Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebente Woche: Wichtigste Nachricht. Plan Ismail Paschas, des Finanz¬
ministers, endlich reif geworden. Großwessir eingewilligt. Scheich Ul Islam
Segen darüber gesprochen. Padischcch gnädig dazu genickt, alle Botschaften
und Gesandschaften entzückt davon. Und nun kann der zum Elephanten an¬
geschwollene Pudel getrost platzen und der Kern heraustreten -- "eine neue
Anleihe von zehn Millionen Pfund ist zur Ausführung der großen Reform
nothwendig befunden worden. Nie konnte man sein Kapital vortheilhafter
Placiren. Wie wir erfahren, wird auch unser Geldmarkt von der günstigen
Gelegenheit Profitiren können. Anmerk. d. Redact. Siehe die Bedingungen
im heutigen Jnseratentheil."

So ist der große Tag gehörig vorbereitet, wo -- nun wo der sparsame
Hausknecht und sein gleich sparsamer Vetter und Gevatter sich "neue Türken"
zulegen. Drei Tage nachher ist die Anleihe überzeichnet, und die Zeitung weiß
nun nichts mehr von der Türkei und am wenigsten von den "neuen Türken",
die nach einer Woche um zwanzig Procent niedriger stehen.




Wärter's SpnchwörterleXicon.*)

Es giebt Bücher, welche Anfangs von den Sachverständigen gelassen bei
Seite gelegt werden, und später durch ihren colossalen Umfang und durch
energisch fortgesetzte Reclame eine Bedeutung gewinnen, die sie ihrem wissen¬
schaftlichen Werthe nach nicht verdienen.

Ein solches Werk ist das Sprichwörter. Lexicon von K. F. W. Wärter.

Die Idee, die deutschen Sprichwörter aus allen Gauen unseres deutschen
Vaterlandes und in den verschiedenen Mundarten des deutschen Volkes zu
sammeln und in einem Werke zu vereinigen, war eine so zeitgemäße, daß die
Ankündigung des obigen Lexicons wohl von jedem Liebhaber deutscher Sitte
und Sprache mit Freuden begrüßt worden ist, wenngleich man einige gerechte
Bedenken gegen die Befähigung des Herausgebers hatte.

Herr Wärter war nämlich in der gelehrten Welt schon längst als Fa¬
brikant von Sprichwörtern bekannt.

Bereits D. W. Körte, ein gewiegter Kenner und Sammler von Sprich¬
wörtern, sagt in der Einleitung zu der 1837 bei Brockhaus in Leipzig erschie¬
nenen 1. Auflage seiner "Sprichwörter der Deutschen" Seite 29:



*) Ein H^shah-itz für das deutsche Volk. Von K. F. W. Wärter. Leipzig, F. A.
Brockhaus.
Grenzboten I. i873.

Siebente Woche: Wichtigste Nachricht. Plan Ismail Paschas, des Finanz¬
ministers, endlich reif geworden. Großwessir eingewilligt. Scheich Ul Islam
Segen darüber gesprochen. Padischcch gnädig dazu genickt, alle Botschaften
und Gesandschaften entzückt davon. Und nun kann der zum Elephanten an¬
geschwollene Pudel getrost platzen und der Kern heraustreten — „eine neue
Anleihe von zehn Millionen Pfund ist zur Ausführung der großen Reform
nothwendig befunden worden. Nie konnte man sein Kapital vortheilhafter
Placiren. Wie wir erfahren, wird auch unser Geldmarkt von der günstigen
Gelegenheit Profitiren können. Anmerk. d. Redact. Siehe die Bedingungen
im heutigen Jnseratentheil."

So ist der große Tag gehörig vorbereitet, wo — nun wo der sparsame
Hausknecht und sein gleich sparsamer Vetter und Gevatter sich „neue Türken"
zulegen. Drei Tage nachher ist die Anleihe überzeichnet, und die Zeitung weiß
nun nichts mehr von der Türkei und am wenigsten von den „neuen Türken",
die nach einer Woche um zwanzig Procent niedriger stehen.




