Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Wein von großer Stärke und feinstem Wohlgeschmack. Außer dieser Trau-
bensorte hat man noch den Morillon Noir, der einen leichten angenehmen
Wein giebt, und den Pirol Gris, der in einigen Weingärten von Verzennay
gebaut wird und einen ebenfalls leichten, aber sehr duftigen Wein liefert.
Von den weißen Trauben, denen der Champagner hauptsächlich seinen Cha¬
rakter als Schaumwein verdankt, sind die berühmtesten der Plant Verd-Dore'e,
den man auch "die goldne Pflanze von Ap" nennt, und die Sorte Morillon
Blanc. welche letztere nicht bloß süß und duftreich, sondern auch sehr ergiebig
ist. Dazu mag noch der Muscat Blanc erwähnt werden, die süßeste und
blumenreichste von allen Sorten, die einen Wein von sehr viel Körper liefert,
und deren Traube einen sehr prononcirten Geschmack besitzt.

Der bedeutende Ausfall bei der diesjährigen Lese wird ausschließlich
dem Umstände zugeschrieben, daß das Holz der Reben im vorigen Winter voll¬
ständig durchgefroren ist, ein Unglück, welches den Winzern bis dahin unbe¬
kannt, obwohl es oft genug vorgekommen war, daß die Reben im Anfang
des Frühlings erfroren.

Die Weinbauer der Champagne verwenden circa 60.000 Pfähle für ihre
Rebstöcke auf die Hektare (2'/2 Preußische Morgen). Diese Pfähle, die nie
höher als etwa 1^ Elle sind, gelten als Schutz gegen den Reif. Um ferner
gegen diesen Frost zu schützen, der gewöhnlich zwischen der ersten Dämmerung
und Sonnenaufgang eintritt und einen jährlichen Verlust von etwa fünf und
zwanzig Procent im Gefolge hat, häuft man Haufen von Heu, Reißig und
abgefallenem Laub in Abständen von zwanzig Schritten zusammen und trägt
Sorge, dieselben mäßig feucht zu halten. Wenn ein Frost zu fürchten ist,
werden die Haufen auf der Seite des Weinbergs, von welcher der Wind her
weht, angezündet, worauf der aufsteigende dicke Rauch sich horizontal über dem
Weinberg ausbreitet und dasselbe Resultat wie eine Wolke hat, indem er die
Sonnenstrahlen aufhält, die Atmosphäre wärmt und den Reif in Thau ver¬
wandelt. Eine andere Methode, die Rebstöcke vor Frösten zu schützen, ist die.
daß man Zweige von Besenkraut in der Form eines Fächers zusammenbindet
und sie dann an das Ende eines Pfahls befestigt, den man schräg in den
Boden steckt, so daß der Fächer sich über die Rebe neigt und sie vor den
Sonnenstrahlen beschützt. Ein einziger Tagelöhner soll im Laufe eines langen
Tages gegen achttausend solcher Schirme in den Boden pflanzen können.

Mit Ausnahme gewisser berühmter Weinberge im Rhonethal kann man
die Rebenpflanzungen der Champagne zu den malerischsten unter den bekann¬
teren Weindistnkten von Frankreich rechnen. Zwischen Paris und Epernay
bieten selbst die Ufer der Marne eine Reihenfolge von Scenen stiller Schönheit.
Der wellige Boden ist überall angebaut wie ein Garten. Hübsche Schlösser
und reizende Landhäuser lauschen vergnügt aus vollem Laubwald hervor.


ein Wein von großer Stärke und feinstem Wohlgeschmack. Außer dieser Trau-
bensorte hat man noch den Morillon Noir, der einen leichten angenehmen
Wein giebt, und den Pirol Gris, der in einigen Weingärten von Verzennay
gebaut wird und einen ebenfalls leichten, aber sehr duftigen Wein liefert.
Von den weißen Trauben, denen der Champagner hauptsächlich seinen Cha¬
rakter als Schaumwein verdankt, sind die berühmtesten der Plant Verd-Dore'e,
den man auch „die goldne Pflanze von Ap" nennt, und die Sorte Morillon
Blanc. welche letztere nicht bloß süß und duftreich, sondern auch sehr ergiebig
ist. Dazu mag noch der Muscat Blanc erwähnt werden, die süßeste und
blumenreichste von allen Sorten, die einen Wein von sehr viel Körper liefert,
und deren Traube einen sehr prononcirten Geschmack besitzt.

Der bedeutende Ausfall bei der diesjährigen Lese wird ausschließlich
dem Umstände zugeschrieben, daß das Holz der Reben im vorigen Winter voll¬
ständig durchgefroren ist, ein Unglück, welches den Winzern bis dahin unbe¬
kannt, obwohl es oft genug vorgekommen war, daß die Reben im Anfang
des Frühlings erfroren.

