Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zuschauerraum befand sich unterhalb des Tempels ungefähr 16 Schritte von
der Haupthütte entfernt, und war dem Mittelpunkte der Handlung am näch¬
sten. Wir wissen von Goethe selbst, daß die Zuschauer in der Mooshütte
saßen, deren Wand gegen das Wasser zu ausgehoben war"). Aber auch sie
war für die Aufführung eigens umgestaltet; man hatte aus ihr ein Zelt im
chinesischen Geschmack gemacht, das von einem dunkelgrünen Wachstuche ge¬
schirmt wurde, dessen äußerer Rand mit Metallglöckchen besetzt war. Eine
dicke in chinesische Schnörkel auslaufende mit Laubwerk umgebene Säule war
der Hauptträger dieses Zeltes, in dessen Spitzen natürlich ebenso wenig die im
Winde spielenden Glöckchen fehlen durften. Selbstverständlich war der fürst¬
liche Zuschauerraum von dem übrigen Theile des Parkes durch Pfähle und
Seil abgesperrt und die nicht geladenen Zuschauer mußten sich mit dem ober¬
halb der Bühne befindlichen schwach gestützten Stege begnügen, der die herr¬
liche Aussicht auf den Fluß gewährte, im übrigen aber auch den Nachtheil
hatte, daß die Zuschauer beim Einbrechen desselben zum Ergötzen Aller ein
unfreiwilliges Bad genossen. Bis zum Eintritt der Lichteffecte, auf den
eigentlich die Wirkung des Stücks berechnst war, lag die ganze Gegend in
einem wunderbaren Halbdunkel, das nur mattes, verstecktes, hinter Bäumen
in Glaskugeln angebrachtes Licht durchbrach, und es gewährte eine überaus
große Ueberraschung, als die Scene durch Feuer an allen Enden beleuchtet
wurde, daß unter allen Bäumen dichtgedrängte Zuschauer besonders im Hin¬
tergrund der Bühne unter dem dichten Buschholze hervorschauten.

Wir müssen, um jedem Zweifel an der Richtigkeit unserer Schilderung zu
begegnen, hervorheben, daß in unsern Tagen wesentlich andere Stromver¬
hältnisse vorhanden sind, welche die Aufführung der Fischerin erschwert haben
würden. Denn man mag die Stelle betreten, wenn man will, so wird man
finden, daß der Fluß in seinen jetzigen Verhältnissen sich nicht recht eignen
will, um einen Kahn stromaufwärts in die Scene eintreten zu lassen. Ent¬
weder ist der Fluß an der Stelle reißend, oder so seicht, daß man fast trocke¬
nen Fußes an das jenseitige Ufer gelangen kann. Damals war die Ilm an¬
ders geartet. Sie floß ruhig in tiefem Bette dahin, weil das Wasser durch
eine Wasserkunst, die im Interesse der Gärtnerei unterhalten wurde, gestaut war,
und somit dürften alle Bedenken schwinden, welche vielleicht noch gegen die
Richtigkeit unserer Angaben vorzubringen sind. Auch schon der Umstand, daß
am Landungsplatz des Fischers eine Fähre für das gegenüberliegende Bade¬
haus sich befand, bestätigt die Richtigkeit des Behaupteten.

Die Vorbereitungen zur Aufführung begannen schon am 12. Juli. Mit
Unterbrechungen (12., 13., 1S" 20., 22. Juli) arbeiteten 2--3 Zimmerleute



") Goethe's und Knebel's Briefwechsel. S, 35--36.

Zuschauerraum befand sich unterhalb des Tempels ungefähr 16 Schritte von
der Haupthütte entfernt, und war dem Mittelpunkte der Handlung am näch¬
sten. Wir wissen von Goethe selbst, daß die Zuschauer in der Mooshütte
saßen, deren Wand gegen das Wasser zu ausgehoben war"). Aber auch sie
war für die Aufführung eigens umgestaltet; man hatte aus ihr ein Zelt im
chinesischen Geschmack gemacht, das von einem dunkelgrünen Wachstuche ge¬
schirmt wurde, dessen äußerer Rand mit Metallglöckchen besetzt war. Eine
dicke in chinesische Schnörkel auslaufende mit Laubwerk umgebene Säule war
der Hauptträger dieses Zeltes, in dessen Spitzen natürlich ebenso wenig die im
Winde spielenden Glöckchen fehlen durften. Selbstverständlich war der fürst¬
liche Zuschauerraum von dem übrigen Theile des Parkes durch Pfähle und
Seil abgesperrt und die nicht geladenen Zuschauer mußten sich mit dem ober¬
halb der Bühne befindlichen schwach gestützten Stege begnügen, der die herr¬
liche Aussicht auf den Fluß gewährte, im übrigen aber auch den Nachtheil
hatte, daß die Zuschauer beim Einbrechen desselben zum Ergötzen Aller ein
unfreiwilliges Bad genossen. Bis zum Eintritt der Lichteffecte, auf den
eigentlich die Wirkung des Stücks berechnst war, lag die ganze Gegend in
einem wunderbaren Halbdunkel, das nur mattes, verstecktes, hinter Bäumen
in Glaskugeln angebrachtes Licht durchbrach, und es gewährte eine überaus
große Ueberraschung, als die Scene durch Feuer an allen Enden beleuchtet
wurde, daß unter allen Bäumen dichtgedrängte Zuschauer besonders im Hin¬
tergrund der Bühne unter dem dichten Buschholze hervorschauten.

