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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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sein, der Anstand nimmt, mir zu folgen, so sage er es und wir trennen uns,
ohne aufzuhören, uns zu achten. Sie wissen, um was es sich handelt . . .
Wir müssen Frankreich retten . . . Was auch geschehen möge, meine Verant¬
wortlichkeit wird Sie decken." -- Begeisterter Zuruf folgte diesen Worten,
wie denen des General Reybel, der im Namen aller Officiere erklärte, daß sie
ihre Verantwortlichkeit mit der des Marschalls verbänden. -- Zum Befehls¬
haber der Nationalgarde wurde General Lavoestine ernannt, ein guter
Cavallerie-Officier und leidenschaftlicher Bonapartist, dem Oberst Vieyra als
Berather zur Seite stand.

Nachdem so die Pariser Armee völlig gewonnen war, galt es auch an
die Spitze des Kriegsministeriums den Mann zu stellen, der zu Allem bereit
war. Der Präsident wechselte sein Kabinet und übergab das Portefeuille des
Krieges dem General Leroy de Se. Arnaud, dem Manne, der bestimmt
war, die wichtigste Rolle bei dem bevorstehenden Staatsstreiche zu spielen.
Seine erste Amtshandlung war ein Rundschreiben an die commandirenden
Generale, das ihnen die Pflicht unbedingten Gehorsams nachdrücklichst ein¬
schärfte und dessen Sinn er noch dadurch erläuterte, daß er gleichzeitig das in
allen Kasernen angeschlagene Decret der Nationalversammlung abnehmen
ließ, in welchem sich diese das Recht unmittelbarer Verfügung über die Trup¬
pen beilegte. Ein Versuch der Nationalversammlung hiegegen zu protestiren,
fiel in sich zusammen. Es wurde ihr nur eine Wache zugestanden, welcher sie
die Losung geben könne.

In der Nacht des 2. Decembers richtete General Lavoestine an alle
Colonels der Nationalgarde den bestimmten Befehl, ohne seine ausdrückliche
Ordre unter keinem Vorwande Rappel schlagen zu lassen. Alle Trommeln,
deren man habhaft werden konnte, wurden überdies unbrauchbar gemacht.
Nachdem so die Nationalgarde beseitigt worden, rückten auf Se. Arnaud's
Befehl die Truppen aus und besetzten die wichtigsten Punkte der Stadt, Oberst
Espinasse aber bemächtigte sich des Palastes der Nationalversammlung.
Während dessen fand die plötzliche Verhaftung aller einflußreicheren Mitglieder
der Opposition statt, die meist in ihren Betten überrascht wurden. Von Of-
ficieren gehörten dazu die Generale Cavaignac, Lamoriciere, Changarnier,
Bedeau, Le Flo, Oberstltn. Charras, Capitain Choiak und Lieutenant Valen¬
tin. Die bedeutendste bürgerliche Persönlichkeit unter den Verhafteten war
Monsieur Thiers, "Is Nöpnistopdelös <Zv notrs siecle." -- Gegen Mor¬
gen wurden dann mehrere Decrete und Proclamationen angeschlagen, welche
Volk und Heer von dem Geschehenen in Kenntniß setzten und vom Volk im
Wesentlichen die Consularverfassung des Jahres VIII, vom Heer den Beistand



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sein, der Anstand nimmt, mir zu folgen, so sage er es und wir trennen uns,
ohne aufzuhören, uns zu achten. Sie wissen, um was es sich handelt . . .
Wir müssen Frankreich retten . . . Was auch geschehen möge, meine Verant¬
wortlichkeit wird Sie decken." — Begeisterter Zuruf folgte diesen Worten,
wie denen des General Reybel, der im Namen aller Officiere erklärte, daß sie
ihre Verantwortlichkeit mit der des Marschalls verbänden. — Zum Befehls¬
haber der Nationalgarde wurde General Lavoestine ernannt, ein guter
Cavallerie-Officier und leidenschaftlicher Bonapartist, dem Oberst Vieyra als
Berather zur Seite stand.

Nachdem so die Pariser Armee völlig gewonnen war, galt es auch an
die Spitze des Kriegsministeriums den Mann zu stellen, der zu Allem bereit
war. Der Präsident wechselte sein Kabinet und übergab das Portefeuille des
Krieges dem General Leroy de Se. Arnaud, dem Manne, der bestimmt
war, die wichtigste Rolle bei dem bevorstehenden Staatsstreiche zu spielen.
Seine erste Amtshandlung war ein Rundschreiben an die commandirenden
Generale, das ihnen die Pflicht unbedingten Gehorsams nachdrücklichst ein¬
schärfte und dessen Sinn er noch dadurch erläuterte, daß er gleichzeitig das in
allen Kasernen angeschlagene Decret der Nationalversammlung abnehmen
ließ, in welchem sich diese das Recht unmittelbarer Verfügung über die Trup¬
pen beilegte. Ein Versuch der Nationalversammlung hiegegen zu protestiren,
fiel in sich zusammen. Es wurde ihr nur eine Wache zugestanden, welcher sie
die Losung geben könne.

