Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.eine ähnliche Herabminderung zugestehen könne, sich noch vorbehalten. Am So werden wir also in dieser Woche die zehnte Wiederkehr der Minister¬ Welche Unpopularität hat dieser Staatsmann in den ersten Jahren seiner eine ähnliche Herabminderung zugestehen könne, sich noch vorbehalten. Am So werden wir also in dieser Woche die zehnte Wiederkehr der Minister¬ Welche Unpopularität hat dieser Staatsmann in den ersten Jahren seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128496"/> <p xml:id="ID_83" prev="#ID_82"> eine ähnliche Herabminderung zugestehen könne, sich noch vorbehalten. Am<lb/> 18. September aber mußte der Kriegsminister in der Budgetkommission —<lb/> welche in Folge der vortägigen Erklärung des Ministers unter Aussetzung<lb/> der Plenarsitzungen den Auftrag erhalten hatte, dem Hause neue Vorschläge<lb/> zu unterbreiten — erklären: daß für das Jahr 1863 eine auf der factischen<lb/> Einführung der zweijährigen Dienstzeit beruhende Herabminderung der Kosten<lb/> für das Heer nicht thunlich sei. Nunmehr beschloß die Commission, dem<lb/> Hause die Fortsetzung der Plenarberathung über das Budget anzuempfehlen,<lb/> deren Anfang darin bestanden hatte, in den einzelnen Capiteln des Militär-<lb/> Haushalts alle Kosten für die Reorganisation zu streichen. Es konnte kein<lb/> Zweifel sein, daß diese Streichung bis zum Ende durchgeführt werden würde.<lb/> Am 23. September fand die Schlußabstimmung über das Budget statt, in<lb/> welcher alle bisher provisorisch beschlossenen Streichungen definitiv genehmigt<lb/> wurden. Die Minister der Finanzen, des Auswärtigen und des Handels, die<lb/> Herren von der Heydt, Graf Bernstorf und von Holzbrink reichten ihre Ent¬<lb/> lassung ein. Am 25. September brachte der Staatsanzeiger die königliche<lb/> Ordre, daß der bereits beurlaubte Ministerpräsident Fürst Hohenlohe definitiv<lb/> von seinen Functionen entbunden und daß der Wirkliche Geheime Rath von<lb/> Bismarck-Schönhausen unter gleichzeitiger Ernennung zum Staatsminister mit<lb/> dem Vorsitz im Staatsministerium provisorisch beauftragt werde. Bald wurde<lb/> den Ministern, die um ihre Entlassung nachgesucht, dieselbe bewilligt und dem<lb/> Staatsminister von Bismarck-Schönhausen sowohl das Ministerium des Aus¬<lb/> wärtigen, als der definitive Vorsitz im Gesammtministerium übertragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_84"> So werden wir also in dieser Woche die zehnte Wiederkehr der Minister¬<lb/> ernennung des jetzigen deutschen Reichskanzlers begehen. Welch eine Laufbahn,<lb/> welche Kette von Erfolgen, zusammengedrängt auf einen zehnjährigen Zeitraum!<lb/> Und welcher Gegensatz zwischen dem Anfang und dem Heute! Man sucht<lb/> vergebens nach etwas Aehnlichem.</p><lb/> <p xml:id="ID_85"> Welche Unpopularität hat dieser Staatsmann in den ersten Jahren seiner<lb/> Ministerlaufbahn auf sich geladen! — Und daß diese collossale UnPopularität,<lb/> in der sich Haß und höhnisches Mitleid zu mischen glaubten, in eine bis zur<lb/> Paralysirung aller öffentlichen Selbstthätigkeit gehende Hingebung umgeschlagen,<lb/> das ist noch nicht einmal das Wunderbarste. Weit erstaunlicher erscheint, daß<lb/> der Staatsmann, als ihn die Wogen der öffentlichen Abneigung zu begraben<lb/> schienen, mit lächelnder Miene versicherte: er werde der populärste Mann<lb/> werden, den Deutschland in neuerer Zeit gehabt. Heute kann man nur fin¬<lb/> den, daß die Voraussagung noch zu bescheiden gelautet hat, obwohl sie einer<lb/> Stimmung gegenüber, wie diejenige, an welche sie gerichtet wurde, kaum<lb/> glaublich erschiene, wenn sie nicht in hundert Zeitungsberichten zweifellos über¬<lb/> liefert wäre.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