Wärter's SpnchwörterleXicon.*)

Es giebt Bücher, welche Anfangs von den Sachverständigen gelassen bei
Seite gelegt werden, und später durch ihren colossalen Umfang und durch
energisch fortgesetzte Reclame eine Bedeutung gewinnen, die sie ihrem wissen¬
schaftlichen Werthe nach nicht verdienen.

Ein solches Werk ist das Sprichwörter. Lexicon von K. F. W. Wärter.

Die Idee, die deutschen Sprichwörter aus allen Gauen unseres deutschen
Vaterlandes und in den verschiedenen Mundarten des deutschen Volkes zu
sammeln und in einem Werke zu vereinigen, war eine so zeitgemäße, daß die
Ankündigung des obigen Lexicons wohl von jedem Liebhaber deutscher Sitte
und Sprache mit Freuden begrüßt worden ist, wenngleich man einige gerechte
Bedenken gegen die Befähigung des Herausgebers hatte.

Herr Wärter war nämlich in der gelehrten Welt schon längst als Fa¬
brikant von Sprichwörtern bekannt.

Bereits D. W. Körte, ein gewiegter Kenner und Sammler von Sprich¬
wörtern, sagt in der Einleitung zu der 1837 bei Brockhaus in Leipzig erschie¬
nenen 1. Auflage seiner „Sprichwörter der Deutschen" Seite 29:



