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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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einzuwenden war -- so lagen die Nilquellen im Tanganjika. Bei der Fahrt
nach dem Nusisi, die Stanley und Livingstone unternahmen, stellte sich heraus,
daß der Fluß in den See mürbe und daß er von keiner großen Bedeutung
sei. Er strömt durch eine kleine Alluvialebene; nördlich von dieser liegt eine
Gebirgskette, die der Nusisi durchbricht; jenseits derselben heißt er Kwamgere;
seinen Ursprung hat er in dem kleinen Kivosee. Etwa 20 englische Meilen
nördlich von seiner Mündung empfängt er von Nordwest her den Luanda¬
fluß; außerdem münden noch siebzehn andere Gewässer in ihn ein. Mit
dieser Entdeckung war durch Stanley festgestellt worden, daß der Tanganjika
ein für sich abgeschlossener, mit den übrigen innerafrikanischen Seen in keiner
Verbindung stehender See sei. Die Gestade des nördlichen Endes waren dicht
mit Fischerdörfern besetzt, von denen ganze Flottillen kleiner Canoes ausliefen;
am Ufer weideten große Viehheerden, die Abhänge der Hügel waren bewaldet
oder dicht mit Mais, Kassave, süßen Kartoffeln u, s. w, bestellt. Das Volk
lebte glücklich und zufrieden, und es machte auf unsere beiden Reisenden einen
betrübenden Eindruck, wenn sie bedachten, daß die Schwarzen für ein Paar
Ellen Baumwollenzeug von den Arabern aufgekauft und nach Sansibar
geschleppt wurden, um dort Gewürznelken zu pflücken oder Lastträgerdienste
zu thun. Der Verkehr mit den Schwarzen war im allgemeinen ein freundlicher,
sie forderten allerdings große Durchgangszölle und nur zweimal war es
nothwendig, ernsthaft einzuschreiten, wobei Livingstone seine vortreffliche Manier
Mit den Leuten umzugehen, sehr zu statten kam.

Nach vierwöchentlicher Abwesenheit waren die beiden Reisenden am
13. December 1871 wieder in Udschidschi angelangt. Livingstone entschloß
sich, mit Stanley bis Unjanjembe zu gehen um dort neue Vorräthe in
Empfang zu nehmen, die ihm die Fortsetzung seiner Reisen und die endgiltige
Lösung der Congo-Nilfrage ermöglichen sollten. Er schrieb zahlreiche Briefe
und übergab sein versiegeltes Tagebuch Stanley. Um den noch fortdauernden
Krieg mit Mircnnbo zu umgehen, ging man von Udschidschi nicht direct in
östlicher Richtung auf Unjanjembe, sondern auf einer mehr südlichen Route.
Nachdem man feierlich Weihnachten begangen -- wobei Hammelbraten vom
fettschwänzigen Schafe, Pombe (Bier der Schwarzen), frische Milch, Bananen,
Fische, Zwiebeln, süße Kartoffeln auf der Tafel standen -- brach man am
27. December in zwei Canoes auf, von denen das eine die englische, das
andere die amerikanische Flagge führte, fuhr auf dem Tanganjika 60 Meilen
südlich bis Kap Tongwe und brach nun zur Landreise nach Unjanjembe auf,
das am 18. Februar 1872 auch glücklich erreicht wurde. Dort fand man
neue Nachrichten -- am meisten freute sich aber Livingstone, "der wie ein
Held aß", über neue Schuhe und Strümpfe, die ihm ein Freund dorthin ge¬
sandt hatte. Dreißig Ladungen Güter lagen für Livingstone bereit und 40


einzuwenden war — so lagen die Nilquellen im Tanganjika. Bei der Fahrt
nach dem Nusisi, die Stanley und Livingstone unternahmen, stellte sich heraus,
daß der Fluß in den See mürbe und daß er von keiner großen Bedeutung
sei. Er strömt durch eine kleine Alluvialebene; nördlich von dieser liegt eine
Gebirgskette, die der Nusisi durchbricht; jenseits derselben heißt er Kwamgere;
seinen Ursprung hat er in dem kleinen Kivosee. Etwa 20 englische Meilen
nördlich von seiner Mündung empfängt er von Nordwest her den Luanda¬
fluß; außerdem münden noch siebzehn andere Gewässer in ihn ein. Mit
dieser Entdeckung war durch Stanley festgestellt worden, daß der Tanganjika
ein für sich abgeschlossener, mit den übrigen innerafrikanischen Seen in keiner
Verbindung stehender See sei. Die Gestade des nördlichen Endes waren dicht
mit Fischerdörfern besetzt, von denen ganze Flottillen kleiner Canoes ausliefen;
am Ufer weideten große Viehheerden, die Abhänge der Hügel waren bewaldet
oder dicht mit Mais, Kassave, süßen Kartoffeln u, s. w, bestellt. Das Volk
lebte glücklich und zufrieden, und es machte auf unsere beiden Reisenden einen
betrübenden Eindruck, wenn sie bedachten, daß die Schwarzen für ein Paar
Ellen Baumwollenzeug von den Arabern aufgekauft und nach Sansibar
geschleppt wurden, um dort Gewürznelken zu pflücken oder Lastträgerdienste
zu thun. Der Verkehr mit den Schwarzen war im allgemeinen ein freundlicher,
sie forderten allerdings große Durchgangszölle und nur zweimal war es
nothwendig, ernsthaft einzuschreiten, wobei Livingstone seine vortreffliche Manier
Mit den Leuten umzugehen, sehr zu statten kam.

