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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Schneider sich in einer Zeitung des Staates Georgia empfahl. Man las da:
"Ein schönes Wort in der Todesstunde." "Die letzten Worte, welche
große Männer aller Nationen und aller Zeiten auf dem Sterbebette gesprochen,
sind häusig wunderbar charakteristisch. "Spitze der Armee!" murmelte der
große Napoleon in dem Augenblick, wo sein Titanengeist sich von der Fessel
des Körpers frei machte. "Mehr Licht!" seufzte Goethe. "Bekränzt mich mit
Blumen!" sagte Mirabeau. "Gebt doch Herrn Dayrolle einen Stuhl!" ließ
Lord Chesterfield sich mitten in seinem Todeskampfe vernehmen. Was aber
äußerte Jack Bowyers in seiner letzten Stunde? "Begrabt mich", sagte er, "in
einem Anzüge, der in der Werkstätte von Simring und Compagnie gearbeitet
ist. -- Simring und Compagnie, Pflaumenstraße Nummer 112, Ecke der
Wallnußstraße -- eleganter Schnitt und ausgezeichnete Güte des Stoffes sind
bei allen von dieser Firma gefertigten Kleidungsstücken garantirr, und ich
hege den Wunsch, wie im Leben so auch im Grabe als Gentleman gekleidet
zu sein."

Auch nicht übel ist die Art, in welcher neulich ein Messerschmied zu
Belleville im Staat Illinois dem Publicum die Güte seiner Waare klar zu
machen suchte. Er ließ dem Redacteur eines dortigen Blattes schreiben:
"Heilung von Wahnsinnsanfällen. Seit einiger Zeit wurde ein
Bürger unserer Stadt jeden Sonnabendsmorgen von einem förmlichen
Wuthausbruch befallen, der oft bis zum Abend anhielt und so furchtbar war,
daß sich Niemand in seine Nähe getraute. Selbst seine junge und liebens¬
würdige Frau wagte sich in diesen Stunden nicht zu ihm, was ihre Ehe
natürlich zu einer sehr unglücklichen machte. Heute haben nun ihre ehelichen
Unannehmlichkeiten ganz und gar aufgehört. Sie hat nämlich bei Adam Loos,
Messerschmied und Instrumentenmacher, Nordstraße Nummer 2, für ihren
Gatten ein Rasirmesser gekauft, und seit diesem Augenblicke hat der Ex-Wahn¬
sinnige am Sonnabend -- es ist dieß gerade sein Rasirtag -- nicht den ge¬
ringsten Wuthanfall mehr. Die Ursache seines Uebels ist beseitigt: sein neues
Messer barbiert ihn sanft und leicht, und er ist jetzt der ruhigste und ange¬
nehmste Mann, wie am Sonnabend so auch an allen anderen Tagen der
Woche."

In einem Falle reichte die Reclame sogar über das Grab hinaus und
wurde nahezu unsterblich. Der Redacteur eines amerikanischen Provinzial-
blattes verweilte auf einer Vergnügungsreise in New-Uork, wo er das Unglück
hatte, seine Gattin, die ihn begleitete, plötzlich durch den Tod zu verlieren.
Sie wurde auf einem Kirchhofe New-Yorks, und zwar auf dem am meisten
besuchten, begraben, und ihr Gemahl setzte ihr einen großartigen Denkstein
mit folgender Inschrift: "Hier ruht Theodor", das unvergeßliche Weib von
Hamilton Osia Phelps, Redacteur des Journals Far West. Abonnements


Schneider sich in einer Zeitung des Staates Georgia empfahl. Man las da:
„Ein schönes Wort in der Todesstunde." „Die letzten Worte, welche
große Männer aller Nationen und aller Zeiten auf dem Sterbebette gesprochen,
sind häusig wunderbar charakteristisch. „Spitze der Armee!" murmelte der
große Napoleon in dem Augenblick, wo sein Titanengeist sich von der Fessel
des Körpers frei machte. „Mehr Licht!" seufzte Goethe. „Bekränzt mich mit
Blumen!" sagte Mirabeau. „Gebt doch Herrn Dayrolle einen Stuhl!" ließ
Lord Chesterfield sich mitten in seinem Todeskampfe vernehmen. Was aber
äußerte Jack Bowyers in seiner letzten Stunde? „Begrabt mich", sagte er, „in
einem Anzüge, der in der Werkstätte von Simring und Compagnie gearbeitet
ist. — Simring und Compagnie, Pflaumenstraße Nummer 112, Ecke der
Wallnußstraße — eleganter Schnitt und ausgezeichnete Güte des Stoffes sind
bei allen von dieser Firma gefertigten Kleidungsstücken garantirr, und ich
hege den Wunsch, wie im Leben so auch im Grabe als Gentleman gekleidet
zu sein."

Auch nicht übel ist die Art, in welcher neulich ein Messerschmied zu
Belleville im Staat Illinois dem Publicum die Güte seiner Waare klar zu
machen suchte. Er ließ dem Redacteur eines dortigen Blattes schreiben:
„Heilung von Wahnsinnsanfällen. Seit einiger Zeit wurde ein
Bürger unserer Stadt jeden Sonnabendsmorgen von einem förmlichen
Wuthausbruch befallen, der oft bis zum Abend anhielt und so furchtbar war,
daß sich Niemand in seine Nähe getraute. Selbst seine junge und liebens¬
würdige Frau wagte sich in diesen Stunden nicht zu ihm, was ihre Ehe
natürlich zu einer sehr unglücklichen machte. Heute haben nun ihre ehelichen
Unannehmlichkeiten ganz und gar aufgehört. Sie hat nämlich bei Adam Loos,
Messerschmied und Instrumentenmacher, Nordstraße Nummer 2, für ihren
Gatten ein Rasirmesser gekauft, und seit diesem Augenblicke hat der Ex-Wahn¬
sinnige am Sonnabend — es ist dieß gerade sein Rasirtag — nicht den ge¬
ringsten Wuthanfall mehr. Die Ursache seines Uebels ist beseitigt: sein neues
Messer barbiert ihn sanft und leicht, und er ist jetzt der ruhigste und ange¬
nehmste Mann, wie am Sonnabend so auch an allen anderen Tagen der
Woche."

In einem Falle reichte die Reclame sogar über das Grab hinaus und
wurde nahezu unsterblich. Der Redacteur eines amerikanischen Provinzial-
blattes verweilte auf einer Vergnügungsreise in New-Uork, wo er das Unglück
hatte, seine Gattin, die ihn begleitete, plötzlich durch den Tod zu verlieren.
Sie wurde auf einem Kirchhofe New-Yorks, und zwar auf dem am meisten
besuchten, begraben, und ihr Gemahl setzte ihr einen großartigen Denkstein
mit folgender Inschrift: „Hier ruht Theodor«, das unvergeßliche Weib von
Hamilton Osia Phelps, Redacteur des Journals Far West. Abonnements


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/103>, abgerufen am 22.07.2024.