Wir müssen, um jedem Zweifel an der Richtigkeit unserer Schilderung zu
begegnen, hervorheben, daß in unsern Tagen wesentlich andere Stromver¬
hältnisse vorhanden sind, welche die Aufführung der Fischerin erschwert haben
würden. Denn man mag die Stelle betreten, wenn man will, so wird man
finden, daß der Fluß in seinen jetzigen Verhältnissen sich nicht recht eignen
will, um einen Kahn stromaufwärts in die Scene eintreten zu lassen. Ent¬
weder ist der Fluß an der Stelle reißend, oder so seicht, daß man fast trocke¬
nen Fußes an das jenseitige Ufer gelangen kann. Damals war die Ilm an¬
ders geartet. Sie floß ruhig in tiefem Bette dahin, weil das Wasser durch
eine Wasserkunst, die im Interesse der Gärtnerei unterhalten wurde, gestaut war,
und somit dürften alle Bedenken schwinden, welche vielleicht noch gegen die
Richtigkeit unserer Angaben vorzubringen sind. Auch schon der Umstand, daß
am Landungsplatz des Fischers eine Fähre für das gegenüberliegende Bade¬
haus sich befand, bestätigt die Richtigkeit des Behaupteten.

Die Vorbereitungen zur Aufführung begannen schon am 12. Juli. Mit
Unterbrechungen (12., 13., 1S„ 20., 22. Juli) arbeiteten 2—3 Zimmerleute