Die Weinbauer der Champagne verwenden circa 60.000 Pfähle für ihre
Rebstöcke auf die Hektare (2'/2 Preußische Morgen). Diese Pfähle, die nie
höher als etwa 1^ Elle sind, gelten als Schutz gegen den Reif. Um ferner
gegen diesen Frost zu schützen, der gewöhnlich zwischen der ersten Dämmerung
und Sonnenaufgang eintritt und einen jährlichen Verlust von etwa fünf und
zwanzig Procent im Gefolge hat, häuft man Haufen von Heu, Reißig und
abgefallenem Laub in Abständen von zwanzig Schritten zusammen und trägt
Sorge, dieselben mäßig feucht zu halten. Wenn ein Frost zu fürchten ist,
werden die Haufen auf der Seite des Weinbergs, von welcher der Wind her
weht, angezündet, worauf der aufsteigende dicke Rauch sich horizontal über dem
Weinberg ausbreitet und dasselbe Resultat wie eine Wolke hat, indem er die
Sonnenstrahlen aufhält, die Atmosphäre wärmt und den Reif in Thau ver¬
wandelt. Eine andere Methode, die Rebstöcke vor Frösten zu schützen, ist die.
daß man Zweige von Besenkraut in der Form eines Fächers zusammenbindet
und sie dann an das Ende eines Pfahls befestigt, den man schräg in den
Boden steckt, so daß der Fächer sich über die Rebe neigt und sie vor den
Sonnenstrahlen beschützt. Ein einziger Tagelöhner soll im Laufe eines langen
Tages gegen achttausend solcher Schirme in den Boden pflanzen können.