Nach vierwöchentlicher Abwesenheit waren die beiden Reisenden am
13. December 1871 wieder in Udschidschi angelangt. Livingstone entschloß
sich, mit Stanley bis Unjanjembe zu gehen um dort neue Vorräthe in
Empfang zu nehmen, die ihm die Fortsetzung seiner Reisen und die endgiltige
Lösung der Congo-Nilfrage ermöglichen sollten. Er schrieb zahlreiche Briefe
und übergab sein versiegeltes Tagebuch Stanley. Um den noch fortdauernden
Krieg mit Mircnnbo zu umgehen, ging man von Udschidschi nicht direct in
östlicher Richtung auf Unjanjembe, sondern auf einer mehr südlichen Route.
Nachdem man feierlich Weihnachten begangen — wobei Hammelbraten vom
fettschwänzigen Schafe, Pombe (Bier der Schwarzen), frische Milch, Bananen,
Fische, Zwiebeln, süße Kartoffeln auf der Tafel standen — brach man am
27. December in zwei Canoes auf, von denen das eine die englische, das
andere die amerikanische Flagge führte, fuhr auf dem Tanganjika 60 Meilen
südlich bis Kap Tongwe und brach nun zur Landreise nach Unjanjembe auf,
das am 18. Februar 1872 auch glücklich erreicht wurde. Dort fand man
neue Nachrichten — am meisten freute sich aber Livingstone, „der wie ein
Held aß", über neue Schuhe und Strümpfe, die ihm ein Freund dorthin ge¬
sandt hatte. Dreißig Ladungen Güter lagen für Livingstone bereit und 40


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[0509] einzuwenden war — so lagen die Nilquellen im Tanganjika. Bei der Fahrt nach dem Nusisi, die Stanley und Livingstone unternahmen, stellte sich heraus, daß der Fluß in den See mürbe und daß er von keiner großen Bedeutung sei. Er strömt durch eine kleine Alluvialebene; nördlich von dieser liegt eine Gebirgskette, die der Nusisi durchbricht; jenseits derselben heißt er Kwamgere; seinen Ursprung hat er in dem kleinen Kivosee. Etwa 20 englische Meilen nördlich von seiner Mündung empfängt er von Nordwest her den Luanda¬ fluß; außerdem münden noch siebzehn andere Gewässer in ihn ein. Mit dieser Entdeckung war durch Stanley festgestellt worden, daß der Tanganjika ein für sich abgeschlossener, mit den übrigen innerafrikanischen Seen in keiner Verbindung stehender See sei. Die Gestade des nördlichen Endes waren dicht mit Fischerdörfern besetzt, von denen ganze Flottillen kleiner Canoes ausliefen; am Ufer weideten große Viehheerden, die Abhänge der Hügel waren bewaldet oder dicht mit Mais, Kassave, süßen Kartoffeln u, s. w, bestellt. Das Volk lebte glücklich und zufrieden, und es machte auf unsere beiden Reisenden einen betrübenden Eindruck, wenn sie bedachten, daß die Schwarzen für ein Paar Ellen Baumwollenzeug von den Arabern aufgekauft und nach Sansibar geschleppt wurden, um dort Gewürznelken zu pflücken oder Lastträgerdienste zu thun. Der Verkehr mit den Schwarzen war im allgemeinen ein freundlicher, sie forderten allerdings große Durchgangszölle und nur zweimal war es nothwendig, ernsthaft einzuschreiten, wobei Livingstone seine vortreffliche Manier Mit den Leuten umzugehen, sehr zu statten kam. Nach vierwöchentlicher Abwesenheit waren die beiden Reisenden am 13. December 1871 wieder in Udschidschi angelangt. Livingstone entschloß sich, mit Stanley bis Unjanjembe zu gehen um dort neue Vorräthe in Empfang zu nehmen, die ihm die Fortsetzung seiner Reisen und die endgiltige Lösung der Congo-Nilfrage ermöglichen sollten. Er schrieb zahlreiche Briefe und übergab sein versiegeltes Tagebuch Stanley. Um den noch fortdauernden Krieg mit Mircnnbo zu umgehen, ging man von Udschidschi nicht direct in östlicher Richtung auf Unjanjembe, sondern auf einer mehr südlichen Route. Nachdem man feierlich Weihnachten begangen — wobei Hammelbraten vom fettschwänzigen Schafe, Pombe (Bier der Schwarzen), frische Milch, Bananen, Fische, Zwiebeln, süße Kartoffeln auf der Tafel standen — brach man am 27. December in zwei Canoes auf, von denen das eine die englische, das andere die amerikanische Flagge führte, fuhr auf dem Tanganjika 60 Meilen südlich bis Kap Tongwe und brach nun zur Landreise nach Unjanjembe auf, das am 18. Februar 1872 auch glücklich erreicht wurde. Dort fand man neue Nachrichten — am meisten freute sich aber Livingstone, „der wie ein Held aß", über neue Schuhe und Strümpfe, die ihm ein Freund dorthin ge¬ sandt hatte. Dreißig Ladungen Güter lagen für Livingstone bereit und 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/509>, abgerufen am 30.06.2024.