Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Henker oder durch Krankheit den Tod fanden. Die Baronin Perollo, die in
tiefster Trauerkleidung nach Palermo kam, trieb die Regierung ohne Unter¬
laß und auf jede Weise zur Bestrafung des Mordes ihres Gemahls an. Der
alte Graf Giovanni Luna. welcher der Anreizung und Connivenz bei jenem
Verbrechen bezüchtigt wurde, begab sich an den Hof des Kaisers, von wo er
riach einem Jahre zurückkehrte, um mit denen, welche nicht öffentlich, sondern
insgeheim an demselben Theil genommen, gerichtet zu werden. Die Stadt
Sciacca endlich, heimgesucht durch die Missethaten Luna's so wie durch die
furchtbare Strenge und die zahlreichen Todesurtheile, sah sich, weil ihre passive
Schwäche nicht Mitleid sondern Strafe verdiene, auch dazu verurtheilt, die
durch die Anwesenheit der zwei königlichen Commissäre, ihrer Assessoren. Be¬
gleiter und Soldaten aufgelaufenen Kosten zu bezahlen. Und wenn es ihr
auch durch Vorstellungen bei der Krone gelang, die Rücknahme dieser Sen¬
tenz zu bewirken, so blieb sie doch in Folge jener traurigen Erreignisse ent¬
völkert und verwüstet, und vermochte sich im Laufe dreier Jahrhunderte nie
wieder von diesem harten Schlage zu erholen.

Unterdessen hatte Sigismund. der keineswegs daran dachte, gegen die Regie¬
rung einen unnützen und zwecklosen Kampf zu führen, sich in Bivona bloß so lange
aufgehalten, bis er Mittel und Wege zur Flucht aus Sicilien gefunden, worauf
er sich eines Nachts nach seinem Lehngut äolla Veräura begab und dort mit
Frau und Kindern an Bord eines ihn erwartenden Schiffes ging, in Begleitung
von Ferrante Lucchesi und Man Pietro Jnfontcinella. Von seinen aufge¬
lösten Banden kehrten die Einen in ihre Heimat zurück, die Meisten aber durch¬
zogen raubend und mordend die Insel und wurden allmählich getödtet und
hingerichtet.

Sigismund selbst begab sich nach Rom, warf sich dort mit den Sei¬
nigen dem Papst Clemens VII., dem Oheim seine Frau, zu Füßen und erflehte
von ihm Absolution, eine Zufluchtstätte und Fürsprache beim kaiserlichen
Hofe. Da gerade damals Clemens mit Carl V. in freundschaftlichem Ver¬
hältniß stand und im darauffolgenden Jahre zu Bologna der dort stattfin¬
denden Krönung wegen mit dem Kaiser zusammentraf, so soll ihn der heilige
Vater in Gegenwart der Cardinäle und anderer hoher Personen um Gnade
für den Grafen Luna gebeten, jener aber bei Nennung dieses Namens die
Stirn gerunzelt und die Bitte kurzweg abgeschlagen haben. Als jedoch der Papst
einige Tage später wiederum darauf zurück kam, erlangte er, daß wenigstens
die Kinder des Grafen die eingezogenen Güter zurückerhielten, nachdem vorher
der Verlust des Hauses Perollo diesem Geschlecht aus denselben erstattet
worden. Graf Sigismund felbst aber soll, wie das Gerücht ging, an aller
Hoffnung für sich verzweifelnd, wahnsinnig durch die Straßen nach der Tiber
gelaufen sein und in dieser den Tod gefunden haben. --


Henker oder durch Krankheit den Tod fanden. Die Baronin Perollo, die in
tiefster Trauerkleidung nach Palermo kam, trieb die Regierung ohne Unter¬
laß und auf jede Weise zur Bestrafung des Mordes ihres Gemahls an. Der
alte Graf Giovanni Luna. welcher der Anreizung und Connivenz bei jenem
Verbrechen bezüchtigt wurde, begab sich an den Hof des Kaisers, von wo er
riach einem Jahre zurückkehrte, um mit denen, welche nicht öffentlich, sondern
insgeheim an demselben Theil genommen, gerichtet zu werden. Die Stadt
Sciacca endlich, heimgesucht durch die Missethaten Luna's so wie durch die
furchtbare Strenge und die zahlreichen Todesurtheile, sah sich, weil ihre passive
Schwäche nicht Mitleid sondern Strafe verdiene, auch dazu verurtheilt, die
durch die Anwesenheit der zwei königlichen Commissäre, ihrer Assessoren. Be¬
gleiter und Soldaten aufgelaufenen Kosten zu bezahlen. Und wenn es ihr
auch durch Vorstellungen bei der Krone gelang, die Rücknahme dieser Sen¬
tenz zu bewirken, so blieb sie doch in Folge jener traurigen Erreignisse ent¬
völkert und verwüstet, und vermochte sich im Laufe dreier Jahrhunderte nie
wieder von diesem harten Schlage zu erholen.

