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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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hat uns überrascht und in gewisser Hinsicht seltsam berührt, daß Niemand
diesen ächten Naturberuf der deutschen Cavallerie energischer und wuchtiger in
Worte gekleidet hat, als der Mann, der bei den Sachkennern als der Regene¬
rator der preußischen d. h. deutschen Cavallerie gilt und den wir Laien mit
den Berliner Straßenjungen nur als die heiter populäre Gestalt des "Vater
Wrangel" kennen. Wie wir werden die meisten Leser dasselbe Gefühl theilen,
wenn sie folgende von Jähns citirte Worte des ehrwürdigen Nestors unseres
deutschen Kriegsheeres sich zu Gemüthe ziehen, von deren Existenz sie gewiß
so wenig wie wir selbst eine Ahnung hatten. "So lange die Schlachtfelder
Unebenheiten und Bedeckungen zeigen, die Ueberraschungen zulassen, so lange
der Pulverdampf eine Wolke über das Gefecht legt, so lange Schlachtenlärm
und Gefahr noch mittelmäßigen Geistern die Entschlußfähigkeit raubt, so lange
unsere Gegner Menschen bleiben, denen eine geschlossen heranstürmende Reiter¬
masse einen andern Eindruck als eine Scheibe macht, so lange darf die Hoff¬
nung hoher, ruhmvoller Thaten, trotz aller erhöhten kantischen Brauchbarkeit
der andern Waffengattungen, bei der Cavallerie nie verschwinden."


H. Rückert.


pariser Journalisten.*)

Der Verfasser des in der unterstehenden Note angeführten Buches ist der Vater
des "Figaro", und dieser wiederumist wohl der treueste Spiegelder eigentlichen
und echten pariser Journalistik, einer Denkart und Thätigkeit, die im Guten
wie im Bösen außerhalb der großen Seinestadt keinem Seitenstück begegnet.

Ueberall eingeführt, über alle Vorgänge aus erster Hand unterrichtet,
kennt ein durch Talent populär gewordner pariser Journalist das, was man
dort Welt nennt, aus dem Grunde. Ein liebenswürdiger Plauderer, ein
lebendiger Erzähler, theilt er uns dieses sein Wissen in der unterhaltendsten
Weise mit, über deren Vorzügen wir leicht vergessen, daß der leichtsinnige
Patron sonst herzlich wenig gelernt hat, und daß er mit einer Selbstgefällig¬
keit und Dreistigkeit auftritt, die wir bei einem deutschen College" ganz und
gar unverzeihlich finden würden. Er redet selbst in reiferem Alter wie ein
aufgeweckter zuversichtlicher Schulbube schwatzt, wenn der Vater oder Lehrer
nicht dabei ist. Er erzählt alles, was ihm in die Feder fließt, nicht immer
ohne Verschönerung durch Flausen, aber stets ohne eine Spur zögernder



*) Mmoirss ä'lin ^onrualisto. ?ar II. Sö VillsmsssMt. ?ans, DtZlltll. 1872.
Grenzboten 1872. IV. 53

hat uns überrascht und in gewisser Hinsicht seltsam berührt, daß Niemand
diesen ächten Naturberuf der deutschen Cavallerie energischer und wuchtiger in
Worte gekleidet hat, als der Mann, der bei den Sachkennern als der Regene¬
rator der preußischen d. h. deutschen Cavallerie gilt und den wir Laien mit
den Berliner Straßenjungen nur als die heiter populäre Gestalt des „Vater
Wrangel" kennen. Wie wir werden die meisten Leser dasselbe Gefühl theilen,
wenn sie folgende von Jähns citirte Worte des ehrwürdigen Nestors unseres
deutschen Kriegsheeres sich zu Gemüthe ziehen, von deren Existenz sie gewiß
so wenig wie wir selbst eine Ahnung hatten. „So lange die Schlachtfelder
Unebenheiten und Bedeckungen zeigen, die Ueberraschungen zulassen, so lange
der Pulverdampf eine Wolke über das Gefecht legt, so lange Schlachtenlärm
und Gefahr noch mittelmäßigen Geistern die Entschlußfähigkeit raubt, so lange
unsere Gegner Menschen bleiben, denen eine geschlossen heranstürmende Reiter¬
masse einen andern Eindruck als eine Scheibe macht, so lange darf die Hoff¬
nung hoher, ruhmvoller Thaten, trotz aller erhöhten kantischen Brauchbarkeit
der andern Waffengattungen, bei der Cavallerie nie verschwinden."


