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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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eigenen Vorsitze des Herzogs! Das war also der directe Gegensatz zu
dem Worte des französischen Constitutionalismus: ig roi rö^no, mais it n<z
Lvuverlls xas. Aber das Vorbild des Cöthenschen Gesetzgebers war freilich
ein Napoleon!

Den vorgenannten beiden Edicten schloß sich schon nach drei Tagen,
unter dem 22. Februar 1811, ein neues an, welches sich als Verwaltungs¬
ordnung ankündigt.

Es setzte die Geschäftskreise der einzelnen Verwaltungsbehörden fest, freilich nicht,
ohne den Wust der neu geschaffenen Aemter noch zu vermehren. Denn zwischen den
Präfecten und den Präfecturrath wird noch ein Generalsecretär der Präfcctur
eingeschoben, als ständiger Gehülfe des Präfecten, zugleich als dessen Archivar- und
Bureauvorsteher (Art. 1, 14, 16). Ferner tritt, nicht zu verwechseln mit dem De-
partementscollegium, ein Departementalrath oder Departementsrath ein, der
aus 6 vom Herzog ernannten Mitgliedern, je einem aus jedem Districte bestehend,
alljährlich einmal zu einer längstens Mgigen Sitzung über Districts - Steuerangclcgen-
heiten, insbesondere zur Vertheilung der Steuern unter die Districte (obgleich man
damals noch keine Idee über Art und Vertheilung der aufzulegenden Steuern hatte!)
zusammentreten soll (Art. 1, 2, 9 bis 13). Im Gemeindewesen wird den maires
ein Adjunct als Stellvertreter beigegeben (Art. 16, 17). Die Zahl der Mitglieder
der Municipalrathe wird bei der Bevölkerung einer Stadt oder eines Cantons unter
2500 Einwohnern auf acht, für eine stärkere Bevölkerung auf 16 festgesetzt (Art. 21),
denen bei den Versammlungen der molro prcisidirt (Art. 22). Auch diese, sowie die
inaires und ihre Adjuncten, sollen vom Landes Herrn (!) ernannt werden, die Mit¬
glieder der Municipalrathe jedoch, wie die der Dcpartementsräthe, auf geschehene Prä¬
sentation durch das Departementscollegium (Art. 34, 3S). Den Municipalräthen ist
eine regelmäßige, am 18. November jeden Jahres beginnende, höchstens (!) scchstägige
Sitzungszeit vorgeschrieben (Art. 24), doch können dieselben durch den Präfecten außer¬
ordentlich zusammenberufen werden (Art. 31). --

Wenige Tage vor dem Jnslebentreten aller dieser neuen Institutionen,
am 27. Februar 1811, kam der damals zu Leipzig privatisirende, vormals
hallische Professor der Rechte, Hof- und Justizrath Dr. Dabelow, ein ge¬
borener Mecklenburger, zufällig nach Cöthen. Derselbe hatte das französische
Recht an seiner Quelle studirt und bereits mehrere Bücher über den eoäo
Napoleon geschrieben. Der Herzog lernte ihn kennen und gewann ihn sofort,
mittelst Patents vom 1. März 1811, für seinen Dienst. Jetzt glaubte er
eine Garantie für die ewige Dauer seines gesetzgeberischen Werkes gewonnen
zu haben, um so mehr als Dabelow von vornherein allen noch herrschenden
Zweifeln, ob die ganze napoleonische Gesetzgebung in Cöthen wirklich voll¬
ständig einzuführen sei, mit der größten Entschiedenheit zu Gunsten der fran¬
zösischen Verfassung entgegentrat.*) Allein die Rechnung war, abgesehen
von allem Andern, eine verfehlte. Dabelow war, wie von Zeitgenossen ver-



-) Stmzel, Anhang'""?. 50.

eigenen Vorsitze des Herzogs! Das war also der directe Gegensatz zu
dem Worte des französischen Constitutionalismus: ig roi rö^no, mais it n<z
Lvuverlls xas. Aber das Vorbild des Cöthenschen Gesetzgebers war freilich
ein Napoleon!

Den vorgenannten beiden Edicten schloß sich schon nach drei Tagen,
unter dem 22. Februar 1811, ein neues an, welches sich als Verwaltungs¬
ordnung ankündigt.

Es setzte die Geschäftskreise der einzelnen Verwaltungsbehörden fest, freilich nicht,
ohne den Wust der neu geschaffenen Aemter noch zu vermehren. Denn zwischen den
Präfecten und den Präfecturrath wird noch ein Generalsecretär der Präfcctur
eingeschoben, als ständiger Gehülfe des Präfecten, zugleich als dessen Archivar- und
Bureauvorsteher (Art. 1, 14, 16). Ferner tritt, nicht zu verwechseln mit dem De-
partementscollegium, ein Departementalrath oder Departementsrath ein, der
aus 6 vom Herzog ernannten Mitgliedern, je einem aus jedem Districte bestehend,
alljährlich einmal zu einer längstens Mgigen Sitzung über Districts - Steuerangclcgen-
heiten, insbesondere zur Vertheilung der Steuern unter die Districte (obgleich man
damals noch keine Idee über Art und Vertheilung der aufzulegenden Steuern hatte!)
zusammentreten soll (Art. 1, 2, 9 bis 13). Im Gemeindewesen wird den maires
ein Adjunct als Stellvertreter beigegeben (Art. 16, 17). Die Zahl der Mitglieder
der Municipalrathe wird bei der Bevölkerung einer Stadt oder eines Cantons unter
2500 Einwohnern auf acht, für eine stärkere Bevölkerung auf 16 festgesetzt (Art. 21),
denen bei den Versammlungen der molro prcisidirt (Art. 22). Auch diese, sowie die
inaires und ihre Adjuncten, sollen vom Landes Herrn (!) ernannt werden, die Mit¬
glieder der Municipalrathe jedoch, wie die der Dcpartementsräthe, auf geschehene Prä¬
sentation durch das Departementscollegium (Art. 34, 3S). Den Municipalräthen ist
eine regelmäßige, am 18. November jeden Jahres beginnende, höchstens (!) scchstägige
Sitzungszeit vorgeschrieben (Art. 24), doch können dieselben durch den Präfecten außer¬
ordentlich zusammenberufen werden (Art. 31). —

Wenige Tage vor dem Jnslebentreten aller dieser neuen Institutionen,
am 27. Februar 1811, kam der damals zu Leipzig privatisirende, vormals
hallische Professor der Rechte, Hof- und Justizrath Dr. Dabelow, ein ge¬
borener Mecklenburger, zufällig nach Cöthen. Derselbe hatte das französische
Recht an seiner Quelle studirt und bereits mehrere Bücher über den eoäo
Napoleon geschrieben. Der Herzog lernte ihn kennen und gewann ihn sofort,
mittelst Patents vom 1. März 1811, für seinen Dienst. Jetzt glaubte er
eine Garantie für die ewige Dauer seines gesetzgeberischen Werkes gewonnen
zu haben, um so mehr als Dabelow von vornherein allen noch herrschenden
Zweifeln, ob die ganze napoleonische Gesetzgebung in Cöthen wirklich voll¬
ständig einzuführen sei, mit der größten Entschiedenheit zu Gunsten der fran¬
zösischen Verfassung entgegentrat.*) Allein die Rechnung war, abgesehen
von allem Andern, eine verfehlte. Dabelow war, wie von Zeitgenossen ver-



-) Stmzel, Anhang'»»?. 50.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/348>, abgerufen am 24.08.2024.