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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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die Räuberhöhle im Melodrama, feucht und von Kerzenrauch geschwärzt, Ei¬
genschaften, mit denen sie sich stark von den modernen Theilen dieser Keller¬
welt unterscheiden. Zur Erleuchtung der letzteren brennen jeden Tag 125
Gasflammen und 60 Petroleumlampen, und überdieß werden täglich circa SO
Pfund Talglichter verbraucht.

Indem wir unsere Promenade fortsetzen, erreichen wir die neuen Gewölbe,
die man in der Kreideschicht unter der Höhe am oberen Theil des Faubourg
de la Folie anlegt. Hier ging sichs bei unserer Anwesenheit durchaus nicht
angenehm, da das Wasser von der Straße oben durch tröpfelte und zahlreiche
kleine Pfützen gebildet hatte, wo wir bis über die Knöchel in weißlichem
Schmutz zu waten hatten. Die Arbeiter waren hier auf eine Quelle gestoßen,
welche schnell einen Theil der Keller überfluthet hatte, dann aber durch Röh¬
ren in ein 26 Fuß tiefes Reservoir abgeleitet worden war, dessen Wasser man
nach oben pumpte und vorzüglich zum Abwaschen der Flaschen im Frühling
benutzte.

Aus den Kellern begaben wir uns zu dem Spuk-Departement, wo wäh¬
rend einer Zeit von drei Monaten, die im Mai beginnt, täglich 40.000 Fla¬
schen durch Maschinerie gereinigt werden. Wir besuchten hierauf das Ge¬
bäude, wo der Wein auf Flaschen gebracht wird, ein gewaltiges Haus von
23L Fuß Länge und IIS Fuß Tiefe, an dessen einem Ende sich auf einer
hohen Plattform zwei kolossale Becken befinden, von denen jedes 36.000 Kan¬
nen faßt. Dahinter liegt ein großes Waarenhaus, welches mit einem Hofe
in Verbindung steht. Wenn man die "vno6ö", d. h. die Mischung der rohen
Weine vornimmt, werden die Fässer auf einen Boden gewunden und ihr In¬
halt durch Fallthüren in diese Becken entleert, und wenn der Wein gründlich
gemischt ist, wird er durch Röhren nach dem andern Ende des Gebäudes ge¬
leitet, wo man im Laufe eines Tages 80,000 Flaschen füllen, stöpseln und in
die Keller befördern kann.

In einem anstoßenden großen Gebäude legt in der einen Ecke eine
Gruppe Weiber Staniolbogen auseinander, während andere Flaschenhälse da¬
mit belegen, Eticketten aufkleben und die Flaschen in matt rosa gefärbtes
Papier packen. Im Mittelpunkt des Waarenhauses ist man beschäftigt, einige
Eisenbahnlowries mit den Kisten und Körben voll Champagner zu beladen,
welche an der Wand des Gebäudes aufgestapelt sind. Ueberall sieht man
thätige Hände, von denen einige die Flaschen mit Stroh umwinden, andere
die Kisten zunageln, wieder andere die Körbe schließen und mit ihrer Adresse
versehen. Nachdem wir diese lebendige Scene verlassen, gehen wir schließlich
dahin, wo die Stöpsel, die man in großen Säcken direct aus Spanien bezieht,
sortirt, zurechtgeschnitten und durch Andrücken gegen Stahlscheiben, die über
Spirituslampen glühend gemacht sind, mit dem Fabrikzeichen versehen werden.


die Räuberhöhle im Melodrama, feucht und von Kerzenrauch geschwärzt, Ei¬
genschaften, mit denen sie sich stark von den modernen Theilen dieser Keller¬
welt unterscheiden. Zur Erleuchtung der letzteren brennen jeden Tag 125
Gasflammen und 60 Petroleumlampen, und überdieß werden täglich circa SO
Pfund Talglichter verbraucht.

Indem wir unsere Promenade fortsetzen, erreichen wir die neuen Gewölbe,
die man in der Kreideschicht unter der Höhe am oberen Theil des Faubourg
de la Folie anlegt. Hier ging sichs bei unserer Anwesenheit durchaus nicht
angenehm, da das Wasser von der Straße oben durch tröpfelte und zahlreiche
kleine Pfützen gebildet hatte, wo wir bis über die Knöchel in weißlichem
Schmutz zu waten hatten. Die Arbeiter waren hier auf eine Quelle gestoßen,
welche schnell einen Theil der Keller überfluthet hatte, dann aber durch Röh¬
ren in ein 26 Fuß tiefes Reservoir abgeleitet worden war, dessen Wasser man
nach oben pumpte und vorzüglich zum Abwaschen der Flaschen im Frühling
benutzte.

