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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Die erste Abtheilung von 50 Blatt liegt vor: die zweite soll binnen
Kurzem folgen. Es ist ein sauber ausgestattetes Heft in groß Quart. Die
Nachbildungen der Handschriften in Lithographie sind ohne Zweifel getreu.
Wir blättern mit großem Interesse in dem Buche, betrachten die so überaus
verschiedenartigen.Züge, deren Manche uns befremdend genug erscheinen. Das
was diese hohen Herrn geschrieben, ist nicht weniger merkwürdig.

Das erste Blatt gehört streng genommen nicht in diese Folge, ist aber
von besonderem Interesse, denn es ist eine Abbildung jenes kleinen Blattes
aus Bismarck's Taschenbuche, auf welches der Fürst am Abende des
18. August im Bivouak bei Rezonville jene vom Kaiser ihm dictirte und
eigenhändig unterschriebene Depesche an die Kaiserin schrieb, welche als
Ur. 23 der officiellen Kriegs-Depeschen allgemein bekannt ist. Der Kron¬
prinz schrieb:"


"Furchtlos und beharrlich

General v. der Tann:

"Auf das Wissen soll sogleich folgen das Können".

Graf Moltke:

"Alle Zeit, treu bereit,
Für des Reiches Herrlichkeit".

Minister Jolly:

"Im Großen entschieden,
Im Kleinen nachgiebig".


Von besonderem Werthe ist die Einzeichnung Bismarck's. Er giebt
mit seinen gewaltigen Schriftzügen seine eigene Biographie in Lapidarstil.
Kriegsminister v. Prankh schrieb: "Ein Staat, welcher sein Heer vernach¬
lässigt und dasselbe verkümmern läßt, geht trotz aller Civilisation dem sichern
Verfalle entgegen." Prinz Friedrich Carl hat den Wahlspruch:


"Ich wäg's, Gott walt's"

eingezeichnet. General v. Hartmann schrieb eine Stelle aus seiner am
28. September 1872 bei Gelegenheit der Grundsteinlegung zu den neuen Be¬
festigungen in Straßburg gehaltenen Rede. Prinz Leopold von Hohen-
zollern citirt den Spruch Goethe's:


"Thu immer das Rechte i" Deinen Sachen,
Das Andere wird sich von selber machen".

Der Preußische Gesandte von Werther schrieb :


"Der Du betrachtest dieses Blatt,
Wenn ich schon längst gestorben,
Denk': "war Er auch ein Diplomat,
Hat Er doch nichts verdorben",

u. s. w. -- Wir können nicht Alles anführen. Ein Jeder findet etwas
Anderes, das ihm besonders gefällt. -- Wohl kein Deutscher wird das in¬
teressante "Gedenkbuch" ohne Befriedigung aus der Hand legen.


R. Vergau.


Die erste Abtheilung von 50 Blatt liegt vor: die zweite soll binnen
Kurzem folgen. Es ist ein sauber ausgestattetes Heft in groß Quart. Die
Nachbildungen der Handschriften in Lithographie sind ohne Zweifel getreu.
Wir blättern mit großem Interesse in dem Buche, betrachten die so überaus
verschiedenartigen.Züge, deren Manche uns befremdend genug erscheinen. Das
was diese hohen Herrn geschrieben, ist nicht weniger merkwürdig.

Das erste Blatt gehört streng genommen nicht in diese Folge, ist aber
von besonderem Interesse, denn es ist eine Abbildung jenes kleinen Blattes
aus Bismarck's Taschenbuche, auf welches der Fürst am Abende des
18. August im Bivouak bei Rezonville jene vom Kaiser ihm dictirte und
eigenhändig unterschriebene Depesche an die Kaiserin schrieb, welche als
Ur. 23 der officiellen Kriegs-Depeschen allgemein bekannt ist. Der Kron¬
prinz schrieb:"


„Furchtlos und beharrlich

General v. der Tann:

„Auf das Wissen soll sogleich folgen das Können".

Graf Moltke:

„Alle Zeit, treu bereit,
Für des Reiches Herrlichkeit".

Minister Jolly:

„Im Großen entschieden,
Im Kleinen nachgiebig".


