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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Der andere Bettelbrief hat einen "Arbeitsmann" nebst "bescheidener aber
bedürftiger Familie" zum Urheber. Der "Bescheidene" will seine silberne
Hochzeit feiern. Er besitzt bereits alles dazu Erforderliche, mit alleiniger Aus¬
nahme von etwas Kleingeld. Dieses wird von Gmunden erwartet. Der
"Hofrath" Ouro Klopp hatte es übernommen, "es seiner Majestät vermerken
zu lassen", (sie!), allein der Umzug von Hietzing nach Gmunden "verhinderte
den Vortrag der Sache". Nun soll sie der Pastor höchsten Orts vortragen
und das Gesuch damit befürworten, daß der Sohn der Silber-Jubilare "als
Trompeter mit bei Langensalza gewesen ist." Wenn also der
Sohn bei Langensalza trompetet hat, dann muß Georg Rex dem Vater die
silberne Hochzeit Herrichten, -- wenigstens wenn es Herr Kerrl wünscht, und
wenn es Pastor Grote befürwortet. Wirklich recht patriarchalisch! -- Dann
kommt noch ein dritter Bettelbrief zur Sprache, nämlich der des "Expedienten
Meyer". Doch genug davon! Thies, Meyer und der "bescheidene" Arbeits¬
mann sind nur Exemplare einer weit verbreiteten Gattung,

Das ist es, was Herr Kerrl verlangt; sehen wir nun, was er dafür bietet

Er erbietet sich erstens, wenn es möglich wäre, alle vier Wochen einmal
Nachricht über das Wohlbefinden der "theuren Herrschaften" in Hietzing zu
bekommen, diese Nachricht unter den "Getreuen" zu verbreiten, damit "das
Interesse nicht erkalte." -- Zweitens erbittet er sich viele, recht viele Bilder
der "theuren Herrschaften". Auch diese allerhöchst-eigenhändig unterschriebenen
Bildnisse der theuren Herrscher-Familie will er unter "den tapferen Jungens"
(wahrscheinlich der Fremden-Legion?) verbreiten. Er fügt die Versicherung bei:
"Das wird eine Freude sein, wenn meine Calenberger die Bilder empfangen" und
setzt, offenbar um der größeren Bekräftigung willen, drei riesige Ausrufungs¬
zeichen dahinter. Wenn man das, was Herr Kerrl verlangt, und das, was
er bietet, mit einander vergleicht, so wird man finden, daß das Prädicat
"theuer" weniger auf die "Herrscher-Familie" paßt, als auf Herrn Kerrl und
seine Leistungen. Herr Kerrl scheint das selbst zu begreifen. Denn er fügt
für die Herrscher-Familie noch ein drittes Versprechen bei: nämlich "die Hand
des Herrn werde den grimmen Adler, welcher seinen Raub immer fester packe,
eines schönen Morgens wider die Wand werfen, daß er quakt." Man sieht,
Herr Kerrl zahlt mit einem Wechsel auf die Vorsehung, von welcher er ganz
gewiß ist, daß sie ihn nicht honoriren wird. So zahlte ja auch Ferdinand
Lassalle seine Getreuen mit einem Wechsel von 3,000,000 Thaler, welchen er
auf die preußische Negierung zog. Das ist so die Art der politischen Schulden¬
macher und Pumpkünstler. Indessen wollen wir darüber mit Herrn Kerrl
nicht weiter rechten. Vielleicht waren für ihn nur Gründe der Symmetrie
maßgebend. Auf drei Bettelbriefe mußten doch auch drei Verheißungen kommen.
Von diesem Gesichtspunkt wäre er gerechtfertigt. Es kommt ja immer nur
darauf an, den rechten Standpunkt zu finden.


Der andere Bettelbrief hat einen „Arbeitsmann" nebst „bescheidener aber
bedürftiger Familie" zum Urheber. Der „Bescheidene" will seine silberne
Hochzeit feiern. Er besitzt bereits alles dazu Erforderliche, mit alleiniger Aus¬
nahme von etwas Kleingeld. Dieses wird von Gmunden erwartet. Der
„Hofrath" Ouro Klopp hatte es übernommen, „es seiner Majestät vermerken
zu lassen", (sie!), allein der Umzug von Hietzing nach Gmunden „verhinderte
den Vortrag der Sache". Nun soll sie der Pastor höchsten Orts vortragen
und das Gesuch damit befürworten, daß der Sohn der Silber-Jubilare „als
Trompeter mit bei Langensalza gewesen ist." Wenn also der
Sohn bei Langensalza trompetet hat, dann muß Georg Rex dem Vater die
silberne Hochzeit Herrichten, — wenigstens wenn es Herr Kerrl wünscht, und
wenn es Pastor Grote befürwortet. Wirklich recht patriarchalisch! — Dann
kommt noch ein dritter Bettelbrief zur Sprache, nämlich der des „Expedienten
Meyer". Doch genug davon! Thies, Meyer und der „bescheidene" Arbeits¬
mann sind nur Exemplare einer weit verbreiteten Gattung,

Das ist es, was Herr Kerrl verlangt; sehen wir nun, was er dafür bietet

Er erbietet sich erstens, wenn es möglich wäre, alle vier Wochen einmal
Nachricht über das Wohlbefinden der „theuren Herrschaften" in Hietzing zu
bekommen, diese Nachricht unter den „Getreuen" zu verbreiten, damit „das
Interesse nicht erkalte." — Zweitens erbittet er sich viele, recht viele Bilder
der „theuren Herrschaften". Auch diese allerhöchst-eigenhändig unterschriebenen
Bildnisse der theuren Herrscher-Familie will er unter „den tapferen Jungens"
(wahrscheinlich der Fremden-Legion?) verbreiten. Er fügt die Versicherung bei:
„Das wird eine Freude sein, wenn meine Calenberger die Bilder empfangen" und
setzt, offenbar um der größeren Bekräftigung willen, drei riesige Ausrufungs¬
zeichen dahinter. Wenn man das, was Herr Kerrl verlangt, und das, was
er bietet, mit einander vergleicht, so wird man finden, daß das Prädicat
„theuer" weniger auf die „Herrscher-Familie" paßt, als auf Herrn Kerrl und
seine Leistungen. Herr Kerrl scheint das selbst zu begreifen. Denn er fügt
für die Herrscher-Familie noch ein drittes Versprechen bei: nämlich „die Hand
des Herrn werde den grimmen Adler, welcher seinen Raub immer fester packe,
eines schönen Morgens wider die Wand werfen, daß er quakt." Man sieht,
Herr Kerrl zahlt mit einem Wechsel auf die Vorsehung, von welcher er ganz
gewiß ist, daß sie ihn nicht honoriren wird. So zahlte ja auch Ferdinand
Lassalle seine Getreuen mit einem Wechsel von 3,000,000 Thaler, welchen er
auf die preußische Negierung zog. Das ist so die Art der politischen Schulden¬
macher und Pumpkünstler. Indessen wollen wir darüber mit Herrn Kerrl
nicht weiter rechten. Vielleicht waren für ihn nur Gründe der Symmetrie
maßgebend. Auf drei Bettelbriefe mußten doch auch drei Verheißungen kommen.
Von diesem Gesichtspunkt wäre er gerechtfertigt. Es kommt ja immer nur
darauf an, den rechten Standpunkt zu finden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/511>, abgerufen am 30.06.2024.