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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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und Enkeln. Die Stadt Sciacca aber, welche noch von Entsetzen über die
Frevelthaten der beiden Adelshäuser erfüllt war, ahnte nicht, welche neuen
Ruchlosigkeiten in nicht allzulanger Zeit aus jener Unglückssaat aufkeimen
sollten. --

Zu Anfang des XVI. Jahrhunderts stand an der Spitze des reichbegüterten
Hauses Luna jener Graf Giovanni, der sogar einige Monate lang Präsident
des Königreichs gewesen war. Als er im Jahre 1323 seinen erstgeborenen
Sohn Sigismund mit Lucrezia Salviati, einer Verwandten der toscanischen
Mediceer vermählte, trat'er ihm außer andern reichen Einkünften und Be¬
sitzungen auch den Titel als Graf von Caltabellota ab. Sigismund nahm
darauf seinen Wohnsitz auf seinen Gütern in der Nähe von Sciacca. wo
das alte befestigte Schloß der Peralta sich noch immer im Besitz seiner
Familie befand.

Zu jener Zeit war Giacomo Perollo, Baron von Pandolstna und Be¬
sitzer ausgedehnter Ländereien in dem Valle ti Mazzara, königlicher Gouver¬
neur (Portolano) von Sciacca, wo er die normannische Burg seiner Ahnen,
die er bewohnte, wiederherstellte, vergrößerte und mit verstärktem Geschütz
versah. Er genoß großes Ansehen bei dem Vicekönig Pignatelli. Da Giacomo
ihn in seiner Jugend, wo er sich als Edelknabe am Hofe Ferdinands des
Katholischen befand, kennen gelernt und außerdem während der politischen
Stürme, die in den ersten Regierungsjahren Karls V. Sicilien heimsuchten,
Hab und Gut nicht gespart hatte, um die Bevölkerung von Sciacca ruhig
und der Regierung gehorsam zu erhalten: so galt in Folge der Protection
des Mcekönigs und seines eigenen großen Reichthums Perollo für einen Ger
angesehensten Edelleute der Insel. In der Stadt Sciacca selbst aber nahm
er eine so angesehene Stellung ein, daß ihm daselbst alle Ehrfurcht und Un¬
terwürfigkeit erwiesen wurde, welche er nur irgend von seinen unmittelbaren
Vasallen hätte beanspruchen können. Als natürliches Haupt der daselbst
wohnenden Glieder seines alten Geschlechts fand er in ihnen zahlreiche und
zuverlässige Gefolgschaft. In dem Schloß, wo er, bereits bejahrt, mit seinen
Kindern wohnte, umgab ihn außer einer stehenden Besatzung von Söldlingen
auch eine große Schaar Diener. Oeffentlich erschien er in Begleitung eines
endlosen Hofstaats von Edelleuten, Clienten und Untergebenen aller Art.
Feste, Bankette, Schauspiele folgten sich ununterbrochen. Klöster und Kirchen,
Arme und Kranke wurden reich beschenkt und unterstützt. Mit einem Worte:
Giacomo Perollo führte ganz das Leben eines Fürsten. Er verlieh Aemter,
verfügte frei über das städtische Gut, kerkerte ein und ließ frei, wen ihm be¬
liebte. Wer etwas begehrte, wandte sich an ihn; nicht minder suchten und
fanden die von der Justiz verfolgten Verbrecher unter seinem Schutze Sicher-


und Enkeln. Die Stadt Sciacca aber, welche noch von Entsetzen über die
Frevelthaten der beiden Adelshäuser erfüllt war, ahnte nicht, welche neuen
Ruchlosigkeiten in nicht allzulanger Zeit aus jener Unglückssaat aufkeimen
sollten. —

Zu Anfang des XVI. Jahrhunderts stand an der Spitze des reichbegüterten
Hauses Luna jener Graf Giovanni, der sogar einige Monate lang Präsident
des Königreichs gewesen war. Als er im Jahre 1323 seinen erstgeborenen
Sohn Sigismund mit Lucrezia Salviati, einer Verwandten der toscanischen
Mediceer vermählte, trat'er ihm außer andern reichen Einkünften und Be¬
sitzungen auch den Titel als Graf von Caltabellota ab. Sigismund nahm
darauf seinen Wohnsitz auf seinen Gütern in der Nähe von Sciacca. wo
das alte befestigte Schloß der Peralta sich noch immer im Besitz seiner
Familie befand.

