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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Im October 1851, der gewöhnlichen Zeit des Garnisonwechsels, wurde
die Truppenzahl in Paris und Umgebung außerordentlich vermehrt, so daß
die Kasernen nicht ausreichten und die Mannschaften zum Theil in die Forts
einquartirt werden mußten. 29 Regimenter Infanterie, 8 Jägerbataillone und
eine entsprechende Anzahl von Reiterei, im Ganzen 80,000 Mann wurden nach
und nach, in und bei der Hauptstadt vereinigt. Regelmäßige Uebungen für
den Fall eines Straßenkampfes wurden täglich vorgenommen, und die Stabs-
officiere erhielten Befehl, in bürgerlicher Kleidung die von ihnen bei einem
etwaigen Kampfe einzunehmenden Stellungen und die benachbarten Gebäude
sorgfältig zu studiren. Ein Bankett, welches das erste Lanciers-Regiment dem
neu eingerückten siebenten Lanciers-Regiments gab, wurde benutzt, um der
Armee die Parole zu geben. Oberst von Rochefort charakterisirte seinen Er¬
öffnungstoast als "ein Signal des Angriffs gegen die Anarchisten, ihre An¬
hänger und Führer" und trank auf das Wohl desjenigen, "der der Armee die
Aufgabe, welche sie zu erfüllen habe, so sehr erleichtere, auf das Wohl des
Prinzen Napoleon, des Staatsoberhauptes." Der Commandeur des begrüßten
Regiments, Oberst Feray, bezeichnete die Armee als den Rettungsanker des
Landes; "die in ihren Reihen herrschende Disciplin und Eintracht haben es
ihr ermöglicht, sich auf der Höhe der ihr gestellten Aufgabe zu halten."*)
Ueber diese Aufgabe herrschte bei der Pariser Armee kein Zweifel mehr; sie
erwartete nur das Zeichen. In ihrem Commando wurde Baraguay d'Hil-
liers durch den noch zuverlässiger erscheinenden Marschall Magnam ersetzt.
Dieser versammelte einige Zeit nach seiner Ernennung alle für ein Komman¬
do in Paris ausersehenen Stabsofficiere in seinem Salon und hielt ihnen eine
Anrede, in welcher es hieß: "Meine Herren, es könnte sich in kurzer Zeit er¬
eignen, daß Ihr commandirender General es für angezeigt hielte, sich einem
Unternehmen von höchster Wichtigkeit anzuschließen. Sie werden seinen Be¬
fehlen ohne Widerrede gehorchen . . . Sollte übrigens Einer unter Ihnen



sagen uns, nur "alte Soldaten unter jungen Generalen" seien kräftig, den Krieg energisch zu
führen; mit eigenthümlicher, wenn auch sehr ungerechtfertigter Verehrung erinnern wir uns des
"vrognarcl ein pismisr ewM's"; die Maler, die Theater machen ihn wieder und immer
wieder zum Mittelpuncte ihrer Darstellungen, und so schassen wir durch die Gesetzgebung, die
Reglements mit allen Mitteln und mit aller Gewalt alte Soldaten. In der Armee-Ver¬
fassung herrscht das Gefühl vor, ja es macht ihre Stärke aus; daher jener Fehler . . . .
Eine Armee, welche sich periodisch vollständig erneut, indem sie jährlich einen beträchtlichen
Theil der besten Bevölkerung des Landes aufnimmt und die ihm dafür jedes Jahr ein Con¬
tingent wol ausgebildeter Soldaten zurückgibt, die bringt von Decennium zu Decennium der
Volksmasse eine Million guter Bürger zu und ist ein mächtiges Werkzeug für die Erziehung
der Nation."
') I^s (lÄMamv II. als U-uKluit: Revolution milituiro neu 2. clsosuM'v l8l>l. I?itrw
1852.

Im October 1851, der gewöhnlichen Zeit des Garnisonwechsels, wurde
die Truppenzahl in Paris und Umgebung außerordentlich vermehrt, so daß
die Kasernen nicht ausreichten und die Mannschaften zum Theil in die Forts
einquartirt werden mußten. 29 Regimenter Infanterie, 8 Jägerbataillone und
eine entsprechende Anzahl von Reiterei, im Ganzen 80,000 Mann wurden nach
und nach, in und bei der Hauptstadt vereinigt. Regelmäßige Uebungen für
den Fall eines Straßenkampfes wurden täglich vorgenommen, und die Stabs-
officiere erhielten Befehl, in bürgerlicher Kleidung die von ihnen bei einem
etwaigen Kampfe einzunehmenden Stellungen und die benachbarten Gebäude
sorgfältig zu studiren. Ein Bankett, welches das erste Lanciers-Regiment dem
neu eingerückten siebenten Lanciers-Regiments gab, wurde benutzt, um der
Armee die Parole zu geben. Oberst von Rochefort charakterisirte seinen Er¬
öffnungstoast als „ein Signal des Angriffs gegen die Anarchisten, ihre An¬
hänger und Führer" und trank auf das Wohl desjenigen, „der der Armee die
Aufgabe, welche sie zu erfüllen habe, so sehr erleichtere, auf das Wohl des
Prinzen Napoleon, des Staatsoberhauptes." Der Commandeur des begrüßten
Regiments, Oberst Feray, bezeichnete die Armee als den Rettungsanker des
Landes; „die in ihren Reihen herrschende Disciplin und Eintracht haben es
ihr ermöglicht, sich auf der Höhe der ihr gestellten Aufgabe zu halten."*)
Ueber diese Aufgabe herrschte bei der Pariser Armee kein Zweifel mehr; sie
erwartete nur das Zeichen. In ihrem Commando wurde Baraguay d'Hil-
liers durch den noch zuverlässiger erscheinenden Marschall Magnam ersetzt.
Dieser versammelte einige Zeit nach seiner Ernennung alle für ein Komman¬
do in Paris ausersehenen Stabsofficiere in seinem Salon und hielt ihnen eine
Anrede, in welcher es hieß: „Meine Herren, es könnte sich in kurzer Zeit er¬
eignen, daß Ihr commandirender General es für angezeigt hielte, sich einem
Unternehmen von höchster Wichtigkeit anzuschließen. Sie werden seinen Be¬
fehlen ohne Widerrede gehorchen . . . Sollte übrigens Einer unter Ihnen



sagen uns, nur „alte Soldaten unter jungen Generalen" seien kräftig, den Krieg energisch zu
führen; mit eigenthümlicher, wenn auch sehr ungerechtfertigter Verehrung erinnern wir uns des
„vrognarcl ein pismisr ewM's"; die Maler, die Theater machen ihn wieder und immer
wieder zum Mittelpuncte ihrer Darstellungen, und so schassen wir durch die Gesetzgebung, die
Reglements mit allen Mitteln und mit aller Gewalt alte Soldaten. In der Armee-Ver¬
fassung herrscht das Gefühl vor, ja es macht ihre Stärke aus; daher jener Fehler . . . .
Eine Armee, welche sich periodisch vollständig erneut, indem sie jährlich einen beträchtlichen
Theil der besten Bevölkerung des Landes aufnimmt und die ihm dafür jedes Jahr ein Con¬
tingent wol ausgebildeter Soldaten zurückgibt, die bringt von Decennium zu Decennium der
Volksmasse eine Million guter Bürger zu und ist ein mächtiges Werkzeug für die Erziehung
der Nation."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/54>, abgerufen am 22.07.2024.