") Goethe's und Knebel's Briefwechsel. S, 35—36.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128501"/>
          <p xml:id="ID_95" prev="#ID_94"> Zuschauerraum befand sich unterhalb des Tempels ungefähr 16 Schritte von<lb/>
der Haupthütte entfernt, und war dem Mittelpunkte der Handlung am näch¬<lb/>
sten. Wir wissen von Goethe selbst, daß die Zuschauer in der Mooshütte<lb/>
saßen, deren Wand gegen das Wasser zu ausgehoben war"). Aber auch sie<lb/>
war für die Aufführung eigens umgestaltet; man hatte aus ihr ein Zelt im<lb/>
chinesischen Geschmack gemacht, das von einem dunkelgrünen Wachstuche ge¬<lb/>
schirmt wurde, dessen äußerer Rand mit Metallglöckchen besetzt war. Eine<lb/>
dicke in chinesische Schnörkel auslaufende mit Laubwerk umgebene Säule war<lb/>
der Hauptträger dieses Zeltes, in dessen Spitzen natürlich ebenso wenig die im<lb/>
Winde spielenden Glöckchen fehlen durften. Selbstverständlich war der fürst¬<lb/>
liche Zuschauerraum von dem übrigen Theile des Parkes durch Pfähle und<lb/>
Seil abgesperrt und die nicht geladenen Zuschauer mußten sich mit dem ober¬<lb/>
halb der Bühne befindlichen schwach gestützten Stege begnügen, der die herr¬<lb/>
liche Aussicht auf den Fluß gewährte, im übrigen aber auch den Nachtheil<lb/>
hatte, daß die Zuschauer beim Einbrechen desselben zum Ergötzen Aller ein<lb/>
unfreiwilliges Bad genossen. Bis zum Eintritt der Lichteffecte, auf den<lb/>
eigentlich die Wirkung des Stücks berechnst war, lag die ganze Gegend in<lb/>
einem wunderbaren Halbdunkel, das nur mattes, verstecktes, hinter Bäumen<lb/>
in Glaskugeln angebrachtes Licht durchbrach, und es gewährte eine überaus<lb/>
große Ueberraschung, als die Scene durch Feuer an allen Enden beleuchtet<lb/>
wurde, daß unter allen Bäumen dichtgedrängte Zuschauer besonders im Hin¬<lb/>
tergrund der Bühne unter dem dichten Buschholze hervorschauten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_96"> Wir müssen, um jedem Zweifel an der Richtigkeit unserer Schilderung zu<lb/>
begegnen, hervorheben, daß in unsern Tagen wesentlich andere Stromver¬<lb/>
hältnisse vorhanden sind, welche die Aufführung der Fischerin erschwert haben<lb/>
würden. Denn man mag die Stelle betreten, wenn man will, so wird man<lb/>
finden, daß der Fluß in seinen jetzigen Verhältnissen sich nicht recht eignen<lb/>
will, um einen Kahn stromaufwärts in die Scene eintreten zu lassen. Ent¬<lb/>
weder ist der Fluß an der Stelle reißend, oder so seicht, daß man fast trocke¬<lb/>
nen Fußes an das jenseitige Ufer gelangen kann. Damals war die Ilm an¬<lb/>
ders geartet. Sie floß ruhig in tiefem Bette dahin, weil das Wasser durch<lb/>
eine Wasserkunst, die im Interesse der Gärtnerei unterhalten wurde, gestaut war,<lb/>
und somit dürften alle Bedenken schwinden, welche vielleicht noch gegen die<lb/>
Richtigkeit unserer Angaben vorzubringen sind. Auch schon der Umstand, daß<lb/>
am Landungsplatz des Fischers eine Fähre für das gegenüberliegende Bade¬<lb/>
haus sich befand, bestätigt die Richtigkeit des Behaupteten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_97" next="#ID_98"> Die Vorbereitungen zur Aufführung begannen schon am 12. Juli. Mit<lb/>
Unterbrechungen (12., 13., 1S&#x201E; 20., 22. Juli) arbeiteten 2&#x2014;3 Zimmerleute</p><lb/>
          <note xml:id="FID_4" place="foot"> ") Goethe's und Knebel's Briefwechsel. S, 35&#x2014;36.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] Zuschauerraum befand sich unterhalb des Tempels ungefähr 16 Schritte von der Haupthütte entfernt, und war dem Mittelpunkte der Handlung am näch¬ sten. Wir wissen von Goethe selbst, daß die Zuschauer in der Mooshütte saßen, deren Wand gegen das Wasser zu ausgehoben war"). Aber auch sie war für die Aufführung eigens umgestaltet; man hatte aus ihr ein Zelt im chinesischen Geschmack gemacht, das von einem dunkelgrünen Wachstuche ge¬ schirmt wurde, dessen äußerer Rand mit Metallglöckchen besetzt war. Eine dicke in chinesische Schnörkel auslaufende mit Laubwerk umgebene Säule war der Hauptträger dieses Zeltes, in dessen Spitzen natürlich ebenso wenig die im Winde spielenden Glöckchen fehlen durften. Selbstverständlich war der fürst¬ liche Zuschauerraum von dem übrigen Theile des Parkes durch Pfähle und Seil abgesperrt und die nicht geladenen Zuschauer mußten sich mit dem ober¬ halb der Bühne befindlichen schwach gestützten Stege begnügen, der die herr¬ liche Aussicht auf den Fluß gewährte, im übrigen aber auch den Nachtheil hatte, daß die Zuschauer beim Einbrechen desselben zum Ergötzen Aller ein unfreiwilliges Bad genossen. Bis zum Eintritt der Lichteffecte, auf den eigentlich die Wirkung des Stücks berechnst war, lag die ganze Gegend in einem wunderbaren Halbdunkel, das nur mattes, verstecktes, hinter Bäumen in Glaskugeln angebrachtes Licht durchbrach, und es gewährte eine überaus große Ueberraschung, als die Scene durch Feuer an allen Enden beleuchtet wurde, daß unter allen Bäumen dichtgedrängte Zuschauer besonders im Hin¬ tergrund der Bühne unter dem dichten Buschholze hervorschauten. Wir müssen, um jedem Zweifel an der Richtigkeit unserer Schilderung zu begegnen, hervorheben, daß in unsern Tagen wesentlich andere Stromver¬ hältnisse vorhanden sind, welche die Aufführung der Fischerin erschwert haben würden. Denn man mag die Stelle betreten, wenn man will, so wird man finden, daß der Fluß in seinen jetzigen Verhältnissen sich nicht recht eignen will, um einen Kahn stromaufwärts in die Scene eintreten zu lassen. Ent¬ weder ist der Fluß an der Stelle reißend, oder so seicht, daß man fast trocke¬ nen Fußes an das jenseitige Ufer gelangen kann. Damals war die Ilm an¬ ders geartet. Sie floß ruhig in tiefem Bette dahin, weil das Wasser durch eine Wasserkunst, die im Interesse der Gärtnerei unterhalten wurde, gestaut war, und somit dürften alle Bedenken schwinden, welche vielleicht noch gegen die Richtigkeit unserer Angaben vorzubringen sind. Auch schon der Umstand, daß am Landungsplatz des Fischers eine Fähre für das gegenüberliegende Bade¬ haus sich befand, bestätigt die Richtigkeit des Behaupteten. Die Vorbereitungen zur Aufführung begannen schon am 12. Juli. Mit Unterbrechungen (12., 13., 1S„ 20., 22. Juli) arbeiteten 2—3 Zimmerleute ") Goethe's und Knebel's Briefwechsel. S, 35—36.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/47
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/47>, abgerufen am 02.07.2024.