Unterdessen hatte Sigismund. der keineswegs daran dachte, gegen die Regie¬
rung einen unnützen und zwecklosen Kampf zu führen, sich in Bivona bloß so lange
aufgehalten, bis er Mittel und Wege zur Flucht aus Sicilien gefunden, worauf
er sich eines Nachts nach seinem Lehngut äolla Veräura begab und dort mit
Frau und Kindern an Bord eines ihn erwartenden Schiffes ging, in Begleitung
von Ferrante Lucchesi und Man Pietro Jnfontcinella. Von seinen aufge¬
lösten Banden kehrten die Einen in ihre Heimat zurück, die Meisten aber durch¬
zogen raubend und mordend die Insel und wurden allmählich getödtet und
hingerichtet.

Sigismund selbst begab sich nach Rom, warf sich dort mit den Sei¬
nigen dem Papst Clemens VII., dem Oheim seine Frau, zu Füßen und erflehte
von ihm Absolution, eine Zufluchtstätte und Fürsprache beim kaiserlichen
Hofe. Da gerade damals Clemens mit Carl V. in freundschaftlichem Ver¬
hältniß stand und im darauffolgenden Jahre zu Bologna der dort stattfin¬
denden Krönung wegen mit dem Kaiser zusammentraf, so soll ihn der heilige
Vater in Gegenwart der Cardinäle und anderer hoher Personen um Gnade
für den Grafen Luna gebeten, jener aber bei Nennung dieses Namens die
Stirn gerunzelt und die Bitte kurzweg abgeschlagen haben. Als jedoch der Papst
einige Tage später wiederum darauf zurück kam, erlangte er, daß wenigstens
die Kinder des Grafen die eingezogenen Güter zurückerhielten, nachdem vorher
der Verlust des Hauses Perollo diesem Geschlecht aus denselben erstattet
worden. Graf Sigismund felbst aber soll, wie das Gerücht ging, an aller
Hoffnung für sich verzweifelnd, wahnsinnig durch die Straßen nach der Tiber
gelaufen sein und in dieser den Tod gefunden haben. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129175"/>
            <p xml:id="ID_582" prev="#ID_581"> Henker oder durch Krankheit den Tod fanden. Die Baronin Perollo, die in<lb/>
tiefster Trauerkleidung nach Palermo kam, trieb die Regierung ohne Unter¬<lb/>
laß und auf jede Weise zur Bestrafung des Mordes ihres Gemahls an. Der<lb/>
alte Graf Giovanni Luna. welcher der Anreizung und Connivenz bei jenem<lb/>
Verbrechen bezüchtigt wurde, begab sich an den Hof des Kaisers, von wo er<lb/>
riach einem Jahre zurückkehrte, um mit denen, welche nicht öffentlich, sondern<lb/>
insgeheim an demselben Theil genommen, gerichtet zu werden. Die Stadt<lb/>
Sciacca endlich, heimgesucht durch die Missethaten Luna's so wie durch die<lb/>
furchtbare Strenge und die zahlreichen Todesurtheile, sah sich, weil ihre passive<lb/>
Schwäche nicht Mitleid sondern Strafe verdiene, auch dazu verurtheilt, die<lb/>
durch die Anwesenheit der zwei königlichen Commissäre, ihrer Assessoren. Be¬<lb/>
gleiter und Soldaten aufgelaufenen Kosten zu bezahlen. Und wenn es ihr<lb/>
auch durch Vorstellungen bei der Krone gelang, die Rücknahme dieser Sen¬<lb/>
tenz zu bewirken, so blieb sie doch in Folge jener traurigen Erreignisse ent¬<lb/>
völkert und verwüstet, und vermochte sich im Laufe dreier Jahrhunderte nie<lb/>
wieder von diesem harten Schlage zu erholen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_583"> Unterdessen hatte Sigismund. der keineswegs daran dachte, gegen die Regie¬<lb/>
rung einen unnützen und zwecklosen Kampf zu führen, sich in Bivona bloß so lange<lb/>
aufgehalten, bis er Mittel und Wege zur Flucht aus Sicilien gefunden, worauf<lb/>
er sich eines Nachts nach seinem Lehngut äolla Veräura begab und dort mit<lb/>
Frau und Kindern an Bord eines ihn erwartenden Schiffes ging, in Begleitung<lb/>
von Ferrante Lucchesi und Man Pietro Jnfontcinella. Von seinen aufge¬<lb/>
lösten Banden kehrten die Einen in ihre Heimat zurück, die Meisten aber durch¬<lb/>
zogen raubend und mordend die Insel und wurden allmählich getödtet und<lb/>
hingerichtet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_584"> Sigismund selbst begab sich nach Rom, warf sich dort mit den Sei¬<lb/>
nigen dem Papst Clemens VII., dem Oheim seine Frau, zu Füßen und erflehte<lb/>
von ihm Absolution, eine Zufluchtstätte und Fürsprache beim kaiserlichen<lb/>
