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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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für die Flasche gestiegen. Ziehen wir nun in Betracht, daß dieser rohe Wein
wenigstens zwei Jahre liegen muß, bevor er die "Dose" empfangen kann, daß
ein durchschnittlicher Verlust von 4 Procent infolge des Platzens der Flaschen
zu berechnen ist, daß Flasche und Kork circa 3 Silbergroschen zu stehen kom¬
men, das Umwinden mit Draht, das Bewickeln mit Staniol, das Etikettiren
und Verpacken wieder 1 Silbergroschen, so kann man herausrechnen, daß die
Flasche Champagner dem Fabrikanten selbst 4 Francs 50 Centimes, das
Dutzend also S4 Francs kostet. Zu Reims und Epernay aber kauft man
Champagner von der geringsten Sorte um 20 Francs das Dutzend. Bessere
Sorten kosten 28 bis 42, und Weine von berühmter Marke 48 bis 66 Francs.
Es liegt deshalb auf der Hand, daß viele wohlbekannte Champagner nur eine
ziemlich beschränkte Menge des Traubensaftes enthalten können, welchen man
die "goldne Rebe von Ap" nennt, und von dem man glaubt, daß er die Basis
der vornehmsten Marken bilde.

Guter Champagner ist von bleicher Bernsteinfarbe. Die dunklere Färbung,
welche unter dem Ausdrucke "seil as xei-äre-in" bekannt ist, wird einfach durch
den Farbstoff hervorgebracht, den man aus den Hülsen der Weinbeeren preßt.
Der rosenrothe Champagner, der vor etwa fünfundzwanzig Jahren Mode
wurde, verdankte seine Farbe einer schwachen Beimischung von dunkelrothen
Weine, einem Zusatz von Cochenille oder der "tsinte ass ?ismes", die nichts
Anderes ist, als Hollunderbeerensast mit Alaun.

Nach Doctor Berne Jones' Analyse wissen wir, daß der Champagner
14 Procent Alkohol enthält, wogegen sich im Portwein 22, im Burgunder
12 und im Bordeaux 10 Procent fanden. Süßer Champagner schäumt zuerst
mehr als herber, aber das Moussiren hört sehr bald nach Entfernung des
Korkes auf. Herber dagegen, der seine Effervescenz nicht einem Zuckerbeisatz,
sondern einzig dem natürlichen Zuckergehalt der Traube verdankt, bleibt ge¬
raume Zeit, nachdem er ins Glas geflossen, im Schäumen, was daher rührt,
daß die Kohlensäure vom Weine selbst absorbirt worden, statt ihm hinzuge¬
than ist, in welchem letzteren Falle sie sich oben, unmittelbar beim Kork hält.

Guter Sect verliert, wenn er einige Stunden im Glase steht, allerdings
die Kraft des Schäumens, da die Kohlensäure entweicht, behält aber seinen
Körper und Wohlgeschmack, die durch das Moussiren mehr oder minder ver¬
borgen waren. Dennoch muß man die in England vorkommende Sitte, den
Champagner in Karaffen zu serviren, für eine Abgeschmacktheit erklären, da es
erstens viel feinere nichtmoussirende Weißweine giebt, als das Departement der
Marne erzeugt, und da zweitens der Champagner gar nicht bestimmt ist, ge¬
trunken zu werden, wenn er ausgeschäumt hat. Ganz ebenso thöricht ist es,
den Champagner gefrieren zu lassen oder mit Eisstückchen oder Eiswasser zu
mischen. Denn einmal zerstört zu große Kälte sein Bouquet und seinen


Grenzboten 187S. I. ->o

für die Flasche gestiegen. Ziehen wir nun in Betracht, daß dieser rohe Wein
wenigstens zwei Jahre liegen muß, bevor er die „Dose" empfangen kann, daß
ein durchschnittlicher Verlust von 4 Procent infolge des Platzens der Flaschen
zu berechnen ist, daß Flasche und Kork circa 3 Silbergroschen zu stehen kom¬
men, das Umwinden mit Draht, das Bewickeln mit Staniol, das Etikettiren
und Verpacken wieder 1 Silbergroschen, so kann man herausrechnen, daß die
Flasche Champagner dem Fabrikanten selbst 4 Francs 50 Centimes, das
Dutzend also S4 Francs kostet. Zu Reims und Epernay aber kauft man
Champagner von der geringsten Sorte um 20 Francs das Dutzend. Bessere
Sorten kosten 28 bis 42, und Weine von berühmter Marke 48 bis 66 Francs.
Es liegt deshalb auf der Hand, daß viele wohlbekannte Champagner nur eine
ziemlich beschränkte Menge des Traubensaftes enthalten können, welchen man
die „goldne Rebe von Ap" nennt, und von dem man glaubt, daß er die Basis
der vornehmsten Marken bilde.

Guter Champagner ist von bleicher Bernsteinfarbe. Die dunklere Färbung,
welche unter dem Ausdrucke „seil as xei-äre-in" bekannt ist, wird einfach durch
den Farbstoff hervorgebracht, den man aus den Hülsen der Weinbeeren preßt.
Der rosenrothe Champagner, der vor etwa fünfundzwanzig Jahren Mode
wurde, verdankte seine Farbe einer schwachen Beimischung von dunkelrothen
Weine, einem Zusatz von Cochenille oder der „tsinte ass ?ismes", die nichts
Anderes ist, als Hollunderbeerensast mit Alaun.

Nach Doctor Berne Jones' Analyse wissen wir, daß der Champagner
14 Procent Alkohol enthält, wogegen sich im Portwein 22, im Burgunder
12 und im Bordeaux 10 Procent fanden. Süßer Champagner schäumt zuerst
mehr als herber, aber das Moussiren hört sehr bald nach Entfernung des
Korkes auf. Herber dagegen, der seine Effervescenz nicht einem Zuckerbeisatz,
sondern einzig dem natürlichen Zuckergehalt der Traube verdankt, bleibt ge¬
raume Zeit, nachdem er ins Glas geflossen, im Schäumen, was daher rührt,
daß die Kohlensäure vom Weine selbst absorbirt worden, statt ihm hinzuge¬
than ist, in welchem letzteren Falle sie sich oben, unmittelbar beim Kork hält.

Guter Sect verliert, wenn er einige Stunden im Glase steht, allerdings
die Kraft des Schäumens, da die Kohlensäure entweicht, behält aber seinen
Körper und Wohlgeschmack, die durch das Moussiren mehr oder minder ver¬
borgen waren. Dennoch muß man die in England vorkommende Sitte, den
Champagner in Karaffen zu serviren, für eine Abgeschmacktheit erklären, da es
erstens viel feinere nichtmoussirende Weißweine giebt, als das Departement der
Marne erzeugt, und da zweitens der Champagner gar nicht bestimmt ist, ge¬
trunken zu werden, wenn er ausgeschäumt hat. Ganz ebenso thöricht ist es,
den Champagner gefrieren zu lassen oder mit Eisstückchen oder Eiswasser zu
mischen. Denn einmal zerstört zu große Kälte sein Bouquet und seinen


Grenzboten 187S. I. ->o
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/313>, abgerufen am 24.08.2024.