Mit Ausnahme gewisser berühmter Weinberge im Rhonethal kann man
die Rebenpflanzungen der Champagne zu den malerischsten unter den bekann¬
teren Weindistnkten von Frankreich rechnen. Zwischen Paris und Epernay
bieten selbst die Ufer der Marne eine Reihenfolge von Scenen stiller Schönheit.
Der wellige Boden ist überall angebaut wie ein Garten. Hübsche Schlösser
und reizende Landhäuser lauschen vergnügt aus vollem Laubwald hervor.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129254"/>
            <p xml:id="ID_823" prev="#ID_822"> ein Wein von großer Stärke und feinstem Wohlgeschmack. Außer dieser Trau-<lb/>
bensorte hat man noch den Morillon Noir, der einen leichten angenehmen<lb/>
Wein giebt, und den Pirol Gris, der in einigen Weingärten von Verzennay<lb/>
gebaut wird und einen ebenfalls leichten, aber sehr duftigen Wein liefert.<lb/>
Von den weißen Trauben, denen der Champagner hauptsächlich seinen Cha¬<lb/>
rakter als Schaumwein verdankt, sind die berühmtesten der Plant Verd-Dore'e,<lb/>
den man auch &#x201E;die goldne Pflanze von Ap" nennt, und die Sorte Morillon<lb/>
Blanc. welche letztere nicht bloß süß und duftreich, sondern auch sehr ergiebig<lb/>
ist. Dazu mag noch der Muscat Blanc erwähnt werden, die süßeste und<lb/>
blumenreichste von allen Sorten, die einen Wein von sehr viel Körper liefert,<lb/>
und deren Traube einen sehr prononcirten Geschmack besitzt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_824"> Der bedeutende Ausfall bei der diesjährigen Lese wird ausschließlich<lb/>
dem Umstände zugeschrieben, daß das Holz der Reben im vorigen Winter voll¬<lb/>
ständig durchgefroren ist, ein Unglück, welches den Winzern bis dahin unbe¬<lb/>
kannt, obwohl es oft genug vorgekommen war, daß die Reben im Anfang<lb/>
des Frühlings erfroren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_825"> Die Weinbauer der Champagne verwenden circa 60.000 Pfähle für ihre<lb/>
Rebstöcke auf die Hektare (2'/2 Preußische Morgen). Diese Pfähle, die nie<lb/>
höher als etwa 1^ Elle sind, gelten als Schutz gegen den Reif. Um ferner<lb/>
gegen diesen Frost zu schützen, der gewöhnlich zwischen der ersten Dämmerung<lb/>
und Sonnenaufgang eintritt und einen jährlichen Verlust von etwa fünf und<lb/>
zwanzig Procent im Gefolge hat, häuft man Haufen von Heu, Reißig und<lb/>
abgefallenem Laub in Abständen von zwanzig Schritten zusammen und trägt<lb/>
Sorge, dieselben mäßig feucht zu halten. Wenn ein Frost zu fürchten ist,<lb/>
werden die Haufen auf der Seite des Weinbergs, von welcher der Wind her<lb/>
weht, angezündet, worauf der aufsteigende dicke Rauch sich horizontal über dem<lb/>
Weinberg ausbreitet und dasselbe Resultat wie eine Wolke hat, indem er die<lb/>
Sonnenstrahlen aufhält, die Atmosphäre wärmt und den Reif in Thau ver¬<lb/>
wandelt. Eine andere Methode, die Rebstöcke vor Frösten zu schützen, ist die.<lb/>
daß man Zweige von Besenkraut in der Form eines Fächers zusammenbindet<lb/>
und sie dann an das Ende eines Pfahls befestigt, den man schräg in den<lb/>
Boden steckt, so daß der Fächer sich über die Rebe neigt und sie vor den<lb/>
Sonnenstrahlen beschützt. Ein einziger Tagelöhner soll im Laufe eines langen<lb/>
Tages gegen achttausend solcher Schirme in den Boden pflanzen können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_826" next="#ID_827"> Mit Ausnahme gewisser berühmter Weinberge im Rhonethal kann man<lb/>
die Rebenpflanzungen der Champagne zu den malerischsten unter den bekann¬<lb/>
teren Weindistnkten von Frankreich rechnen. Zwischen Paris und Epernay<lb/>
bieten selbst die Ufer der Marne eine Reihenfolge von Scenen stiller Schönheit.<lb/>
Der wellige Boden ist überall angebaut wie ein Garten. Hübsche Schlösser<lb/>
und reizende Landhäuser lauschen vergnügt aus vollem Laubwald hervor.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0262] ein Wein von großer Stärke und feinstem Wohlgeschmack. Außer dieser Trau- bensorte hat man noch den Morillon Noir, der einen leichten angenehmen Wein giebt, und den Pirol Gris, der in einigen Weingärten von Verzennay gebaut wird und einen ebenfalls leichten, aber sehr duftigen Wein liefert. Von den weißen Trauben, denen der Champagner hauptsächlich seinen Cha¬ rakter als Schaumwein verdankt, sind die berühmtesten der Plant Verd-Dore'e, den man auch „die goldne Pflanze von Ap" nennt, und die Sorte Morillon Blanc. welche letztere nicht bloß süß und duftreich, sondern auch sehr ergiebig ist. Dazu mag noch der Muscat Blanc erwähnt werden, die süßeste und blumenreichste von allen Sorten, die einen Wein von sehr viel Körper liefert, und deren Traube einen sehr prononcirten Geschmack besitzt. Der bedeutende Ausfall bei der diesjährigen Lese wird ausschließlich dem Umstände zugeschrieben, daß das Holz der Reben im vorigen Winter voll¬ ständig durchgefroren ist, ein Unglück, welches den Winzern bis dahin unbe¬ kannt, obwohl es oft genug vorgekommen war, daß die Reben im Anfang des Frühlings erfroren. Die Weinbauer der Champagne verwenden circa 60.000 Pfähle für ihre Rebstöcke auf die Hektare (2'/2 Preußische Morgen). Diese Pfähle, die nie höher als etwa 1^ Elle sind, gelten als Schutz gegen den Reif. Um ferner gegen diesen Frost zu schützen, der gewöhnlich zwischen der ersten Dämmerung und Sonnenaufgang eintritt und einen jährlichen Verlust von etwa fünf und zwanzig Procent im Gefolge hat, häuft man Haufen von Heu, Reißig und abgefallenem Laub in Abständen von zwanzig Schritten zusammen und trägt Sorge, dieselben mäßig feucht zu halten. Wenn ein Frost zu fürchten ist, werden die Haufen auf der Seite des Weinbergs, von welcher der Wind her weht, angezündet, worauf der aufsteigende dicke Rauch sich horizontal über dem Weinberg ausbreitet und dasselbe Resultat wie eine Wolke hat, indem er die Sonnenstrahlen aufhält, die Atmosphäre wärmt und den Reif in Thau ver¬ wandelt. Eine andere Methode, die Rebstöcke vor Frösten zu schützen, ist die. daß man Zweige von Besenkraut in der Form eines Fächers zusammenbindet und sie dann an das Ende eines Pfahls befestigt, den man schräg in den Boden steckt, so daß der Fächer sich über die Rebe neigt und sie vor den Sonnenstrahlen beschützt. Ein einziger Tagelöhner soll im Laufe eines langen Tages gegen achttausend solcher Schirme in den Boden pflanzen können. Mit Ausnahme gewisser berühmter Weinberge im Rhonethal kann man die Rebenpflanzungen der Champagne zu den malerischsten unter den bekann¬ teren Weindistnkten von Frankreich rechnen. Zwischen Paris und Epernay bieten selbst die Ufer der Marne eine Reihenfolge von Scenen stiller Schönheit. Der wellige Boden ist überall angebaut wie ein Garten. Hübsche Schlösser und reizende Landhäuser lauschen vergnügt aus vollem Laubwald hervor.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/262
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/262>, abgerufen am 24.08.2024.