Hofe. Da gerade damals Clemens mit Carl V. in freundschaftlichem Ver¬<lb/>
hältniß stand und im darauffolgenden Jahre zu Bologna der dort stattfin¬<lb/>
denden Krönung wegen mit dem Kaiser zusammentraf, so soll ihn der heilige<lb/>
Vater in Gegenwart der Cardinäle und anderer hoher Personen um Gnade<lb/>
für den Grafen Luna gebeten, jener aber bei Nennung dieses Namens die<lb/>
Stirn gerunzelt und die Bitte kurzweg abgeschlagen haben. Als jedoch der Papst<lb/>
einige Tage später wiederum darauf zurück kam, erlangte er, daß wenigstens<lb/>
die Kinder des Grafen die eingezogenen Güter zurückerhielten, nachdem vorher<lb/>
der Verlust des Hauses Perollo diesem Geschlecht aus denselben erstattet<lb/>
worden. Graf Sigismund felbst aber soll, wie das Gerücht ging, an aller<lb/>
Hoffnung für sich verzweifelnd, wahnsinnig durch die Straßen nach der Tiber<lb/>
gelaufen sein und in dieser den Tod gefunden haben. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0183] Henker oder durch Krankheit den Tod fanden. Die Baronin Perollo, die in tiefster Trauerkleidung nach Palermo kam, trieb die Regierung ohne Unter¬ laß und auf jede Weise zur Bestrafung des Mordes ihres Gemahls an. Der alte Graf Giovanni Luna. welcher der Anreizung und Connivenz bei jenem Verbrechen bezüchtigt wurde, begab sich an den Hof des Kaisers, von wo er riach einem Jahre zurückkehrte, um mit denen, welche nicht öffentlich, sondern insgeheim an demselben Theil genommen, gerichtet zu werden. Die Stadt Sciacca endlich, heimgesucht durch die Missethaten Luna's so wie durch die furchtbare Strenge und die zahlreichen Todesurtheile, sah sich, weil ihre passive Schwäche nicht Mitleid sondern Strafe verdiene, auch dazu verurtheilt, die durch die Anwesenheit der zwei königlichen Commissäre, ihrer Assessoren. Be¬ gleiter und Soldaten aufgelaufenen Kosten zu bezahlen. Und wenn es ihr auch durch Vorstellungen bei der Krone gelang, die Rücknahme dieser Sen¬ tenz zu bewirken, so blieb sie doch in Folge jener traurigen Erreignisse ent¬ völkert und verwüstet, und vermochte sich im Laufe dreier Jahrhunderte nie wieder von diesem harten Schlage zu erholen. Unterdessen hatte Sigismund. der keineswegs daran dachte, gegen die Regie¬ rung einen unnützen und zwecklosen Kampf zu führen, sich in Bivona bloß so lange aufgehalten, bis er Mittel und Wege zur Flucht aus Sicilien gefunden, worauf er sich eines Nachts nach seinem Lehngut äolla Veräura begab und dort mit Frau und Kindern an Bord eines ihn erwartenden Schiffes ging, in Begleitung von Ferrante Lucchesi und Man Pietro Jnfontcinella. Von seinen aufge¬ lösten Banden kehrten die Einen in ihre Heimat zurück, die Meisten aber durch¬ zogen raubend und mordend die Insel und wurden allmählich getödtet und hingerichtet. Sigismund selbst begab sich nach Rom, warf sich dort mit den Sei¬ nigen dem Papst Clemens VII., dem Oheim seine Frau, zu Füßen und erflehte von ihm Absolution, eine Zufluchtstätte und Fürsprache beim kaiserlichen Hofe. Da gerade damals Clemens mit Carl V. in freundschaftlichem Ver¬ hältniß stand und im darauffolgenden Jahre zu Bologna der dort stattfin¬ denden Krönung wegen mit dem Kaiser zusammentraf, so soll ihn der heilige Vater in Gegenwart der Cardinäle und anderer hoher Personen um Gnade für den Grafen Luna gebeten, jener aber bei Nennung dieses Namens die Stirn gerunzelt und die Bitte kurzweg abgeschlagen haben. Als jedoch der Papst einige Tage später wiederum darauf zurück kam, erlangte er, daß wenigstens die Kinder des Grafen die eingezogenen Güter zurückerhielten, nachdem vorher der Verlust des Hauses Perollo diesem Geschlecht aus denselben erstattet worden. Graf Sigismund felbst aber soll, wie das Gerücht ging, an aller Hoffnung für sich verzweifelnd, wahnsinnig durch die Straßen nach der Tiber gelaufen sein und in dieser den Tod gefunden haben. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/183
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/183>, abgerufen am 24.08.2024.