Zu jener Zeit war Giacomo Perollo, Baron von Pandolstna und Be¬
sitzer ausgedehnter Ländereien in dem Valle ti Mazzara, königlicher Gouver¬
neur (Portolano) von Sciacca, wo er die normannische Burg seiner Ahnen,
die er bewohnte, wiederherstellte, vergrößerte und mit verstärktem Geschütz
versah. Er genoß großes Ansehen bei dem Vicekönig Pignatelli. Da Giacomo
ihn in seiner Jugend, wo er sich als Edelknabe am Hofe Ferdinands des
Katholischen befand, kennen gelernt und außerdem während der politischen
Stürme, die in den ersten Regierungsjahren Karls V. Sicilien heimsuchten,
Hab und Gut nicht gespart hatte, um die Bevölkerung von Sciacca ruhig
und der Regierung gehorsam zu erhalten: so galt in Folge der Protection
des Mcekönigs und seines eigenen großen Reichthums Perollo für einen Ger
angesehensten Edelleute der Insel. In der Stadt Sciacca selbst aber nahm
er eine so angesehene Stellung ein, daß ihm daselbst alle Ehrfurcht und Un¬
terwürfigkeit erwiesen wurde, welche er nur irgend von seinen unmittelbaren
Vasallen hätte beanspruchen können. Als natürliches Haupt der daselbst
wohnenden Glieder seines alten Geschlechts fand er in ihnen zahlreiche und
zuverlässige Gefolgschaft. In dem Schloß, wo er, bereits bejahrt, mit seinen
Kindern wohnte, umgab ihn außer einer stehenden Besatzung von Söldlingen
auch eine große Schaar Diener. Oeffentlich erschien er in Begleitung eines
endlosen Hofstaats von Edelleuten, Clienten und Untergebenen aller Art.
Feste, Bankette, Schauspiele folgten sich ununterbrochen. Klöster und Kirchen,
Arme und Kranke wurden reich beschenkt und unterstützt. Mit einem Worte:
Giacomo Perollo führte ganz das Leben eines Fürsten. Er verlieh Aemter,
verfügte frei über das städtische Gut, kerkerte ein und ließ frei, wen ihm be¬
liebte. Wer etwas begehrte, wandte sich an ihn; nicht minder suchten und
fanden die von der Justiz verfolgten Verbrecher unter seinem Schutze Sicher-


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[0172] und Enkeln. Die Stadt Sciacca aber, welche noch von Entsetzen über die Frevelthaten der beiden Adelshäuser erfüllt war, ahnte nicht, welche neuen Ruchlosigkeiten in nicht allzulanger Zeit aus jener Unglückssaat aufkeimen sollten. — Zu Anfang des XVI. Jahrhunderts stand an der Spitze des reichbegüterten Hauses Luna jener Graf Giovanni, der sogar einige Monate lang Präsident des Königreichs gewesen war. Als er im Jahre 1323 seinen erstgeborenen Sohn Sigismund mit Lucrezia Salviati, einer Verwandten der toscanischen Mediceer vermählte, trat'er ihm außer andern reichen Einkünften und Be¬ sitzungen auch den Titel als Graf von Caltabellota ab. Sigismund nahm darauf seinen Wohnsitz auf seinen Gütern in der Nähe von Sciacca. wo das alte befestigte Schloß der Peralta sich noch immer im Besitz seiner Familie befand. Zu jener Zeit war Giacomo Perollo, Baron von Pandolstna und Be¬ sitzer ausgedehnter Ländereien in dem Valle ti Mazzara, königlicher Gouver¬ neur (Portolano) von Sciacca, wo er die normannische Burg seiner Ahnen, die er bewohnte, wiederherstellte, vergrößerte und mit verstärktem Geschütz versah. Er genoß großes Ansehen bei dem Vicekönig Pignatelli. Da Giacomo ihn in seiner Jugend, wo er sich als Edelknabe am Hofe Ferdinands des Katholischen befand, kennen gelernt und außerdem während der politischen Stürme, die in den ersten Regierungsjahren Karls V. Sicilien heimsuchten, Hab und Gut nicht gespart hatte, um die Bevölkerung von Sciacca ruhig und der Regierung gehorsam zu erhalten: so galt in Folge der Protection des Mcekönigs und seines eigenen großen Reichthums Perollo für einen Ger angesehensten Edelleute der Insel. In der Stadt Sciacca selbst aber nahm er eine so angesehene Stellung ein, daß ihm daselbst alle Ehrfurcht und Un¬ terwürfigkeit erwiesen wurde, welche er nur irgend von seinen unmittelbaren Vasallen hätte beanspruchen können. Als natürliches Haupt der daselbst wohnenden Glieder seines alten Geschlechts fand er in ihnen zahlreiche und zuverlässige Gefolgschaft. In dem Schloß, wo er, bereits bejahrt, mit seinen Kindern wohnte, umgab ihn außer einer stehenden Besatzung von Söldlingen auch eine große Schaar Diener. Oeffentlich erschien er in Begleitung eines endlosen Hofstaats von Edelleuten, Clienten und Untergebenen aller Art. Feste, Bankette, Schauspiele folgten sich ununterbrochen. Klöster und Kirchen, Arme und Kranke wurden reich beschenkt und unterstützt. Mit einem Worte: Giacomo Perollo führte ganz das Leben eines Fürsten. Er verlieh Aemter, verfügte frei über das städtische Gut, kerkerte ein und ließ frei, wen ihm be¬ liebte. Wer etwas begehrte, wandte sich an ihn; nicht minder suchten und fanden die von der Justiz verfolgten Verbrecher unter seinem Schutze Sicher-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/172>, abgerufen am 24.08.2024.