Von besonderem Werthe ist die Einzeichnung Bismarck's. Er giebt
mit seinen gewaltigen Schriftzügen seine eigene Biographie in Lapidarstil.
Kriegsminister v. Prankh schrieb: „Ein Staat, welcher sein Heer vernach¬
lässigt und dasselbe verkümmern läßt, geht trotz aller Civilisation dem sichern
Verfalle entgegen." Prinz Friedrich Carl hat den Wahlspruch:


„Ich wäg's, Gott walt's"

eingezeichnet. General v. Hartmann schrieb eine Stelle aus seiner am
28. September 1872 bei Gelegenheit der Grundsteinlegung zu den neuen Be¬
festigungen in Straßburg gehaltenen Rede. Prinz Leopold von Hohen-
zollern citirt den Spruch Goethe's:


„Thu immer das Rechte i» Deinen Sachen,
Das Andere wird sich von selber machen".

Der Preußische Gesandte von Werther schrieb :


„Der Du betrachtest dieses Blatt,
Wenn ich schon längst gestorben,
Denk': „war Er auch ein Diplomat,
Hat Er doch nichts verdorben",

u. s. w. — Wir können nicht Alles anführen. Ein Jeder findet etwas
Anderes, das ihm besonders gefällt. — Wohl kein Deutscher wird das in¬
teressante „Gedenkbuch" ohne Befriedigung aus der Hand legen.


R. Vergau.


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[0517] Die erste Abtheilung von 50 Blatt liegt vor: die zweite soll binnen Kurzem folgen. Es ist ein sauber ausgestattetes Heft in groß Quart. Die Nachbildungen der Handschriften in Lithographie sind ohne Zweifel getreu. Wir blättern mit großem Interesse in dem Buche, betrachten die so überaus verschiedenartigen.Züge, deren Manche uns befremdend genug erscheinen. Das was diese hohen Herrn geschrieben, ist nicht weniger merkwürdig. Das erste Blatt gehört streng genommen nicht in diese Folge, ist aber von besonderem Interesse, denn es ist eine Abbildung jenes kleinen Blattes aus Bismarck's Taschenbuche, auf welches der Fürst am Abende des 18. August im Bivouak bei Rezonville jene vom Kaiser ihm dictirte und eigenhändig unterschriebene Depesche an die Kaiserin schrieb, welche als Ur. 23 der officiellen Kriegs-Depeschen allgemein bekannt ist. Der Kron¬ prinz schrieb:" „Furchtlos und beharrlich General v. der Tann: „Auf das Wissen soll sogleich folgen das Können". Graf Moltke: „Alle Zeit, treu bereit, Für des Reiches Herrlichkeit". Minister Jolly: „Im Großen entschieden, Im Kleinen nachgiebig". Von besonderem Werthe ist die Einzeichnung Bismarck's. Er giebt mit seinen gewaltigen Schriftzügen seine eigene Biographie in Lapidarstil. Kriegsminister v. Prankh schrieb: „Ein Staat, welcher sein Heer vernach¬ lässigt und dasselbe verkümmern läßt, geht trotz aller Civilisation dem sichern Verfalle entgegen." Prinz Friedrich Carl hat den Wahlspruch: „Ich wäg's, Gott walt's" eingezeichnet. General v. Hartmann schrieb eine Stelle aus seiner am 28. September 1872 bei Gelegenheit der Grundsteinlegung zu den neuen Be¬ festigungen in Straßburg gehaltenen Rede. Prinz Leopold von Hohen- zollern citirt den Spruch Goethe's: „Thu immer das Rechte i» Deinen Sachen, Das Andere wird sich von selber machen". Der Preußische Gesandte von Werther schrieb : „Der Du betrachtest dieses Blatt, Wenn ich schon längst gestorben, Denk': „war Er auch ein Diplomat, Hat Er doch nichts verdorben", u. s. w. — Wir können nicht Alles anführen. Ein Jeder findet etwas Anderes, das ihm besonders gefällt. — Wohl kein Deutscher wird das in¬ teressante „Gedenkbuch" ohne Befriedigung aus der Hand legen. R. Vergau.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/517>, abgerufen am 22.07.2024.