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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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an der Herstellung der Bühne und des Zuschauerraumes. Indessen war am
16. Juli der Druck des Stücks beendet, welchen der Buchdrucker Glüsing in
Weimar für Goethe und natürlich auf Rechnung der Herzogin Amalia be¬
sorgte. Das Stück erschien in bescheidenem Gewände und mehr als 160 Exem¬
plare/) die jetzt selten geworden sind, wurden überhaupt nicht abgezogen. Nur
24 erhielten ein einfaches anspruchsloses Kleidchen, das in Pergamentpapier
bestand, und der Titel des aus 22 Octavblättern bestehenden Stücks lautete
abweichend von dem in die Werke übergegangenen: "Die Fischerin, ein
Singspiel. Auf dem natürlichen Schauplatz zu Tiefurth vorgestellt 1782."

Nachdem Corona Schröter die Komposition vollendet, begannen unter
Eilenstein die Clavierproben, welche mit den Mitwirkenden, dem Hoftanz¬
meister Aulhorn und dem Secretair Seidler abgehalten wurden. Besonders
gut scheint die Erlernung nicht gegangen zu sein, weil man nicht weniger als
16 Stunden damit ausfüllte. Auch mit den 12 Chorschülern, welche bei der
Aufführung in der linken Fischerhütte waren, scheint man nicht besser gefahren
zu sein: denn hier waren sogar 18 Singstunden bis zur Aufführung nöthig;
vielleicht auch, daß Goethe seine Ansprüche ungewöhnlich hoch stellte, da er
nach der Aufführung der Frau von Stein das bekannte Wort zurief: "sie haben
hundert Schweinereien gemacht." Indessen im Allgemeinen schien er zufrieden;
wenige Tage nach der Aufführung gab er seine Zufriedenheit Knebeln brief¬
lich zu erkennen. Man hatte sich in, der That angestrengt; 8 Proben sür die
Fischerin lassen eine nicht untüchtige Leistung voraussetzen. Der Effect muß
wunderbar gewesen sein. Besonders Corona Schröter muß sich in der Be¬
leuchtung reizend ausgenommen haben. Sie hatte sich roth und weiß ge¬
kleidet und mit goldenen Tressen geschmückt. Ihr Hütchen, das eine besondere
Rolle spielte, war von Tasse mit entsprechendem rothem Bande. Ueber die
Aufführung selbst ist uns nichts von Bedeutung und Interesse überliefert
worden. Höchstens daß wir einen Maßstab für derartige Festlichkeiten hin¬
sichtlich der Kosten erhalten haben; die ganze Comödie kostet mit Aufrechnung
jeder kleinen Leistung nicht mehr als 113 Thlr. 12 Gr. 7 Pf.

Das Fest schloß mit einem Souper der Geladenen mitten auf der Ilm,
auf der zu diesem Zwecke ein schwimmendes Gerüste oberhalb der Bühne an¬
gebracht war. Noch lange schauten Stadt- und Dorfbewohner diesem fröh¬
lichen Mahle zu und mancher erspähte und merkte sich die Stellen, wo die
Herrschaften mit einem fast unbegreiflichen Uebermuth die entleerten silbernen
Teller in den Fluß hinabwarfen. Da fanden sich, nachdem sich die Scene
geleert, natürlich viele Fischer, -- aber gefunden und gefischt hat keiner etwas;
denn es war dafür gesorgt, daß die Teller und Schüsseln von Netzen auf¬
gefangen wurden, die man zu ziehen -- wohlweislich nicht unterlassen hatte.


C. A. H. Burkhardt.



Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hervig. -- Druck von Hüthcl S Legler in Leipzig.
") Der Druck kostete incl. Papier -- Postschreibpapier und holländisches wurde verwandt --
nur K Thlr.

an der Herstellung der Bühne und des Zuschauerraumes. Indessen war am
16. Juli der Druck des Stücks beendet, welchen der Buchdrucker Glüsing in
Weimar für Goethe und natürlich auf Rechnung der Herzogin Amalia be¬
sorgte. Das Stück erschien in bescheidenem Gewände und mehr als 160 Exem¬
plare/) die jetzt selten geworden sind, wurden überhaupt nicht abgezogen. Nur
24 erhielten ein einfaches anspruchsloses Kleidchen, das in Pergamentpapier
bestand, und der Titel des aus 22 Octavblättern bestehenden Stücks lautete
abweichend von dem in die Werke übergegangenen: „Die Fischerin, ein
Singspiel. Auf dem natürlichen Schauplatz zu Tiefurth vorgestellt 1782."

Nachdem Corona Schröter die Komposition vollendet, begannen unter
Eilenstein die Clavierproben, welche mit den Mitwirkenden, dem Hoftanz¬
meister Aulhorn und dem Secretair Seidler abgehalten wurden. Besonders
gut scheint die Erlernung nicht gegangen zu sein, weil man nicht weniger als
16 Stunden damit ausfüllte. Auch mit den 12 Chorschülern, welche bei der
Aufführung in der linken Fischerhütte waren, scheint man nicht besser gefahren
zu sein: denn hier waren sogar 18 Singstunden bis zur Aufführung nöthig;
vielleicht auch, daß Goethe seine Ansprüche ungewöhnlich hoch stellte, da er
nach der Aufführung der Frau von Stein das bekannte Wort zurief: „sie haben
hundert Schweinereien gemacht." Indessen im Allgemeinen schien er zufrieden;
wenige Tage nach der Aufführung gab er seine Zufriedenheit Knebeln brief¬
lich zu erkennen. Man hatte sich in, der That angestrengt; 8 Proben sür die
Fischerin lassen eine nicht untüchtige Leistung voraussetzen. Der Effect muß
wunderbar gewesen sein. Besonders Corona Schröter muß sich in der Be¬
leuchtung reizend ausgenommen haben. Sie hatte sich roth und weiß ge¬
kleidet und mit goldenen Tressen geschmückt. Ihr Hütchen, das eine besondere
Rolle spielte, war von Tasse mit entsprechendem rothem Bande. Ueber die
Aufführung selbst ist uns nichts von Bedeutung und Interesse überliefert
worden. Höchstens daß wir einen Maßstab für derartige Festlichkeiten hin¬
sichtlich der Kosten erhalten haben; die ganze Comödie kostet mit Aufrechnung
jeder kleinen Leistung nicht mehr als 113 Thlr. 12 Gr. 7 Pf.

Das Fest schloß mit einem Souper der Geladenen mitten auf der Ilm,
auf der zu diesem Zwecke ein schwimmendes Gerüste oberhalb der Bühne an¬
gebracht war. Noch lange schauten Stadt- und Dorfbewohner diesem fröh¬
lichen Mahle zu und mancher erspähte und merkte sich die Stellen, wo die
Herrschaften mit einem fast unbegreiflichen Uebermuth die entleerten silbernen
Teller in den Fluß hinabwarfen. Da fanden sich, nachdem sich die Scene
geleert, natürlich viele Fischer, — aber gefunden und gefischt hat keiner etwas;
denn es war dafür gesorgt, daß die Teller und Schüsseln von Netzen auf¬
gefangen wurden, die man zu ziehen — wohlweislich nicht unterlassen hatte.


C. A. H. Burkhardt.



Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Hüthcl S Legler in Leipzig.
") Der Druck kostete incl. Papier — Postschreibpapier und holländisches wurde verwandt —
nur K Thlr.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/48>, abgerufen am 30.06.2024.