H. Rückert.


pariser Journalisten.*)

Der Verfasser des in der unterstehenden Note angeführten Buches ist der Vater
des „Figaro", und dieser wiederumist wohl der treueste Spiegelder eigentlichen
und echten pariser Journalistik, einer Denkart und Thätigkeit, die im Guten
wie im Bösen außerhalb der großen Seinestadt keinem Seitenstück begegnet.

Ueberall eingeführt, über alle Vorgänge aus erster Hand unterrichtet,
kennt ein durch Talent populär gewordner pariser Journalist das, was man
dort Welt nennt, aus dem Grunde. Ein liebenswürdiger Plauderer, ein
lebendiger Erzähler, theilt er uns dieses sein Wissen in der unterhaltendsten
Weise mit, über deren Vorzügen wir leicht vergessen, daß der leichtsinnige
Patron sonst herzlich wenig gelernt hat, und daß er mit einer Selbstgefällig¬
keit und Dreistigkeit auftritt, die wir bei einem deutschen College» ganz und
gar unverzeihlich finden würden. Er redet selbst in reiferem Alter wie ein
aufgeweckter zuversichtlicher Schulbube schwatzt, wenn der Vater oder Lehrer
nicht dabei ist. Er erzählt alles, was ihm in die Feder fließt, nicht immer
ohne Verschönerung durch Flausen, aber stets ohne eine Spur zögernder



*) Mmoirss ä'lin ^onrualisto. ?ar II. Sö VillsmsssMt. ?ans, DtZlltll. 1872.
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[0425] hat uns überrascht und in gewisser Hinsicht seltsam berührt, daß Niemand diesen ächten Naturberuf der deutschen Cavallerie energischer und wuchtiger in Worte gekleidet hat, als der Mann, der bei den Sachkennern als der Regene¬ rator der preußischen d. h. deutschen Cavallerie gilt und den wir Laien mit den Berliner Straßenjungen nur als die heiter populäre Gestalt des „Vater Wrangel" kennen. Wie wir werden die meisten Leser dasselbe Gefühl theilen, wenn sie folgende von Jähns citirte Worte des ehrwürdigen Nestors unseres deutschen Kriegsheeres sich zu Gemüthe ziehen, von deren Existenz sie gewiß so wenig wie wir selbst eine Ahnung hatten. „So lange die Schlachtfelder Unebenheiten und Bedeckungen zeigen, die Ueberraschungen zulassen, so lange der Pulverdampf eine Wolke über das Gefecht legt, so lange Schlachtenlärm und Gefahr noch mittelmäßigen Geistern die Entschlußfähigkeit raubt, so lange unsere Gegner Menschen bleiben, denen eine geschlossen heranstürmende Reiter¬ masse einen andern Eindruck als eine Scheibe macht, so lange darf die Hoff¬ nung hoher, ruhmvoller Thaten, trotz aller erhöhten kantischen Brauchbarkeit der andern Waffengattungen, bei der Cavallerie nie verschwinden." H. Rückert. pariser Journalisten.*) Der Verfasser des in der unterstehenden Note angeführten Buches ist der Vater des „Figaro", und dieser wiederumist wohl der treueste Spiegelder eigentlichen und echten pariser Journalistik, einer Denkart und Thätigkeit, die im Guten wie im Bösen außerhalb der großen Seinestadt keinem Seitenstück begegnet. Ueberall eingeführt, über alle Vorgänge aus erster Hand unterrichtet, kennt ein durch Talent populär gewordner pariser Journalist das, was man dort Welt nennt, aus dem Grunde. Ein liebenswürdiger Plauderer, ein lebendiger Erzähler, theilt er uns dieses sein Wissen in der unterhaltendsten Weise mit, über deren Vorzügen wir leicht vergessen, daß der leichtsinnige Patron sonst herzlich wenig gelernt hat, und daß er mit einer Selbstgefällig¬ keit und Dreistigkeit auftritt, die wir bei einem deutschen College» ganz und gar unverzeihlich finden würden. Er redet selbst in reiferem Alter wie ein aufgeweckter zuversichtlicher Schulbube schwatzt, wenn der Vater oder Lehrer nicht dabei ist. Er erzählt alles, was ihm in die Feder fließt, nicht immer ohne Verschönerung durch Flausen, aber stets ohne eine Spur zögernder *) Mmoirss ä'lin ^onrualisto. ?ar II. Sö VillsmsssMt. ?ans, DtZlltll. 1872. Grenzboten 1872. IV. 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/425>, abgerufen am 22.07.2024.