*) Ein H^shah-itz für das deutsche Volk. Von K. F. W. Wärter. Leipzig, F. A.
Brockhaus.
Grenzboten I. i873.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129105"/>
          <p xml:id="ID_384"> Siebente Woche: Wichtigste Nachricht. Plan Ismail Paschas, des Finanz¬<lb/>
ministers, endlich reif geworden. Großwessir eingewilligt. Scheich Ul Islam<lb/>
Segen darüber gesprochen. Padischcch gnädig dazu genickt, alle Botschaften<lb/>
und Gesandschaften entzückt davon. Und nun kann der zum Elephanten an¬<lb/>
geschwollene Pudel getrost platzen und der Kern heraustreten &#x2014; &#x201E;eine neue<lb/>
Anleihe von zehn Millionen Pfund ist zur Ausführung der großen Reform<lb/>
nothwendig befunden worden. Nie konnte man sein Kapital vortheilhafter<lb/>
Placiren. Wie wir erfahren, wird auch unser Geldmarkt von der günstigen<lb/>
Gelegenheit Profitiren können. Anmerk. d. Redact. Siehe die Bedingungen<lb/>
im heutigen Jnseratentheil."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_385"> So ist der große Tag gehörig vorbereitet, wo &#x2014; nun wo der sparsame<lb/>
Hausknecht und sein gleich sparsamer Vetter und Gevatter sich &#x201E;neue Türken"<lb/>
zulegen. Drei Tage nachher ist die Anleihe überzeichnet, und die Zeitung weiß<lb/>
nun nichts mehr von der Türkei und am wenigsten von den &#x201E;neuen Türken",<lb/>
die nach einer Woche um zwanzig Procent niedriger stehen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Wärter's SpnchwörterleXicon.*)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_386"> Es giebt Bücher, welche Anfangs von den Sachverständigen gelassen bei<lb/>
Seite gelegt werden, und später durch ihren colossalen Umfang und durch<lb/>
energisch fortgesetzte Reclame eine Bedeutung gewinnen, die sie ihrem wissen¬<lb/>
schaftlichen Werthe nach nicht verdienen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_387"> Ein solches Werk ist das Sprichwörter. Lexicon von K. F. W. Wärter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_388"> Die Idee, die deutschen Sprichwörter aus allen Gauen unseres deutschen<lb/>
Vaterlandes und in den verschiedenen Mundarten des deutschen Volkes zu<lb/>
sammeln und in einem Werke zu vereinigen, war eine so zeitgemäße, daß die<lb/>
Ankündigung des obigen Lexicons wohl von jedem Liebhaber deutscher Sitte<lb/>
und Sprache mit Freuden begrüßt worden ist, wenngleich man einige gerechte<lb/>
Bedenken gegen die Befähigung des Herausgebers hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_389"> Herr Wärter war nämlich in der gelehrten Welt schon längst als Fa¬<lb/>
brikant von Sprichwörtern bekannt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_390"> Bereits D. W. Körte, ein gewiegter Kenner und Sammler von Sprich¬<lb/>
wörtern, sagt in der Einleitung zu der 1837 bei Brockhaus in Leipzig erschie¬<lb/>
nenen 1. Auflage seiner &#x201E;Sprichwörter der Deutschen" Seite 29:</p><lb/>
          <note xml:id="FID_22" place="foot"> *) Ein H^shah-itz für das deutsche Volk. Von K. F. W. Wärter. Leipzig, F. A.<lb/>
Brockhaus.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. i873.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] Siebente Woche: Wichtigste Nachricht. Plan Ismail Paschas, des Finanz¬ ministers, endlich reif geworden. Großwessir eingewilligt. Scheich Ul Islam Segen darüber gesprochen. Padischcch gnädig dazu genickt, alle Botschaften und Gesandschaften entzückt davon. Und nun kann der zum Elephanten an¬ geschwollene Pudel getrost platzen und der Kern heraustreten — „eine neue Anleihe von zehn Millionen Pfund ist zur Ausführung der großen Reform nothwendig befunden worden. Nie konnte man sein Kapital vortheilhafter Placiren. Wie wir erfahren, wird auch unser Geldmarkt von der günstigen Gelegenheit Profitiren können. Anmerk. d. Redact. Siehe die Bedingungen im heutigen Jnseratentheil." So ist der große Tag gehörig vorbereitet, wo — nun wo der sparsame Hausknecht und sein gleich sparsamer Vetter und Gevatter sich „neue Türken" zulegen. Drei Tage nachher ist die Anleihe überzeichnet, und die Zeitung weiß nun nichts mehr von der Türkei und am wenigsten von den „neuen Türken", die nach einer Woche um zwanzig Procent niedriger stehen. Wärter's SpnchwörterleXicon.*) Es giebt Bücher, welche Anfangs von den Sachverständigen gelassen bei Seite gelegt werden, und später durch ihren colossalen Umfang und durch energisch fortgesetzte Reclame eine Bedeutung gewinnen, die sie ihrem wissen¬ schaftlichen Werthe nach nicht verdienen. Ein solches Werk ist das Sprichwörter. Lexicon von K. F. W. Wärter. Die Idee, die deutschen Sprichwörter aus allen Gauen unseres deutschen Vaterlandes und in den verschiedenen Mundarten des deutschen Volkes zu sammeln und in einem Werke zu vereinigen, war eine so zeitgemäße, daß die Ankündigung des obigen Lexicons wohl von jedem Liebhaber deutscher Sitte und Sprache mit Freuden begrüßt worden ist, wenngleich man einige gerechte Bedenken gegen die Befähigung des Herausgebers hatte. Herr Wärter war nämlich in der gelehrten Welt schon längst als Fa¬ brikant von Sprichwörtern bekannt. Bereits D. W. Körte, ein gewiegter Kenner und Sammler von Sprich¬ wörtern, sagt in der Einleitung zu der 1837 bei Brockhaus in Leipzig erschie¬ nenen 1. Auflage seiner „Sprichwörter der Deutschen" Seite 29: *) Ein H^shah-itz für das deutsche Volk. Von K. F. W. Wärter. Leipzig, F. A. Brockhaus. Grenzboten I. i873.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/113>, abgerufen am 25.08.2024.