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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Nachdem die Banden Luna's das Schloß ausgeplündert, steckten sie es
von allen Seiten in Brand. Der Graf aber machte den Seinigen heftige
Vorwürfe, daß sie. nur mit der Beute beschäftigt, seinen Hauptfeind hätten
entkommen lassen. Giacomo war inzwischen im bloßen Wamms durch abge¬
legene Gäßchen nach dem Thor Se. Elmo gelangt und dort in der Nähe von dem
Stadtartilleristen Luca Parise in seine ärmliche Wohnung aufgenommen worden,
wo er sich in einer Getreidegrube verbarg. Jedoch hatte ihn Jemand beim
Hineingehen bemerkt und Erasmo Lorica davon unverzüglich in Kenntniß ge¬
setzt, der spornstreichs herbei eilte. Giacomo schlang ihm eine goldene Kette
um den Hals und flehte ihn an, ihn lebendig zu dem Grafen zu bringen.
Inzwischen kamen andere Leute Luna's herbei, unter ihnen ein gewisser
Giovanni Lipari aus Traponi, der Giacomo mit niedrigen Schmähungen über¬
häufte und als dieser ihm gelassen antwortete, ihm einen Dolchstich in die Brust
versetzte, ohne daß Erasmo Loria irgend Miene machte, ihn zu vertheidigen,
worauf Calogero Calandrini ihn vollends niederstieß und er von allen übrigen
am ganzen Leibe mit Wunden bedeckt, den Tod fand. Als Luna dies ver¬
nahm, rief er, mit einem von barbarischer Freude strahlenden Angesicht selt¬
samerweise: "Es lebe der Kaiser!" Dann ließ der Graf einen Sclaven ein
Pferd besteigen und den an den Schweif gebundenen Leichnam Perollo's unter
dem wilden Hohn- und Jubelgeschrei der Seinigen durch die Straßen der
Stadt schleifen, wobei Luna selbst mit entblößtem Haupte und gezogenem
Schwert hinterher ritt. Trotz des Schreckens, welchen dieses entsetzliche Schau¬
spiel dem Volke einflößte, vermochte es seine Empfindungen doch nicht gänzlich
zu bemeistern. Ueberall, wo der gräßliche Aufzug vorüberkam, vernahm man
laut das Seufzen und Stöhnen der bestürzten Einwohner. Besonders die
Frauen rauften sich auf der Schwelle ihrer Wohnungen die Haare aus und
zerkratzten sich die Gesichter. Und Accurfio Amado, der an seiner Todeswunde
darniederlag und seiner letzten Stunde entgegensah, richtete sich im Bette auf,
ließ sich ans Fenster tragen und rief beim Anblick der blutigen Leiche Giacomo's
aus: "Jetzt sterbe ich zufrieden!"

Nicht einmal ein Grab hätten die zahlreichen Schlachtopfer gefunden,
wenn nicht einige Mönche mit großer Mühe von dem Grafen die Erlaubniß
erhalten hätten, sie zu beerdigen, zuerst für Statella und seine Begleiter, dann
auch für Perollo. unter der Bedingung, daß letzterem keinerlei Ehren erwiesen
würden. Zwei Tage nachher kam seine tiefbekümmerte Gattin in Begleitung
einer großen Zahl jammernder Frauen aus dem Kloster äelle Viummare, be¬
deckte den ausgegrabenen Leichnam Giacomo's mit ihren Küssen und brachte
ihn in eine benachbarte Kirche.

In Folge dieses Vorfalls blieb die Stadt Sciacca in einer vollständigen


Nachdem die Banden Luna's das Schloß ausgeplündert, steckten sie es
von allen Seiten in Brand. Der Graf aber machte den Seinigen heftige
Vorwürfe, daß sie. nur mit der Beute beschäftigt, seinen Hauptfeind hätten
entkommen lassen. Giacomo war inzwischen im bloßen Wamms durch abge¬
legene Gäßchen nach dem Thor Se. Elmo gelangt und dort in der Nähe von dem
Stadtartilleristen Luca Parise in seine ärmliche Wohnung aufgenommen worden,
wo er sich in einer Getreidegrube verbarg. Jedoch hatte ihn Jemand beim
Hineingehen bemerkt und Erasmo Lorica davon unverzüglich in Kenntniß ge¬
setzt, der spornstreichs herbei eilte. Giacomo schlang ihm eine goldene Kette
um den Hals und flehte ihn an, ihn lebendig zu dem Grafen zu bringen.
Inzwischen kamen andere Leute Luna's herbei, unter ihnen ein gewisser
Giovanni Lipari aus Traponi, der Giacomo mit niedrigen Schmähungen über¬
häufte und als dieser ihm gelassen antwortete, ihm einen Dolchstich in die Brust
versetzte, ohne daß Erasmo Loria irgend Miene machte, ihn zu vertheidigen,
worauf Calogero Calandrini ihn vollends niederstieß und er von allen übrigen
am ganzen Leibe mit Wunden bedeckt, den Tod fand. Als Luna dies ver¬
nahm, rief er, mit einem von barbarischer Freude strahlenden Angesicht selt¬
samerweise: „Es lebe der Kaiser!" Dann ließ der Graf einen Sclaven ein
Pferd besteigen und den an den Schweif gebundenen Leichnam Perollo's unter
dem wilden Hohn- und Jubelgeschrei der Seinigen durch die Straßen der
Stadt schleifen, wobei Luna selbst mit entblößtem Haupte und gezogenem
Schwert hinterher ritt. Trotz des Schreckens, welchen dieses entsetzliche Schau¬
spiel dem Volke einflößte, vermochte es seine Empfindungen doch nicht gänzlich
zu bemeistern. Ueberall, wo der gräßliche Aufzug vorüberkam, vernahm man
laut das Seufzen und Stöhnen der bestürzten Einwohner. Besonders die
Frauen rauften sich auf der Schwelle ihrer Wohnungen die Haare aus und
zerkratzten sich die Gesichter. Und Accurfio Amado, der an seiner Todeswunde
darniederlag und seiner letzten Stunde entgegensah, richtete sich im Bette auf,
ließ sich ans Fenster tragen und rief beim Anblick der blutigen Leiche Giacomo's
aus: „Jetzt sterbe ich zufrieden!"

Nicht einmal ein Grab hätten die zahlreichen Schlachtopfer gefunden,
wenn nicht einige Mönche mit großer Mühe von dem Grafen die Erlaubniß
erhalten hätten, sie zu beerdigen, zuerst für Statella und seine Begleiter, dann
auch für Perollo. unter der Bedingung, daß letzterem keinerlei Ehren erwiesen
würden. Zwei Tage nachher kam seine tiefbekümmerte Gattin in Begleitung
einer großen Zahl jammernder Frauen aus dem Kloster äelle Viummare, be¬
deckte den ausgegrabenen Leichnam Giacomo's mit ihren Küssen und brachte
ihn in eine benachbarte Kirche.

In Folge dieses Vorfalls blieb die Stadt Sciacca in einer vollständigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/181>, abgerufen am 24.08.2024.