Aus den Kellern begaben wir uns zu dem Spuk-Departement, wo wäh¬
rend einer Zeit von drei Monaten, die im Mai beginnt, täglich 40.000 Fla¬
schen durch Maschinerie gereinigt werden. Wir besuchten hierauf das Ge¬
bäude, wo der Wein auf Flaschen gebracht wird, ein gewaltiges Haus von
23L Fuß Länge und IIS Fuß Tiefe, an dessen einem Ende sich auf einer
hohen Plattform zwei kolossale Becken befinden, von denen jedes 36.000 Kan¬
nen faßt. Dahinter liegt ein großes Waarenhaus, welches mit einem Hofe
in Verbindung steht. Wenn man die „vno6ö", d. h. die Mischung der rohen
Weine vornimmt, werden die Fässer auf einen Boden gewunden und ihr In¬
halt durch Fallthüren in diese Becken entleert, und wenn der Wein gründlich
gemischt ist, wird er durch Röhren nach dem andern Ende des Gebäudes ge¬
leitet, wo man im Laufe eines Tages 80,000 Flaschen füllen, stöpseln und in
die Keller befördern kann.

In einem anstoßenden großen Gebäude legt in der einen Ecke eine
Gruppe Weiber Staniolbogen auseinander, während andere Flaschenhälse da¬
mit belegen, Eticketten aufkleben und die Flaschen in matt rosa gefärbtes
Papier packen. Im Mittelpunkt des Waarenhauses ist man beschäftigt, einige
Eisenbahnlowries mit den Kisten und Körben voll Champagner zu beladen,
welche an der Wand des Gebäudes aufgestapelt sind. Ueberall sieht man
thätige Hände, von denen einige die Flaschen mit Stroh umwinden, andere
die Kisten zunageln, wieder andere die Körbe schließen und mit ihrer Adresse
versehen. Nachdem wir diese lebendige Scene verlassen, gehen wir schließlich
dahin, wo die Stöpsel, die man in großen Säcken direct aus Spanien bezieht,
sortirt, zurechtgeschnitten und durch Andrücken gegen Stahlscheiben, die über
Spirituslampen glühend gemacht sind, mit dem Fabrikzeichen versehen werden.


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[0309] die Räuberhöhle im Melodrama, feucht und von Kerzenrauch geschwärzt, Ei¬ genschaften, mit denen sie sich stark von den modernen Theilen dieser Keller¬ welt unterscheiden. Zur Erleuchtung der letzteren brennen jeden Tag 125 Gasflammen und 60 Petroleumlampen, und überdieß werden täglich circa SO Pfund Talglichter verbraucht. Indem wir unsere Promenade fortsetzen, erreichen wir die neuen Gewölbe, die man in der Kreideschicht unter der Höhe am oberen Theil des Faubourg de la Folie anlegt. Hier ging sichs bei unserer Anwesenheit durchaus nicht angenehm, da das Wasser von der Straße oben durch tröpfelte und zahlreiche kleine Pfützen gebildet hatte, wo wir bis über die Knöchel in weißlichem Schmutz zu waten hatten. Die Arbeiter waren hier auf eine Quelle gestoßen, welche schnell einen Theil der Keller überfluthet hatte, dann aber durch Röh¬ ren in ein 26 Fuß tiefes Reservoir abgeleitet worden war, dessen Wasser man nach oben pumpte und vorzüglich zum Abwaschen der Flaschen im Frühling benutzte. Aus den Kellern begaben wir uns zu dem Spuk-Departement, wo wäh¬ rend einer Zeit von drei Monaten, die im Mai beginnt, täglich 40.000 Fla¬ schen durch Maschinerie gereinigt werden. Wir besuchten hierauf das Ge¬ bäude, wo der Wein auf Flaschen gebracht wird, ein gewaltiges Haus von 23L Fuß Länge und IIS Fuß Tiefe, an dessen einem Ende sich auf einer hohen Plattform zwei kolossale Becken befinden, von denen jedes 36.000 Kan¬ nen faßt. Dahinter liegt ein großes Waarenhaus, welches mit einem Hofe in Verbindung steht. Wenn man die „vno6ö", d. h. die Mischung der rohen Weine vornimmt, werden die Fässer auf einen Boden gewunden und ihr In¬ halt durch Fallthüren in diese Becken entleert, und wenn der Wein gründlich gemischt ist, wird er durch Röhren nach dem andern Ende des Gebäudes ge¬ leitet, wo man im Laufe eines Tages 80,000 Flaschen füllen, stöpseln und in die Keller befördern kann. In einem anstoßenden großen Gebäude legt in der einen Ecke eine Gruppe Weiber Staniolbogen auseinander, während andere Flaschenhälse da¬ mit belegen, Eticketten aufkleben und die Flaschen in matt rosa gefärbtes Papier packen. Im Mittelpunkt des Waarenhauses ist man beschäftigt, einige Eisenbahnlowries mit den Kisten und Körben voll Champagner zu beladen, welche an der Wand des Gebäudes aufgestapelt sind. Ueberall sieht man thätige Hände, von denen einige die Flaschen mit Stroh umwinden, andere die Kisten zunageln, wieder andere die Körbe schließen und mit ihrer Adresse versehen. Nachdem wir diese lebendige Scene verlassen, gehen wir schließlich dahin, wo die Stöpsel, die man in großen Säcken direct aus Spanien bezieht, sortirt, zurechtgeschnitten und durch Andrücken gegen Stahlscheiben, die über Spirituslampen glühend gemacht sind, mit dem Fabrikzeichen versehen werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/309>, abgerufen am 24.08.2024.