteht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1210"> Die Commission hat sehr verständiger Weise durch den Mund ihres Re¬<lb/>
ferenten die Erklärung abgegeben, daß mit der einstweiligen Annahme des<lb/>
jetzigen Gesetzentwurfes der Frage nicht präjudicirt werden solle, ob der Bei¬<lb/>
trag aus dem allgemeinen Staatsfonds zur gemeindlichen Lokalverwaltung<lb/>
nicht eines Tags zu ersetzen sei durch die Überlassung der Grundsteuer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1211" next="#ID_1212"> Die sonstigen Veränderungen, welche die Commission mit dem Gesetzent¬<lb/>
wurf vorgenommen, bestehen hauptsächlich darin, daß von den jährlichen 3<lb/>
Millionen 1 Million sofort für die Ausführung der Kreisordnung zur Ver¬<lb/>
fügung gestellt werden soll, anstatt den Erlaß eines besonderen Gesetzes abzu-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0367] für welche das Gesetz bis jetzt erlassen, sondern auch in den übrigen Provinzen, für welche analoge Gesetze in Aussicht stehen, Hannover und Hessen-Nassau eingeschlossen. Die Vertheilung der Summe war besonderen Gesetzen vorbe¬ halten und bis zum Erlaß derselben sollte aus den jährlich eingehenden 3 Millionen Thaler ein zinsbar zu belegender Fonds für Rechnung der bethei¬ ligten Verbände angesammelt werden. Da die Einsicht immer allgemeiner wird, daß die einzig richtige Einnah¬ mequelle für die Lokalverwaltung der Orts-, Kreis- und Provinzialgemeinde in der vom Staate diesen' Gemeinden allein zu überlassenden Grundsteuer be¬ steht, so hat die Staatsregierung in den Motiven ihres Gesetzentwurfes eine Begründung versucht, warum sie statt Überlassung der Grundsteuer die jähr¬ liche Überlassung einer Geldsumme aus dem allgemeinen Staatsfonds vor¬ schlägt. Die Begründung ist indeß völlig mißlungen. Sie läuft darauf hin¬ aus, daß der Ertrag der jetzigen Staatsgrundsteuer in den Provinzen ein sehr verschiedener ist. Es wäre nun aber das Allerverkehrteste, wenn der Regier¬ ung zugemuthet würde, die jetzige Staatsgrundsteuer den Provinzen in Gestalt einer unbeweglichen Rente zu überweisen. Es kann sich vielmehr vernünftiger¬ weise nur darum handeln, den Vertretungen der Orts-, Kreis- und Provinzial- gemeinden die Besteuerung des Grund und Bodens wie der Gebäude als aus¬ schließendes Recht zu übertragen, natürlich so, daß. wie es von Alters her in jeder gesunden Gemeinde Sitte gewesen ist, Sitz und Stimme in der Gemeinde nur die Grundbesitzer haben und diejenigen, die mit ihnen gleiche Lasten frei¬ willig übernehmen. Die Folge wird sein, daß diejenigen Gemeinden, wo der Ertrag des Grund und Bodens geringer ist, entweder ihren Aufwand ermä¬ ßigen oder ihre Mitglieder zu verhältnißmäßig größeren Opfern vermögen. Das ist aber auch das Gerechteste von der Welt. Das Allerschädlichste da¬ gegen ist, die Gemeinden ohne Unterschied aus dem allgemeinen Beutel wirth¬ schaften zu lassen. Dabei sucht Jeder so viel als möglich aus dem allgemei¬ nen Beutel zu bekommen, während doch die Leistungen einer Gemeinde für das Gemeindewohl abhängen müssen von dem Gemeinsinn und der Opferfä¬ higkeit, die sie ihren Mitgliedern einzuflößen versteht. Die Commission hat sehr verständiger Weise durch den Mund ihres Re¬ ferenten die Erklärung abgegeben, daß mit der einstweiligen Annahme des jetzigen Gesetzentwurfes der Frage nicht präjudicirt werden solle, ob der Bei¬ trag aus dem allgemeinen Staatsfonds zur gemeindlichen Lokalverwaltung nicht eines Tags zu ersetzen sei durch die Überlassung der Grundsteuer. Die sonstigen Veränderungen, welche die Commission mit dem Gesetzent¬ wurf vorgenommen, bestehen hauptsächlich darin, daß von den jährlichen 3 Millionen 1 Million sofort für die Ausführung der Kreisordnung zur Ver¬ fügung gestellt werden soll, anstatt den Erlaß eines besonderen Gesetzes abzu-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/367
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/367>, abgerufen am 22.07.2024.