In der Nacht des 2. Decembers richtete General Lavoestine an alle
Colonels der Nationalgarde den bestimmten Befehl, ohne seine ausdrückliche
Ordre unter keinem Vorwande Rappel schlagen zu lassen. Alle Trommeln,
deren man habhaft werden konnte, wurden überdies unbrauchbar gemacht.
Nachdem so die Nationalgarde beseitigt worden, rückten auf Se. Arnaud's
Befehl die Truppen aus und besetzten die wichtigsten Punkte der Stadt, Oberst
Espinasse aber bemächtigte sich des Palastes der Nationalversammlung.
Während dessen fand die plötzliche Verhaftung aller einflußreicheren Mitglieder
der Opposition statt, die meist in ihren Betten überrascht wurden. Von Of-
ficieren gehörten dazu die Generale Cavaignac, Lamoriciere, Changarnier,
Bedeau, Le Flo, Oberstltn. Charras, Capitain Choiak und Lieutenant Valen¬
tin. Die bedeutendste bürgerliche Persönlichkeit unter den Verhafteten war
Monsieur Thiers, „Is Nöpnistopdelös <Zv notrs siecle." — Gegen Mor¬
gen wurden dann mehrere Decrete und Proclamationen angeschlagen, welche
Volk und Heer von dem Geschehenen in Kenntniß setzten und vom Volk im
Wesentlichen die Consularverfassung des Jahres VIII, vom Heer den Beistand



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[0055] sein, der Anstand nimmt, mir zu folgen, so sage er es und wir trennen uns, ohne aufzuhören, uns zu achten. Sie wissen, um was es sich handelt . . . Wir müssen Frankreich retten . . . Was auch geschehen möge, meine Verant¬ wortlichkeit wird Sie decken." — Begeisterter Zuruf folgte diesen Worten, wie denen des General Reybel, der im Namen aller Officiere erklärte, daß sie ihre Verantwortlichkeit mit der des Marschalls verbänden. — Zum Befehls¬ haber der Nationalgarde wurde General Lavoestine ernannt, ein guter Cavallerie-Officier und leidenschaftlicher Bonapartist, dem Oberst Vieyra als Berather zur Seite stand. Nachdem so die Pariser Armee völlig gewonnen war, galt es auch an die Spitze des Kriegsministeriums den Mann zu stellen, der zu Allem bereit war. Der Präsident wechselte sein Kabinet und übergab das Portefeuille des Krieges dem General Leroy de Se. Arnaud, dem Manne, der bestimmt war, die wichtigste Rolle bei dem bevorstehenden Staatsstreiche zu spielen. Seine erste Amtshandlung war ein Rundschreiben an die commandirenden Generale, das ihnen die Pflicht unbedingten Gehorsams nachdrücklichst ein¬ schärfte und dessen Sinn er noch dadurch erläuterte, daß er gleichzeitig das in allen Kasernen angeschlagene Decret der Nationalversammlung abnehmen ließ, in welchem sich diese das Recht unmittelbarer Verfügung über die Trup¬ pen beilegte. Ein Versuch der Nationalversammlung hiegegen zu protestiren, fiel in sich zusammen. Es wurde ihr nur eine Wache zugestanden, welcher sie die Losung geben könne. In der Nacht des 2. Decembers richtete General Lavoestine an alle Colonels der Nationalgarde den bestimmten Befehl, ohne seine ausdrückliche Ordre unter keinem Vorwande Rappel schlagen zu lassen. Alle Trommeln, deren man habhaft werden konnte, wurden überdies unbrauchbar gemacht. Nachdem so die Nationalgarde beseitigt worden, rückten auf Se. Arnaud's Befehl die Truppen aus und besetzten die wichtigsten Punkte der Stadt, Oberst Espinasse aber bemächtigte sich des Palastes der Nationalversammlung. Während dessen fand die plötzliche Verhaftung aller einflußreicheren Mitglieder der Opposition statt, die meist in ihren Betten überrascht wurden. Von Of- ficieren gehörten dazu die Generale Cavaignac, Lamoriciere, Changarnier, Bedeau, Le Flo, Oberstltn. Charras, Capitain Choiak und Lieutenant Valen¬ tin. Die bedeutendste bürgerliche Persönlichkeit unter den Verhafteten war Monsieur Thiers, „Is Nöpnistopdelös <Zv notrs siecle." — Gegen Mor¬ gen wurden dann mehrere Decrete und Proclamationen angeschlagen, welche Volk und Heer von dem Geschehenen in Kenntniß setzten und vom Volk im Wesentlichen die Consularverfassung des Jahres VIII, vom Heer den Beistand de Mmiduit ,,. „> O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/55>, abgerufen am 22.07.2024.