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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Ueber die Wahl eines nationalen KedenKtages für den
Krieg 187M.
von
Dr. H. Eckart t^).

Wenn wir darüber sprechen, welchen Tag das deutsche Volk sich auswäh¬
len könnte für die Feier eines rechten National-Festes zur Erinnerung an den
letzten Krieg gegen Frankreich, -- so könnte das auf den ersten Blick über¬
flüssig erscheinen angesichts der Thatsache, daß ja erst vor wenigen Monden
eine solche Feier an vielen Orten Deutschlands und auch in unserer Stadt be¬
gangen worden ist. Indeß trat denn auch wirklich eine so entschiedene Ein-
müthigkeit dabei hervor, wie sie für das Zustandekommen eines echten Natio¬
nal-Festes durchaus nöthig ist? Ich meine doch nicht! -- Zwar müssen wir
natürlich von vorn herein gänzlich absehen von einer, zum Glück nicht beson¬
ders zahlreichen Partei; denjenigen, die sich den Anschein geben, als wenn sie
schon bei dem bloßen Worte "Krieg" und "Schlacht" bis ins Innere ihrer
Seele in tiefster, sittlicher Entrüstung zusammenschauern, denen deshalb jede
Erinnerung an einen Krieg, d. i. an eine großartige, von den Königen
veranstaltete Menschenschlächterei, ein Greuel ist: Mit ihnen würde man sich,
da sie die Sache ja überhaupt zu verabscheuen vorgeben, in keiner Weise über
einen Tag vereinigen können.

Auch mit einer andern, leider erheblich größern Partei in unserm Volke
würde eine Verständigung zur Zeit unmöglich sein; ich meine diejenigen, die
mit der ganzen Entwickelung unserer politischen Dinge unzufrieden sind, weil
sie sehen, daß allerdings seit der Beendigung des Krieges gegen Frankreich
die Regierungen Preußens und des Reiches sichs angelegen sein lassen, die
Souveränitäts-Rechte des Staates auch der katholischen Kirche gegenüber ener¬
gisch zu wahren, und die darum, in antinationaler Gesinnung befangen, den
Sieg des doch wesentlich protestantischen Preußen über das katholische Frank¬
reich für ein Unglück halten, weil in Folge desselben die Autorität des Papstes



') Vortrag, gehalten in der öffentlichen Sitzung der Kgl. Deutschen Gesellschaft zu Königs¬
berg, am KrönungStage d. 18. Januar 1.873.
Ärenzvoten I. 1873. 41
Ueber die Wahl eines nationalen KedenKtages für den
Krieg 187M.
von
Dr. H. Eckart t^).

Wenn wir darüber sprechen, welchen Tag das deutsche Volk sich auswäh¬
len könnte für die Feier eines rechten National-Festes zur Erinnerung an den
letzten Krieg gegen Frankreich, — so könnte das auf den ersten Blick über¬
flüssig erscheinen angesichts der Thatsache, daß ja erst vor wenigen Monden
eine solche Feier an vielen Orten Deutschlands und auch in unserer Stadt be¬
gangen worden ist. Indeß trat denn auch wirklich eine so entschiedene Ein-
müthigkeit dabei hervor, wie sie für das Zustandekommen eines echten Natio¬
nal-Festes durchaus nöthig ist? Ich meine doch nicht! — Zwar müssen wir
natürlich von vorn herein gänzlich absehen von einer, zum Glück nicht beson¬
ders zahlreichen Partei; denjenigen, die sich den Anschein geben, als wenn sie
schon bei dem bloßen Worte „Krieg" und „Schlacht" bis ins Innere ihrer
Seele in tiefster, sittlicher Entrüstung zusammenschauern, denen deshalb jede
Erinnerung an einen Krieg, d. i. an eine großartige, von den Königen
veranstaltete Menschenschlächterei, ein Greuel ist: Mit ihnen würde man sich,
da sie die Sache ja überhaupt zu verabscheuen vorgeben, in keiner Weise über
einen Tag vereinigen können.

Auch mit einer andern, leider erheblich größern Partei in unserm Volke
würde eine Verständigung zur Zeit unmöglich sein; ich meine diejenigen, die
mit der ganzen Entwickelung unserer politischen Dinge unzufrieden sind, weil
sie sehen, daß allerdings seit der Beendigung des Krieges gegen Frankreich
die Regierungen Preußens und des Reiches sichs angelegen sein lassen, die
Souveränitäts-Rechte des Staates auch der katholischen Kirche gegenüber ener¬
gisch zu wahren, und die darum, in antinationaler Gesinnung befangen, den
Sieg des doch wesentlich protestantischen Preußen über das katholische Frank¬
reich für ein Unglück halten, weil in Folge desselben die Autorität des Papstes



') Vortrag, gehalten in der öffentlichen Sitzung der Kgl. Deutschen Gesellschaft zu Königs¬
berg, am KrönungStage d. 18. Januar 1.873.
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[0329] Ueber die Wahl eines nationalen KedenKtages für den Krieg 187M. von Dr. H. Eckart t^). Wenn wir darüber sprechen, welchen Tag das deutsche Volk sich auswäh¬ len könnte für die Feier eines rechten National-Festes zur Erinnerung an den letzten Krieg gegen Frankreich, — so könnte das auf den ersten Blick über¬ flüssig erscheinen angesichts der Thatsache, daß ja erst vor wenigen Monden eine solche Feier an vielen Orten Deutschlands und auch in unserer Stadt be¬ gangen worden ist. Indeß trat denn auch wirklich eine so entschiedene Ein- müthigkeit dabei hervor, wie sie für das Zustandekommen eines echten Natio¬ nal-Festes durchaus nöthig ist? Ich meine doch nicht! — Zwar müssen wir natürlich von vorn herein gänzlich absehen von einer, zum Glück nicht beson¬ ders zahlreichen Partei; denjenigen, die sich den Anschein geben, als wenn sie schon bei dem bloßen Worte „Krieg" und „Schlacht" bis ins Innere ihrer Seele in tiefster, sittlicher Entrüstung zusammenschauern, denen deshalb jede Erinnerung an einen Krieg, d. i. an eine großartige, von den Königen veranstaltete Menschenschlächterei, ein Greuel ist: Mit ihnen würde man sich, da sie die Sache ja überhaupt zu verabscheuen vorgeben, in keiner Weise über einen Tag vereinigen können. Auch mit einer andern, leider erheblich größern Partei in unserm Volke würde eine Verständigung zur Zeit unmöglich sein; ich meine diejenigen, die mit der ganzen Entwickelung unserer politischen Dinge unzufrieden sind, weil sie sehen, daß allerdings seit der Beendigung des Krieges gegen Frankreich die Regierungen Preußens und des Reiches sichs angelegen sein lassen, die Souveränitäts-Rechte des Staates auch der katholischen Kirche gegenüber ener¬ gisch zu wahren, und die darum, in antinationaler Gesinnung befangen, den Sieg des doch wesentlich protestantischen Preußen über das katholische Frank¬ reich für ein Unglück halten, weil in Folge desselben die Autorität des Papstes ') Vortrag, gehalten in der öffentlichen Sitzung der Kgl. Deutschen Gesellschaft zu Königs¬ berg, am KrönungStage d. 18. Januar 1.873. Ärenzvoten I. 1873. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/329>, abgerufen am 24.08.2024.