eine ähnliche Herabminderung zugestehen könne, sich noch vorbehalten. Am
18. September aber mußte der Kriegsminister in der Budgetkommission —
welche in Folge der vortägigen Erklärung des Ministers unter Aussetzung
der Plenarsitzungen den Auftrag erhalten hatte, dem Hause neue Vorschläge
zu unterbreiten — erklären: daß für das Jahr 1863 eine auf der factischen
Einführung der zweijährigen Dienstzeit beruhende Herabminderung der Kosten
für das Heer nicht thunlich sei. Nunmehr beschloß die Commission, dem
Hause die Fortsetzung der Plenarberathung über das Budget anzuempfehlen,
deren Anfang darin bestanden hatte, in den einzelnen Capiteln des Militär-
Haushalts alle Kosten für die Reorganisation zu streichen. Es konnte kein
Zweifel sein, daß diese Streichung bis zum Ende durchgeführt werden würde.
Am 23. September fand die Schlußabstimmung über das Budget statt, in
welcher alle bisher provisorisch beschlossenen Streichungen definitiv genehmigt
wurden. Die Minister der Finanzen, des Auswärtigen und des Handels, die
Herren von der Heydt, Graf Bernstorf und von Holzbrink reichten ihre Ent¬
lassung ein. Am 25. September brachte der Staatsanzeiger die königliche
Ordre, daß der bereits beurlaubte Ministerpräsident Fürst Hohenlohe definitiv
von seinen Functionen entbunden und daß der Wirkliche Geheime Rath von
Bismarck-Schönhausen unter gleichzeitiger Ernennung zum Staatsminister mit
dem Vorsitz im Staatsministerium provisorisch beauftragt werde. Bald wurde
den Ministern, die um ihre Entlassung nachgesucht, dieselbe bewilligt und dem
Staatsminister von Bismarck-Schönhausen sowohl das Ministerium des Aus¬
wärtigen, als der definitive Vorsitz im Gesammtministerium übertragen.
So werden wir also in dieser Woche die zehnte Wiederkehr der Minister¬
ernennung des jetzigen deutschen Reichskanzlers begehen. Welch eine Laufbahn,
welche Kette von Erfolgen, zusammengedrängt auf einen zehnjährigen Zeitraum!
Und welcher Gegensatz zwischen dem Anfang und dem Heute! Man sucht
vergebens nach etwas Aehnlichem.
Welche Unpopularität hat dieser Staatsmann in den ersten Jahren seiner
Ministerlaufbahn auf sich geladen! — Und daß diese collossale UnPopularität,
in der sich Haß und höhnisches Mitleid zu mischen glaubten, in eine bis zur
Paralysirung aller öffentlichen Selbstthätigkeit gehende Hingebung umgeschlagen,
das ist noch nicht einmal das Wunderbarste. Weit erstaunlicher erscheint, daß
der Staatsmann, als ihn die Wogen der öffentlichen Abneigung zu begraben
schienen, mit lächelnder Miene versicherte: er werde der populärste Mann
werden, den Deutschland in neuerer Zeit gehabt. Heute kann man nur fin¬
den, daß die Voraussagung noch zu bescheiden gelautet hat, obwohl sie einer
Stimmung gegenüber, wie diejenige, an welche sie gerichtet wurde, kaum
glaublich erschiene, wenn sie nicht in hundert Zeitungsberichten zweifellos über¬
liefert wäre.
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